San Marino

von Christian Schütte

In der Siegener Oberstadt versteckt sich ein gemütliches italienisches Restaurant mit authentischer Atmosphäre und umfangreicher Speisekarte. Es zu finden lohnt sich. 

San Marino

In puncto Lebensqualität ist es für manche wichtig, dass eine Stadt möglichst viele McDonald’s und mindestens ein „Café Extrablatt“ und eine „Bar Celona“ enthält. Andere – ich zähle dazu – freuen sich lieber über traditionsreiche, familiengeführte Lokale. Ein solches gibt es mit dem „San Marino“ in der Siegener Oberstadt zu entdecken.
Von außen ist das Restaurant der Familie Sabatelli eher unscheinbar. Sogar wer das gegenüberliegende Café Flocke kennt, hat die vergleichsweise dunkle italienische Speisewirtschaft womöglich bisher übersehen. In deren Gastraum scheint die Zeit stehengeblieben zu sein: Das schwarzbraune Holz des gepflegten, wenngleich etwas schwerfälligen Interieurs verströmt den Charme der 70er-/80er-Jahre, Kassettendecke und Aquarium inklusive. Hier kann der Gast aus der Behaglichkeit heraus zusehen, wie das oberstädtische Treiben am Fenster vorbeizieht. Im Hintergrund stimmt ein italienischer Radiosender auf die kulinarische Erkundung südlicher Breitengrade ein.
Die Speisekarte deckt ein erstaunliches Spektrum mediterraner Küche ab, zu Pizza und Pasta, Suppen und Salaten in überdurchschnittlicher Vielfalt gibt es zahlreiche Fleisch- und Fischschwerpunkte. Die Preise liegen geringfügig über den Dumping-Angeboten der Ketten-Gastronomie, tun jedoch niemandem weh, erst recht nicht beim noch günstigeren Mittagstisch.
Schon schiebt die herzensgute Mutter des Inhabers freundlich-seufzend die Vorspeise auf den langen Tisch. Die Minestrone norditalienischer Art (5,50 €) will nicht sich durch Optik anbiedern. Die visuelle Präsenz des vornehmlich grünen Allerleis vermittelt den Eindruck einer gewissen Matschigkeit. Aber, nun ja, es ist eben eine Suppe. Der Geschmack entscheidet. Blumenkohl, Wirsing, Bohnen, Kartoffeln, Möhren, Lauch, Erbsen sind zu identifizieren; das Kohl-Aroma überlagert die anderen Zutaten. Kann es sein, dass jede Minestrone von Grund auf anders schmeckt? Dieser recht homogene Gemüsemix jedenfalls schneidet keineswegs schlecht ab.
Die Tendenz aller Gerichte bleibt heute eine dezente Würze. Die Pizza Tonno (7,50 €) ist groß, mit klassisch dünnem Boden, zurückhaltendem Tomaten- und Käse-Einsatz, so dass der Fisch dominieren darf und sich thunfischtypisch durch erfreulich kräftigen rindähnlichen Geschmack in den Vordergrund spielt. Bei den Orecchiette Gratinate (9,50 €), muschelförmige, hausgemachte Nudeln in Schinkensahnesoße, setzt sich der Trend zur Zurückhaltung beim Aroma-Stil fort. Dazu passt, dass der Chianti (0,25 l/4,00 €) auf den ersten Schluck eher eindimensional wirkt, jedoch mit der Zeit seine schüchterne Eleganz entfaltet.
Zur Rechnung gibt es noch ein Gläschen zum Abschied. Ich muss gestehen, dass ich Marsala bisher ausschließlich als kleine Aufmerksamkeit des Hauses konsumiert habe – anlässlich der Rechnungsbegleichung bekommt man diesen Likör ja häufig –, heute im San Marino ist es aber mit Abstand der beste, den ich je probieren durfte: Fein fruchtig und souverän süß. Eine Zugabe, die die Zufriedenheit mit dem Traditions-Ristorante vollendet: Angesichts des Einerleis der sog. Erlebnisgastronomie in der Unterstadt bewahrt dieser Geheimtipp ein gutes Stück Authentizität und Abwechslung innerhalb der Siegener Restaurantszene.

Restaurant San Marino
Marburger Tor 1
57072 Siegen

Öffnungszeiten:
Mi-Mo: 12.00 – 1.00 Uhr
Di: Ruhetag