von Tatjana Enns
Es war einmal ein junges Mädchen. Das hatte keine Familie und wuchs am Rande eines Dorfes auf, welches von schwerer Armut geplagt wurde. Ihr hübsches Gesicht und ihr glänzendes Haar machten sie zu einer wunderschönen, jungen Dame. Doch all die Geldsorgen machten die Menschen im Dorfe blind. Ihre Augen waren verschlossen für das Schöne und Gute. Sie sahen nur die schlechten Dinge und waren sehr verbittert. Da schaute das Mädchen eines Abends hinaus aus seinem Dachkammerfenster und sah hinauf zu den Sternen. „Wie gern wäre ich doch reich“, flüsterte sie sich selbst zu. „Was bringt mir all die Schönheit, wenn ich doch nicht glücklich sein kann.“ Voller Trauer im Herzen entschied sie sich einen Spaziergang zu machen. Gekleidet in ihren alten Lumpen verließ sie das Haus. Schon bald entfernte sie sich immer weiter von ihrem Dorf und spazierte die Straße runter. Aus der Ferne hörte sie immer lauter werdende Klänge. Flackernde Lichter und rhythmische Musik erweckten ihr Interesse und da stand sie auch schon vor einem Haus, dessen Tür einen Spalt geöffnet war.
So trat das Mädchen in das Haus und wurde sogleich von vielen Augen bewundert. „Was für eine hübsche, junge Dame sie doch ist“, hörte sie von allen Seiten flüstern. Da trat ein Mann an sie heran, gekleidet ganz in schwarz. „Junge Dame, noch nie habe ich Sie hier angetroffen. Was verschafft uns die Ehre, hier ein solch wunderschönes Geschöpf begrüßen zu dürfen?“ „Ich weiß nicht, ich machte nur einen Spaziergang und wurde angelockt von all diesen bunten Lichtern und der schönen Musik“, antwortete das Mädchen schüchtern. „Keine Angst, trete nur herein. Schau dich um und lass dich verzaubern.“ Zum ersten Mal in ihrem Leben sah das Mädchen glückliche Gesichter. Die Menschen hier schienen nicht so verbittert zu sein wie die in ihrem Dorfe. Attraktive Frauen tanzten in hinreißenden, knappen Gewändern auf einem Podest. Wie leicht und fließend ihre Bewegungen doch aussahen. „Bewundert werden will ich für meine Schönheit. So glücklich und reich sein wie diese Frauen“, dachte das Mädchen.
Da sah der schwarz gekleidete Mann das Funkeln in den Augen der jungen Dame und sprach: „Möchtest du auch solch reizende Röckchen tragen? Die Lumpen passen nicht zu deiner Schönheit.“ „Aber ich habe ja gar kein Geld. Diese Lumpen sind alles, was ich besitze.“ „Keine Sorge, mein Kind. Ich schenke sie dir!“ So führte der Mann das Mädchen an der Hand in einen Raum, in dem lauter entzückende Kleider und Gewänder hingen. „Suche dir was aus und ziehe es an. Komm raus und lass deinen Körper tanzen. Du wirst sehen, es wird dir besser gehen. Und um Geld musst du dir nie wieder Sorgen machen. Du wirst nie wieder mit dem Tanzen aufhören wollen. Alle Blicke werden auf dich gerichtet sein.“ So zog sich das Mädchen eines der knappen Gewänder an und trat hinaus. Da stand sie und wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Viele erwartungsvolle Gesichter blickten sie an und plötzlich blickte sie hilflos zum netten Mann, der ihr dieses Gewand schenken wollte. „Komm schon, Mädchen. Du bist wunderschön. Hör auf die Musik und tanze. Du wirst dich besser fühlen. Du wirst sehen, dass du nie wieder ohne uns leben willst. Ich biete dir hier ein wundervolles neues Leben, ohne Sorgen und ohne Kummer. Viele der Mädchen da draußen wurden so schon zu glücklichen Damen“, sagte der Mann mit einer eindringlichen Stimme und sah dem Mädchen dabei tief in die Augen. Wie gebannt stand dieses da und die Worte des Mannes führten sie auf die Bühne und sie fing an zu tanzen.
Während sie sich so bewegte, war ihr Kopf frei von Kummer. Sie hatte keine Sorgen mehr und dachte nur noch an das Geld, das sie schon bald bekommen würde. Schon jetzt wusste sie, dass sie nicht mehr in ihr altes Leben zurückkehren wollte. Sie wollte tanzen, schön und reich sein und von allen anderen bewundert werden. Lächelnd sah der schwarz gekleidete Mann ihr beim Tanzen zu und ging langsam zurück zum Eingang, wo ein Mädchen stand. Wunderschön, den Blick auf die tanzenden Frauen gerichtet, doch sie wirkte unglücklich und arm. „Junge Dame, noch nie habe ich Sie hier angetroffen. Was verschafft uns die Ehre, hier ein solch wunderschönes Geschöpf begrüßen zu dürfen?“, sagte er zu ihr und war zufrieden mit seiner Arbeit. Viele Mädchen zog er in seinen Bann und bot ihnen ein neues, glücklicheres Leben, abseits von all den verbitterten Dörfern.
* Der Text stammt aus dem Kurs „Journalistisches und literarisches Schreiben“ (WiSe 2011/12). Vorgegeben war die Textsorte Märchen, zudem wurde der Titel per Auslosung von drei Platzhaltern, also per Zufall generiert: „Der [NAME] und die [ADJEKTIV] [NAME]“.