Mit Begeisterung und ohne Gnade

von Jan-Hendrik Schulz

Kommentar zum Siegener Einparkphänomen und ein Versuch nachzuvollziehen, warum wir alle vor dem Rechner gesessen haben.

Es sind drei Faktoren, die das Internetphänomen um den Parkhauskönig von Siegen so groß gemacht haben: Die coole Lässigkeit des Protagonisten, Witz und Kreativität der Siegener Studierendenschaft, die das Foto und die Begleitumstände in vielfältigster Form aufgegriffen haben und – ja – auch die Häme darüber, dass jemand seine „verdiente Strafe“ bekommen hat.

Keiner der inzwischen zahlreichen Berichte kommt ohne die Beschreibung dessen aus, was die Studentin in ihrem ursprünglichen Facebook-Beitrag geschrieben hat. Erst durch ihre Beschwerde und ihre Reaktionen darauf nahm die Lawine durchs soziale Netzwerk ihren Lauf, breitete sich von Siegen nach ganz Deutschland und Übersee aus und schwappte schließlich in die bundesweiten Medien. Seien wir doch ehrlich: Wer ärgert sich nicht über dreiste Falschparker und verspürte ein gerüttelt Maß Genugtuung, als in diesem konkreten Fall die Strafe auf den Fuß folgte? Klar wurde der Golffahrer für sein Parkmanöver gefeiert, aber die Huldigung seines Könnens funktioniert nicht – zumindest nicht so gut – ohne den Triumph über die Falschparkerin. Hätte die Zugeparkte dem Helden der Parklücke zu seiner Leistung gratuliert, wäre es womöglich nie so weit gekommen. Es sind zwei Seiten einer Medaille. Wobei nicht vergessen werden soll, dass die Parkplatzsituation an der Uni wirklich miserabel ist und mancher – eine gewisse fahrerische Unsicherheit vorausgesetzt (die kein Grund ist, jemanden das Autofahren zu verbieten) – wenigstens etwas Verständnis für die Studentin haben kann.

Am Ende lässt sich gar nicht mehr genau nachvollziehen, wie und warum es zu dieser Resonanz gekommen ist. War es das Foto mit Susanne Pätzold als Antonia Rados, als noch keiner wusste, wer der „Park Knight“ eigentlich ist? Angela Merkel auf Krisenbesuch im Siegener Parkhaus oder die Meldung, dass mit Mario Balotelli der Besitzer gefunden ist?

Kollektiver Stolz

Natürlich gibt es wichtigere Dinge in der Welt und betrachtet man den reinen Nachrichtenwert der Ereignisse, bleibt eigentlich nur ein Selbstläufer übrig: Was sowieso schon alle wissen, darüber wird berichtet und dann wird berichtet, dass alle berichten. Angemerkt wurde das schon reichlich in der Facebookgruppe „Uni Siegen“: Mehrere Nutzer forderten von Anfang an, eine solche Lappalie doch nicht mit so einer medialen Aufmerksamkeit zu würdigen. Aber das Kollektiv entschied anders: Hier war die Gelegenheit, den Stift in der Bibliothek fallen zu lassen oder statt Besteck in der Mensa das Smartphone zur Hand zu nehmen. Es entstand so eine Art gemeinsamer Stolz auf die Situation: „Hier bei uns in Siegen passiert etwas“. Und weil sozusagen auf einen gemeinsamen Wissensbestand zurückgegriffen werden konnte (das ursprüngliche Foto des Golfs, eingezwängt zwischen zwei Fahrzeuge), bedurfte es keiner Worte und Erklärungen mehr, jeder konnte leicht und mit etwas Pfiff zur Sensationswelle beitragen und entsprechende Aufmerksamkeit für sich abschöpfen. Diese Begeisterung und Resonanz, vielleicht auch eine gewisse Gnadenlosigkeit verbreitete sich auch unter Nicht-Studenten und Nicht-Siegenern: „Hast Du schon gehört…?

Der Held hat jedenfalls auch keine Lust mehr und würde seinen Namen am liebsten in keinem weiteren Artikel lesen. Anfragen lehnt er inzwischen ab. Die Lust verloren haben auch die, von Anfang an dabei waren, es zum Schreien komisch fanden, zur Fete gegangen sind und zwei Tage vor dem Rechner gesessen und auf die neuesten Beiträge gewartet haben. Manche versuchen noch, und das kann man vielleicht auch diesem Text vorwerfen, die verebbende Aufmerksamkeit nochmals zu nutzen und Klicks zu generieren. Die Reaktionen sind entsprechend. Es war geil, so lange es dauerte. Jetzt ist es vorbei.