- von Marius Albers
Vielleicht mag es ein wenig voyeuristisch klingen, doch ich kam vor einigen Tagen nicht umhin, ein Gespräch zwischen zwei Studierenden mitanzuhören, die neben mir an einem der Arbeitstische entlang des Weges zur UB saßen. Mit großem Stolz berichtete Person A (ich möchte hier eine explizite Geschlechtsnennung vermeiden), dass sie in ihrem fünften Semester nun endlich ihre Bachelorarbeit schreiben möchte. „Ich hab‘ auch keine Kurse mehr. Was soll ich denn sonst machen?“ Ein neiderfüllter Blick auf der Gegenseite. Wäre man doch selbst auch schon so weit! Ein Dozent übrigens riet dem Vernehmen nach, von diesem frühen Abschluss ab. „Ich hab aber doch schon alle Kurse, was soll ich denn sonst noch machen?“, so die empörte Antwort.
Ist die Uni denn so uninteressant? Bietet sie nicht so viel mehr, wenn man sich nur darauf einlässt? Der Begriff „Universität“ steht für die Gesamtheit, mithin für die Gesamtheit der Wissenschaften, die an diesem Ort gelehrt werden. Und dann soll es im Sinne einer Universität sein, dass man mal eben seine in der Studienordnung festgeschriebenen Kurse abschließt und damit fertig ist, ausstudiert? Das kann sicher nicht im Sinne des Erfinders sein. Humboldt würde sich wohl im Grabe umdrehen, wenn er das hören müsste. Auch dem (ich nehme ein möglicherweise nicht völlig beliebiges Beispiel) angehenden Ökonomen würde es nicht schaden, wenn er mal aus soziologischer Sicht erklärt bekäme, was ein bloß gewinnorientiertes Denken anrichten kann. Die Idee einer universalen Bildung ist jedoch leider völlig ausgestorben. (Ganz zu schweigen vom individuellen Reifeprozess, den ich hier etwas vernachlässige.)
Klar, ich weiß auch, dass Regelstudienzeiten Druck auf die Studierenden ausüben. Es ist zum Stigma geworden, wenn man sich nicht an die vorgegebenen Pläne hält, die jedoch nur für das eigene Fachstudium angelegt sind (und sich selbst dort durch absolute Zeitverknappung auszeichnen). Da bleibt kein Raum für den Blick nach rechts und links, und erst recht keine Zeit zum Denken. Schon Platon hat darauf hingewiesen, dass Geschwindigkeit und Denken nicht recht zueinanderkommen möchten. Die Muße als Tugend, das Nach-Denken, bleibt also im Turbo-Studium auf der Strecke.
„Ich habe schon 115 Punkte gesammelt.“ Punkte, das ist das neue Ziel der universitären Betätigung. Nicht mal mehr die ollen Kompetenzen, die bis vor kurzem noch ein wesentlicher Aspekt waren, sind noch wichtig. Und dass es bei einem universitären Studium längst nicht mehr um (umfassende) Bildung geht, braucht sicherlich kaum noch erwähnt zu werden. Bezeichnend ist folgendes, aus nämlichen Dialog: „Ich habe jetzt zur ersten Sitzung das Protokoll geschrieben, jetzt muss ich gar nicht mehr kommen.“ Was ist denn hier los? Und solche Leute bekommen am Ende als „Belohnung“ einen Universitätsabschluss geschenkt.
Arme Universität! Was wird dir nur angetan?