Denn das Leben fängt in Schwerte an

von Nicola Airo

Auf nassem Asphalt fahren wir. Durch fallende Tropfen, die auf Frontscheiben explodieren. Zum Zerfließen von Wind getrieben beginnt ein Wettlauf. Vom Scheibenwischer unterbrochen, freie Sicht. Vorbei an Tankstellen, die wir nicht zum Tanken betraten. Rückkehr. Die letzten Nächte wurden kaum mit Schlaf gefüllt. Iso-Matten mit Polyesterhimmel. Wie gepuppte Raupen lagen wir in Schlafsäcken. Jetzt sind wir hier. Südöstlich von Dortmund, östlicher Teil des Ruhrgebiets. Neben Hörde und Hombruch, zwischen Syburg und Sümmern.

Der Weg führt uns nach Schwerte, denn in Schwerte fängt das Leben an.

Kein Geld in unseren Taschen und kein Benzin in unserem Tank. Dein Gesicht erstrahlt im blauen Licht der Tanktafel und um uns herum Dunkelheit und um uns herum Stille. Wir reden über Vergangenes, über Erfahrungen und über uns. Wir sitzen in meinem Auto und kommen nicht weiter. Ist es schlimm? Nein, das ist es nicht, ganz im Gegenteil. Es ist schön. Es ist schön mit dir über uns zu reden, auf vergangene Tage zu blicken und zu sagen, „Ich bin glücklich“.

Der Weg führt uns nach Schwerte, denn in Schwerte fängt das Leben an.

Ein Jahr ist seitdem vergangen. Und wir sitzen wieder in meinem Auto. Dieselbe Strecke und wieder … Rückkehr. Schweigend sitzt du neben mir. Ich konzentriert, du desorientiert.
Verschwommene Leitpfosten durch konstante Geschwindigkeit, nur noch eine weiße Gerade.
Wir fahren nebenher, zeitlos und Blick nach vorn … und schweigend.
Und wir rasten nur einmal. Dort wo gegossener Asphalt zu platzierten Pflastersteinen wird, genau dort wo Benzingeruch auf Kaffeegeruch und blaues Licht auf Dunkelheit trifft.

Der Weg führt uns nach Schwerte, denn in Schwerte fängt das Leben an.

Alles so vertraut und doch fremd. Nichts, das uns hier hält. Vielleicht die Erinnerung und dieses „Weißt du noch, wie wir hier festsaßen?“. Aber nein, wir sitzen einfach hier, mit vollem Tank und schweigen uns an. Unsere Blicke treffen sich nicht und es ist irgendwie anders. Wir sprechen nicht über Vergangenes, über Erfahrungen oder über uns.
Nichts, das uns hier hält, und nichts, das uns zusammenhält.
Ich breche unser Schweigen und sage: „Ich bin unglücklich“.

Der Weg führt uns nach Schwerte, denn in Schwerte endet das Leben.