Kopfgeld für den fertigen „Akademiker“?

von Marius Albers

Wer erinnert sich nicht gern zurück an die Schulzeit, als es am Schuljahresende Zeugnisse gab und man sofort zu den Großeltern flitzte, um eine kleine Belohnung zu bekommen. Ein paar Süßigkeiten oder ein Buch konnten dabei sein, sicherlich aber auch der ein oder andere Taler. Und vermutlich wären die Großeltern nicht auf die Idee gekommen, mit dem Taler zur Schule zu fahren und dem Rektor aus Dankbarkeit für den guten (Schuljahres-)Abschluss des Sprösslings den Fünf-Euro-Schein für die Eins in Mathe in die Hand zu drücken. Ähnlich scheint es in Zukunft aber an den NRW-Hochschulen zu laufen. Denn ab 2016 sollen die Universitäten eine Prämie in Höhe von 4.000 Euro für jeden Abschluss bekommen. Zunächst zum geplanten Prozedere.

Bislang wurde den Hochschulen pro Studienanfänger 20.000 Euro bereitgestellt. Dass damit schon die Akkumulation von Studierwilligen ein finanzpolitisches Kalkül der Hochschulleitung ist, liegt auf der Hand. Das neue Modell sieht nun vor, zum Studienstart nur noch 18.000 Euro zu geben und zusätzlich eine Prämie von 4.000 Euro für den erfolgreichen Abschluss. Macht unter dem Strich 2.000 Euro mehr für die Unis pro Absolvent. Das klingt im ersten Moment sehr gut, schließlich freut man sich an den chronisch unterfinanzierten Hochschulen über jede zusätzliche Finanzspritze. Und damit solche neu erschlossenen Quellen nicht wieder versiegen, hört man gleich allerorten das Versprechen von Verbesserungen in Forschung und Lehre, die mit dem neuen Kapital erreicht werden können. Aber Vorsicht!

Eine autonome Hochschule, spätestens „entfesselt“ durch das Hochschulfreiheitsgesetz, muss auch selbst für ihren Finanzhaushalt sorgen. Und dort steht zunächst einmal eine höhere Belastung, da der fest einplanbare Zuschuss je Student sinkt. Effektiv muss also mit weniger Mitteln gearbeitet werden, um die Studierenden zum Abschluss zu bringen, erst dann können zusätzliche Mittel dazukommen. Für die Studierenden der ersten „Kohorte“ kann es also nicht viel besser werden; sie müssen erst das zusätzliche Kapital „freispielen“. Problematisch könnte es auch beim Wechsel der Uni werden, denn dann wechselt auch die Abschlussprämie ihren Empfänger.

Sicherlich ist es ein hehres Ziel, die Studierenden auf dem Weg zum Abschluss nach Kräften zu unterstützen. Allerdings ist ein solches Anreizsystem nicht der Weg der Wahl, um dies auch zu erreichen. Denn anstatt der Qualität steht vor allem die Quantität im Vordergrund. Um noch einmal auf die Großeltern zurückzukommen: Diese geben für ein gutes Zeugnis mehr als für ein schlechtes, die Qualität war also ein entscheidender Faktor, nicht die Menge der Zeugnisse (wie hätte sich der fidele Sitzenbleiber gefreut, wenn man für die Menge der Zeugnisse belohnt würde!).

Wie erreicht man nun ein Mehr an Abschlüssen? Jede Hochschule, deren Finanzierung eben davon abhängt, wird sich dazu Gedanken machen müssen. Und neben der Verbesserung der Lehre und zahlreicher (kostenintensiver!) Strategien zur Attraktivitätssteigerung und Bindung der Studierenden gibt es auch andere Wege: Eine Erleichterung des Studiums durch die Senkung von Standards etwa, denn auch so können mehr Abschlüsse erzeugt werden. Und natürlich sind noch vollere Seminare und Vorlesungen ein probates Mittel, um die mit weniger Geld gestarteten Studierenden zu einem finanzwirksamen Abschluss zu bringen. Offen zugeben kann das zwar niemand, aber dass es nicht gedacht wird (und vielleicht auch impliziten Einfluss auf Entscheidungen hat), ist wenig plausibel. Die Universität ist ein Unternehmen im freien Markt, das nun am Outcome gemessen werden soll. Die Effizienz des Hochschulsystems muss gesteigert werden, und das mit allen Mitteln. Es zählt das Zeugnis am Schluss, nicht der Weg dorthin oder das Wissen, welches man erworben hat. Olaf Jann bringt die Situation treffend auf den Punkt: Es sollen „mit möglichst wenigen Mitteln möglichst viele akademische Abschlüsse (nicht Akademiker) in möglichst kurzer Zeit produziert werden.“ Nun hat die Regierung ein Kopfgeld für den abgeschlossenen „Akademiker“ ausgelobt – na dann eine gute Jagd!