30.06.2014: Götze als Großereignis

von Laura Schönwies

„Ööössszzziiiel, Mülläääer, gegen Rodrigueszz!“

Nicht Lahm, Neuer und Co – meine WM-Helden sind neben dem Rasen zu finden. Nein, es ist auch nicht Jogi Löw, obwohl der auch ganz nett ist. Die tiefe, kräftige Stimme von ZDF-Kommentator Béla Réthy macht auch aus mir Fußball-Laien eine andächtige Zuhörerin. „Pressing, Druck nach vorne und Passspiel“ werden zu einem Donnergrollen, wenn Réthy seine Stimme erklingen lässt. Ein Nachname erschallt wie ein Paukenschlag. Ein „Götze“ wird zum Großereignis im Munde dieses Mannes. Es haut mich von den Socken, obwohl auf dem Spielfeld scheinbar nichts passiert. Man muss nur wissen, wie man etwas verkauft.

„Der hat doch keine Ahnung“, quengelt mein Freund genervt auf dem Sofa neben mir. „Es geht ja auch gar nicht darum, was er sagt, sondern, wie er es sagt“, nörgele ich zurück. Ob der sich wohl immer so anhört? Ich stelle mir vor, wie Réthy mit tiefer Bassstimme „2 Scheiben Zervelatwurst und ein Pfund Gehacktes“ bestellt. Wahnsinn! Hinter der Theke würde ich die Bestellung vermutlich gar nicht mitbekommen, sondern mir wünschen, dass es noch Rollbraten und Rindersteak sein dürfen, damit er noch einmal das „R“ rollen kann. Wahrscheinlich schafft er es sogar Telefonbucheinträge spannend vorzulesen und ihnen eine gewisse Dramatik zu verleihen. Nachnamen zu verkünden ist schließlich seine Spezialität. Interessiert zuhören bei etwas von dem man eigentlich keine Ahnung hat und damit einen Gruß an meinen (ehemaligen) Mathelehrer! Bei Herrn Prof. Dr. Réthy wäre doch jedes „x“ durch „y“ wie ein verwandelter Foul-Elfmeter gewesen.

Aber auch seine Kollegen Matthias Opdenhövel, Mehmet Scholl und Katrin Müller-Hohenstein machen mir die WM schmackhaft. Die Hintergrundberichte darüber, wie Weltfußballer Cristiano Ronaldo eine Narbe ein rasieren lässt, peppen doch jedes Public Viewing auf. Wenn es auf dem Platz einmal nicht rund läuft, stimmt trotzdem die Quote, denn eine Geschichte um einen Superstar, der sein Mitgefühl zum Ausdruck bringt, lässt sich immer noch verwerten.

Neben den Spielern und Trainern leisten auch die Fernsehteams eine gelungene Arbeit die Stadionatmosphäre ins Wohnzimmer zu bringen. Wer würde bei den Bildern aus Brasilien nicht gerne am Strand unter Palmen liegen mit einem Caipirinha in der Hand. Für die Deutsche Elf kann es im Prinzip nur gut laufen, denn für das Jogging am Meer werden die Interviewpartner des ZDF mit individuellen Flip-Flops ausgestattet. So bekommt auch jeder Fernsehzuschauer, wie ich einer bin, der vor lauter „Defensive“ nur Abseits versteht, ebenfalls etwas geboten.

Nachdem nun das Achtelfinale erreicht ist, hoffe ich, dass Réthy Jogis Jungs heute Abend bis in Viertelfinale begleitet und noch weiter…