Fortsetzungsroman, Seite 11b

Die Wege trennen sich! Nachdem Lea Sauer auf Seite 11 die/den Ich-Erzähler*in Richtung Bratislava schickte, reisen wir nun mit Markus Kopotz zurück nach Kambodscha, oder? Seite 11b erzählt eine alternative Geschichte und der Fortsetzungsroman geht in eine neue Phase. Von nun an laufen zwei Erzählstränge parallel.

von Markus Kopotz

Sie jedoch, sind keines… Wow. Das musste ich sacken lassen. Ich atmete die Enttäuschung und die Anspannung der letzten Wochen aus; es fühlte sich an, als wolle mein Magen zu meinen Knien wandern. Ich ging zurück ans Fensterbrett, griff nach der Kippe, die ich mir einst gedreht hatte und rauchte sie. Sie sollte meine „Fat Lady“ in der Stunde des Erfolgs werden, die ich mir genehmigen und auf mein fertiges Werk schauen wollte, um all die Mühsal und Kämpfe um jeden Buchstaben vor meinem inneren Auge vorüber ziehen zu lassen, die es gebraucht hatte um den Text zu vollenden. Ich wollte so gerne erfolgreich sein. Naja.
Manche Entwürfe haben die einzige Bestimmung in den Untiefen von Schreibtischschubladen zu verschwinden; dieser jedoch war gut. Thailand war ausgelutscht, Vietnam ist nun wirklich oft genug verwurstet worden, aber Kambodscha war unbekannt – ich hätte es nur anders angehen müssen. Wer Biomilch, Amaranthbrötchen und Stuttgarter Hausfrau Sina verschmäht hat, würde es eben mit Happy Pizza, Kalaschnikows und Sihanoukville zu tun bekommen.
Sie jedoch, sind keines. Ich jedoch, bin keines. Verdammt, dieser Satz tat weh. Nein, solche Sätze würden mir den Glauben an mich selbst nicht nehmen. Ich zerknüllte den Brief in meiner Hand und schmiss ihn aus dem geöffneten Fester. Ihr werdet eure Töchter auf den Strich schicken, um mir genug rote Teppiche ausrollen zu können, dass ich euch noch einmal irgendetwas schreibe. Diese eine Absage war zu viel, dieser eine Korb war zu viel.
Und vielleicht war es die harte Landung auf dem Boden der künstlerischen Tatsachen, vielleicht einfach nur der Trotz eines Fasses, das diesen viel besagten einen Tropfen zu viel bekommen hatte. Ich stand am Fenster und nach dem letzten Zug an der Zigarette war mir klar, dass ich vor einer Wahl stand: Nehme ich die Absage so hin, krieche wieder in mein Loch und morgen zur Arbeit oder mache ich es besser, fliege nach Kambodscha und schreibe etwas, das niemand mehr ablehnen wird?
„Dies ist der Wendepunkt“, sagte ich laut und trotzig, um mich selbst zu bestätigen. „Diese Geschichte wird meine Geschichte und verdammt noch mal eine gute.“
In der folgenden Woche kündigte ich in der Werbeagentur, kratzte meine Ersparnisse zusammen und besorgte mir ein One-Way-Ticket von Frankfurt nach Phnom Penh. Mein Visum würde ich bei der Einreise besorgen. Die Woche war so verdammt schnell vorbei und mehr als die notwendigsten Vorkehrungen und Impfungen hätte ich nicht erledigen können.
Das Ziel meiner Reise kannten nur mein Freund und Arbeitskollege Martin und die alte Nachbarin Frau Anuschek aus dem Erdgeschoss, weil ihr nie etwas entging. Den Zweck meiner Reise hingegen kannte niemand. Als ich letzten Montag kündigte, ritt ich noch auf derselben Welle der Entschlossenheit, auf der ich schon am vorigen Samstag als direkte Reaktion auf die erhaltene Post mein Kündigungsschreiben aufgesetzt hatte. Je weiter die Zeit voranschritt, desto unreifer kam mir meine Entscheidung vor, mein Leben für ein Drehbuch zu verlassen. Der Stein jedoch, der die Dinge ins Rollen brachte, war losgetreten. Jetzt war ich eben kein Werbetexter mehr, sondern freier Autor. Auch wenn das noch niemand wusste.
Es war Samstagabend, der 2. August 2014. Ein neuer Monat. Ein neuer Job. Eine neue Reise und meine Sachen sind gepackt. Das Taxi wartete unten, das mich und mein Gepäck vom Frankfurter Westend zum Flughafen bringen würde. Ein letztes Mal schaute ich in den Spiegel, streichelte mir nachdenklich über den Kopf und den Bart. Ich hätte mich noch rasieren können, dafür war es jetzt aber zu spät. Außerdem hatte ich den neuen Bart liebgewonnen. Es war Zeit zum Gehen. Natürlich begegnete mir noch Frau Anuschek im Treppenhaus, die sich von mir mit einem bitteren Unterton verabschiedete: „Einen schönen Urlaub in Thailand noch. Und fangen Sie sich da nichts ein, Herr Schubert.“ „Kambodscha“, rufe ich noch zurück, aber ich bin schon auf der Straße.

Rein ins Taxi. Raus aus dem Taxi. Frankfurt Airport. Auf in eine neue Welt und zu einem besseren Drehbuch! Ich musste nur noch einchecken.