Von Flatterband bis Schwarzlicht

von Jan-Hendrik Schulz

Siegener Kunsttag zum Thema „Kunstkörper“ mit ungewohnten Blickwinkeln auf Körperlichkeit

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Siegen. Andrea Freibergs Körper hängt an einem Kleiderbügel und besteht aus Flatterband und einem Zollstock. Darüber ihr Gesicht. Ringsum hängen Abendkleider, Flanellhemden, Malerkittel, streng in Reih und Glied. 110 Mitglieder des Kunstvereins Siegen ließen sich für die Ausstellung im Haus Seel fotografieren, beim Siegener Kunsttag gestern reihten sie sich mit ihrer Ausstellung „Um Kopf und Körper“ ein in die Installationen und Aktionen zum Thema „Kunstkörper“.

Albrecht Thomas, Vorsitzender des Kunstvereins, erklärt das Konzept: „Wir wollten unsere einzelnen Mitglieder zu einem Gesamt-Kunstkörper verschweißen. Um sie zusammenfassen zu können, brauchten wir eine Gemeinsamkeit“ – das ist das Schwarz-Weiß-Foto, Din A3, Querformat. Darunter hängen je ein Kleidungsstück und ein Accessoire, die eine Aussage zur Person transportieren: „Ein Professor für Pathologie hat seinem Arztkittel ein paar Knochen in die Tasche gesteckt“, schmunzelt Thomas. Andrea Freibergs Zollstock ist bei 161 Zentimetern geknickt – ihrer Körpergröße. Das Flatterband steht für ihre Installation, „Back to the city“.

Und die war der Hübbelbummler, eingewickelt in rot-weißes Flatterband. Von mittags bis abends tuckerte der Bus von Station zu Station durch die Oberstadt. „Mich faszinieren Baustellen“, sagt Freiberg, „sie stehen für Veränderungen, aber auch Blockaden, eine Störung des Gewohnten.“ Genauso der Hübbelbummler, ein Bus, der fährt, wo sonst nur gelaufen wird. Irgendwie ein Eindringling in die bekannte Ordnung der Stadt, das soll das rot-weiße Band unterstreichen.

Zwischen Mathematik und Mensch

Freiberg sitzt während der Fahrt auf der Treppe zur zweiten Etage des Busses, raucht die erste Zigarette des Tages und erklärt, wie sie alle möglichen Bezüge und Details zum Konzept „Körper“ im Hübbelbummler entdeckt hat: Zum Beispiel, dass sich in der Farbabwechslung des Absperrbands ein Puls oder Herzschlag findet, der einen Körper am Leben erhält.

Die Gruppe 3/55 hat sich mathematisch-geometrischen Körpern gewidmet. „Wir haben die Innenräume von Verpackungen sichtbar gemacht“, erläutert Thomas Greiner. Mit Gips oder Eis ausgegossene Joghurtbecher oder Putzhandschuhe dienen als Projektionsfläche für verfremdete Videoaufnahmen einer Synchronschwimmerin – und verbinden so die beiden Pole geometrischer und menschlicher Körper.

Dago Koblenzer versetzt im Krönchencenter die Körper der Betrachter im Raum – optisch. In und an einer quaderförmigen Figur hat er bewegliche Spiegel montiert, die kleinste Veränderung fügt dem Bild Neues hinzu, verzerrt oder entfernt. „Der Kunstverein hängt seine Mitglieder auf, ich zerstückle die Gäste“, sagt er grinsend.