von Anika Krüger
Das Leben von Sklaven. Das Leben eines Butlers. Lee Daniels verbindet diese beiden Elemente in seinem neuen Film „Der Butler“, der am 27.2.14 auf DVD erscheint. Anika Krüger hat ihn sich schon angeschaut. Ihr Fazit: Manche Themen werden etwas oberflächlich behandelt. Der Film gibt aber trotzdem einen Einblick in das Amerika Mitte des 20. Jahrhunderts.
Der Film „Der Butler“ erzählt die Geschichte von Cecil Gaines (Forest Whitaker), der von 1957-1986 im Weißen Haus seinen Dienst versieht. Als Vorlage für den Film diente die Lebensgeschichte des Afroamerikaners Eugene Allen, eines dort zwischen den 1950er und 1980er angestellten Mannes. 2008 wurde die Geschichte Allens von dem Journalisten Wil Haygood niedergeschrieben und unter dem Titel „A Butler Served Well By This Election“ in der Washington Post veröffentlicht.
Gleich zu Beginn des Films wird ein Mann gezeigt, der in einer Halle auf einem Stuhl sitzt. Nach einem Schnitt sind zwei erhängte schwarze Menschen zu sehen. Links neben ihnen wird ein Martin-Luther-King-Zitat eingeblendet: „Finsternis kann die Finsternis nicht vertreiben. Das vermag nur das Licht.“ Anschließend wird wieder der sitzende, ältere Mann gezeigt. Nach einem erneuten Szenenwechsel findet sich der Zuschauer auf einer Baumwollplantage in Macon, Georgia, im Jahr 1926 wieder. Auf dem Feld arbeiten zahlreiche afroamerikanische Sklaven. Unter ihnen ein Ehepaar mit ihrem Sohn. Die Mutter des Jungen (Mariah Carey) wird von dem Farmer Thomas Westfall (Alex Pettyfer), der die Arbeiten seiner Leibeigenen auf dem Feld überwacht, in einen Schuppen zitiert. Vater und Sohn bleiben alleine zurück. Einige Sekunden später ist ein Schrei der Mutter zu hören. Kurz darauf kehrt der Farmer auf das Feld zurück und bringt seine Hosenträger in die richtige Position. Der Zuschauer weiß nun, dass er die Frau vergewaltigt hat. Der Junge fordert seinen Vater zu einer angemessenen Reaktion auf. Als dieser es wagt, den Farmer anzusprechen, wird er von Westfall vor den Augen seines Kindes erschossen. Die ersten Minuten des Filmes zeigen gleich, dass der Film nicht nur die Arbeit eines Butlers thematisiert. Zwar ist die Sklaverei bereits seit dem 18. Dezember 1865 durch das Inkrafttreten des 13. Zusatzartikels der Verfassung der Vereinigten Staaten abgeschafft, dennoch leben Afroamerikaner faktisch nach wie vor in Sklaverei ähnlichen Zuständen und sind als sogenannte „Feld-“ oder „Hausnigger“ der Willkür ihrer weißen Arbeitgeber ausgesetzt.
Nachdem der Junge, Cecil Gaines, zur Halbwaise geworden ist und nicht mehr bei seiner Mutter leben kann, die über die Vergewaltigung und die Ermordung ihres Mannes den Verstand verloren hat, darf er als „Hausnigger“ bei der Farmerfamilie arbeiten. Hier lernt er, besonders von Thomas Westfalls Mutter, erste Regeln des Bedienens kennen, zum Beispiel dass das Geschirr immer von links aufgetragen wird. In den 50ern verlässt Cecil die Farm und arbeitet in einem Hotel. Dort fällt er einem Mitarbeiter des Weißen Hauses auf, der ihn 1957 kurzerhand als Butler abwirbt.
Bis 1986 steht Cecil Gaines im Dienste von sieben Präsidenten und zeichnet sich während seiner Arbeit insbesondere dadurch aus, dass er stets unpolitisch bleibt und einen Rat befolgt, den ihm ein anderer schwarzer Butler gegeben hat: „Wir haben zwei Gesichter. Unseres und das, das wir den Weißen zeigen müssen. Also, wenn du es zu was bringen willst, dann gibst du ihnen das Gefühl, keine Bedrohung zu sein.“ Der Butler bleibt lange Zeit neutral und verhält sich seiner dienenden Position entsprechend. Selbst als der Personalchef eine Gehaltserhöhung für das schwarze Personal ablehnt, dass etwa vierzig Prozent weniger verdient als die Weißen und kaum Aufstiegsmöglichkeiten hat, nimmt er diese Entscheidung zunächst hin.
Zum Problem wird das devote Verhalten und besonders die Loyalität gegenüber den unterschiedlichen Präsidenten allerdings im Privatleben. Cecils ältester Sohn Luis (David Oyelowo), der sich für die Gleichstellung der Schwarzen einsetzt, gerät mehrfach mit seinem Vater aneinander. Während es für Luis unbegreiflich ist, wie der Vater Menschen bedienen kann, die die schwarze Bevölkerung ausbeuten, betont Cecil mehrfach, dass sich die Verhältnisse für die Afroamerikaner bereits deutlich verbessert haben. Aktives Handeln (Luis) und passives Erdulden der eigenen Situation (Cecil) stehen sich gegenüber. Luis lässt sich jedoch durch die Beschwichtigungsversuche seines Vaters nicht davon abbringen, für die Bürgerrechte der Schwarzen zu kämpfen. So schließt er sich zunächst der Gruppe um Martin Luther King an und nimmt an einer Fahrt des „Freedom-ride“ Busses und an einem „Sit-in“ bei Woolworth teil. Besonders die Vorbereitungen für das „Sit-in“, die von dem Bürgerrechtler James Lawsen (Jesse Williams) geleitet werden, zählen zu einer der ausdrucksstärksten Szenen des Films. Zu sehen sind einige Studenten, die an einem langen Tisch sitzen. Vor, beziehungsweise hinter ihnen befinden sich andere Studenten, die an den Sitzenden zerren, sie anschreien und beschimpfen. Ziel des Trainings ist es, die Teilnehmer des Sitzstreiks darauf zu konditionieren, während der tatsächlichen Konfrontation mit den weißen Besuchern von Woolworth keine Reaktion zu zeigen und sitzen zu bleiben. Immer wieder fordert Lawsen die Teilnehmer auf, standhaft zu bleiben, da sie nur so ihr Recht, dieselben Lokalitäten wie die übrige Bevölkerung zu besuchen, durchsetzen können. Beim tatsächlichen „Sit-in“ müssen die Studenten neben zahlreichen verbalen Demütigungen auch körperliche Angriffe über sich ergehen lassen. So wird einem jungen Mann heißer Kaffee ins Gesicht gegossen und eine Studentin wird mit Kuchen beworfen und angespuckt. Schließlich verhaftet die Polizei alle Teilnehmer des Sitzstreiks. Während seiner Bemühungen für die Gleichberechtigung landet Luis immer wieder im Gefängnis, was dazu führt, dass sein Vater und er sich mehr und mehr voneinander entfremden. Luis‘ Verhalten radikalisiert sich so sehr, dass er der Bewegung der „Black-Panther“ beitritt. Diese verlässt er erst, als die Gruppe erklärt, dass auch die Ermordung eine Weißen durchaus hinzunehmen sei, wenn es um die Durchsetzung der eigenen Rechte gehe.
Cecil hingegen, der während dieser Zeit seinen anderen Sohn Charlie (Elijah Kelley) im Vietnamkrieg verliert und ständig mit dem Alkoholismus seiner Frau Gloria (Oprah Winfrey) zu kämpfen hat, bleibt seiner passiven und unterwürfigen Rolle bis zum Jahr 1986 treu. Ein erster Schritt hin zur Emanzipation wird bei ihm erst erkennbar, als er das zweite Mal um eine Gehaltserhöhung für seine Arbeit bittet. Als diese abgelehnt wird, kündigt der Butler seine Stelle im Weißen Haus. Kurz darauf besucht Cecil seinen Sohn Luis, der nun wieder dazu übergegangen ist, friedlich für die Rechte der Afroamerikaner zu demonstrieren. Vater und Sohn nähern sich wieder an.
Am Ende springt der Film in das Jahr 2008. Cecil und Gloria erleben die Kandidatur von Barack Obama. Kurz vor dessen Wahlsieg stirbt Gloria, sodass nur Cecil den Amtsantritt des ersten schwarzen Präsidenten der USA miterlebt. Zum Schluss ist noch einmal die Anfangsszene des Films zu sehen. Cecil sitzt wartend in einer Halle auf einem Stuhl. Es stellt sich heraus, dass er sich im Weißen Haus befindet und gleich den Präsidenten kennen lernen wird. Er trägt einen schwarzen Anzug, eine Krawatte, die er nach der Ermordung Kennedys von Jacky Kennedy (Minka Kelly) geschenkt bekommen hat, und eine Anstecknadel, die er von Eisenhower (Robin Williams) am Ende seiner Amtszeit erhalten hat. Mit dieser neuerlichen Bekundung seiner Loyalität gegenüber den Staatsoberhäuptern der USA verlässt Cecil die Halle mit einem Mitarbeiter in Richtung Oval Office.
Lee Daniels (Percious, The Paperboy) Film versucht in gut zwei Stunden einen Abriss über knapp drei Jahrzehnte zu geben. Das führt dazu, dass viele Aspekte oberflächlich bleiben. Hinzu kommt, dass der Film dem Zuschauer teilweise enormes Vorwissen abverlangt. Die Geschichte der Sklaverei, die Rassengesetze des zwanzigsten Jahrhunderts, deren langfristige Abschaffung, sowie die Black Power Bewegung, all diese historischen Fakten setzen beim Zuschauer immer wieder eine gewisse Kenntnis der amerikanischen Geschichte voraus. Besonders für Menschen, denen dieser geschichtliche Hintergrund fehlt, ist der thematische Input, den der Film liefert, sicherlich stellenweise zu groß. Die Umsetzung des Themas der Bürgerrechtsbewegung und der damit verbundenen Emanzipation der Afroamerikaner gelingt so zum Beispiel in „The Help“ deutlich besser. Die Thematik wird hier ebenfalls aus Sicht des schwarzen (weiblichen) Hauspersonals aufgegriffen, deckt allerdings einen wesentlich kürzeren Zeitraum ab. Dadurch wird die Handlung in diesem Fall dichter und detaillierter erzählt. „Der Butler“ zeigt jedoch überzeugend die Verblendung und Intoleranz der weißen Amerikaner, die die Schwarzen stets als minderwertig betrachtet und sie wie unmündige Kinder behandelt haben.
Am Beispiel Cecil Gaines wird deutlich, dass die schwarzen Amerikaner durch ihre Beharrlichkeit und Geduld sowie ihre scheinbare Anpassung an die Weißen diesen gegenüber eine große Überlegenheit beweisen.
Etwas pathetisch ist die Widmung am Ende des Films, die an die „mutigen Männer […] und Frauen“ gerichtet ist, „die für unsere Freiheit in der Bürgerrechtsbewegung gekämpft haben.“ Allerdings macht sie auch deutlich, dass der Titel des Films den Inhalt nur unzureichend wiedergibt. Es geht nicht bloß um den Butler, der für die Weißen arbeitet. Vielmehr spiegelt der Film den langen Weg der Afroamerikaner hin zur Gleichberechtigung wieder.