Sichere Grenzen – sichere Zukunft? So ein Quatsch! Kommentar zur ‚Protestaktion‘ der Identitären Bewegung am Brandenburger Tor

von Marius Albers

Wann wird es den selbsternannten ‚Hütern des Abendlands‘ und ähnlichen Spinnern endlich aufgehen, dass das Sichern von Grenzen, die Abschottung der ‚Festung Europa‘ oder einzelner Nationalstaaten blödsinnig ist und nichts bringen wird gegen die ‚bösen‘ Flüchtlinge? Das ist nichts weiter als der verzweifelte und naive Kampf gegen ein Symptom. Die eigentliche Ursache liegt jedoch viel tiefer und ist keineswegs durch Mauern und Zäune zu lösen.

Beginnen wir mit einem kleinen Exkurs: Wikipedia informiert, dass seit den 1970er Jahren die Zahl der Gated Communities vor allem in Nord- und Südamerika, aber auch in Asien und Europa stark zugenommen hat. Das sind eingezäunte und ummauerte Gegenden, die Leute mit dem nötigen Kleingeld um sich herum geschaffen haben. Warum schotten die sich nun ab? Wenn man es polemisch auf die Spitze treiben möchte, könnte man sagen, sie sind cleverer als die europäischen Staaten. Denn sie wissen, dass es dort eines Tages zum Sturm kommen wird.

Hinter den Mauern, bewacht von privaten Sicherheitsdiensten, verschwindet immer mehr Reichtum. Die wenigen Superreichen besitzen mehr Vermögen als über 90 Prozent der Weltbevölkerung, Tendenz steigend. Irgendwann wird die Situation außerhalb der Gated Communities aber so prekär sein, dass die Armen darauf losstürzen und sich das holen, was ihnen zusteht. Denn während die Reichen drinnen vor allem davon leben, dass sich ihr Reichtum durch Zinsen vermehrt, müssen die Ausgeschlossenen durch Arbeit und Wertschöpfung draußen dafür sorgen, dass ein Gegenwert zu den Zinsen geschaffen wird. Noch ist es so, dass es den Menschen außerhalb nicht schlecht genug geht, als dass sie dagegen rebellieren.

Die aktuelle Situation in Europa ist schon etwas weiter fortgeschritten, allerdings mit dem Unterschied, dass es hier noch keine gut funktionierende Grenzsicherung gibt. Solange es den anderen, also denen, die außerhalb leben, nicht elendig schlecht ging, waren befestigte Grenzen nicht notwendig. Doch weil in vielen Teilen der Welt die Lebensbedingungen immer unerträglicher werden, machen sich die Menschen nun auf den Weg dorthin, wo es besser ist. Das ist nur verständlich. Dagegen möchte sich Europa jetzt abschotten, die Außengrenzen sollen besser geschützt werden und eine große Gated Community entstehen. Und das ist auch der dämliche Gedanke der nationalistischen Strömungen, die meinen, mit einer sicheren Grenze könne man die Flüchtlinge aufhalten. Doch solange der Kapitalismus wenige Gewinner und immer mehr Verlierer erzeugt, solange wird sich an dieser Situation nichts ändern, ja sie wird sich vielmehr noch weiter zuspitzen. Immer mehr Menschen werden versuchen, in die Gated Community Europa einzudringen. Und während die Mittelschicht damit beschäftigt ist, sich gegen diese ‚Anderen‘ zu wehren, werden die Reichen weiterhin unbehelligt an ihren eigenen Festungen bauen.

Die Lösung ist also nicht, gegen die von außen vorzugehen, sondern gegen diejenigen, die sich in ihren Gated Communities im Inneren verschanzen. Es ist dort genug Geld, um ein ordentliches und gerechtes Sozialsystem aufzubauen und zu finanzieren, selbst für all die Flüchtlinge. Doch das Problem ist, dass die Mittel bei den wenigen Superreichen kumulieren, und die schotten sich lieber ab, als der Allgemeinheit zu helfen.

Ähnlich ist es etwa bei Thema Nahrung. Während in der westlichen Welt tagtäglich tonnenweise Lebensmittel weggeschmissen und vernichtet werden, verhungern in anderen Teilen der Welt unzählige Menschen elendig. Das Problem ist nicht, dass es insgesamt zu wenig Nahrung gibt, sondern dass die vorhandene ungerecht verteilt ist. Würde man dafür sorgen, dass die Verteilung gerecht zuginge, bräuchte sicherlich niemand mehr zu verhungern. Doch in den armen Ländern kann man keine Profite machen, und so werden die Reichen auch nicht dort investieren, sondern lieber den Markt in den reichen Ländern weiter fluten und am Ende auch bei der Entsorgung noch abkassieren.

Momentan ist es ein probates Mittel, die noch nicht ganz Armen gegen die Armen auszuspielen. Die Parolen, dass die Flüchtlinge unser Sozialsystem über Gebühr belasten würden, dass sie viel mehr bekommen als ein hart arbeitender Deutscher, lenken nur ab vom eigentlichen Problem, der ungerechten Verteilung der Mittel. Doch spätestens dann, wenn es der Mitteschicht hierzulande immer schlechter geht und auch die letzten Hohlköpfe kapieren, dass nicht die Flüchtlinge das Problem sind, sondern dass diese nur die Vorboten dessen sind, was der Kapitalismus anrichtet, wird man die Ursache des Problems bekämpfen. Grenzen dicht zu machen und dämlich-nationalistische Parolen zu brüllen hilft dabei kein bisschen.