von Laura Schönwies
Meine Hände umschließen den Griff noch fester. Der mentale Scheuklappen-Blick wird aufgesetzt. Einmal durchatmen und dann bloß schnell hier durch und ja nicht aufregen! Schließlich kennen wir das Spiel: Alle Jahre wieder scheint ein modernes Konsum-Fest namens Weihnachten immer früher in den Geschäften anzubrechen. Spekulatius stapelt sich an der Stelle, wo ich doch eigentlich nur eine ganz einfache Schokolade zum Geburtstag kaufen will. Gibt es hier auch noch etwas ohne Sterne drauf? Egal, ja nicht aufregen!
Die Phänomene „Zu frühes Weihnachten“ und „Vergessenheit des christlichen Festes“ nehmen leider immer weiter zu. Bereits vor dem ersten Advent sind die Nüsse zum Plätzchen backen ausverkauft und statt einem Päckchen Orangen-Aroma muss meine Mama ein ganzes Kilo Orangen kaufen, weil der Backzusatz schon längst vergriffen ist.
„Kannste nichts machen“, denke ich mir doch dann sehe ich bei meinem Freund ein Adventskalender von der Marke mit der violetten Kuh auf dem Esszimmertisch mit der Aufschrift „Weihnachts-Countdown“. „Bescheuerter Name, oder“, rufe ich zu ihm ins Arbeitszimmer. „Ja, find ich auch. Hab ich geschenkt bekommen“, schallt es zurück. Ja, warum ist das ein bescheuerte Bezeichnung?
Ein paar Gedanken dazu …
Da gibt es eine einzige Zeit im Jahr, die darauf ausgelegt ist, inne zu halten, zur Ruhe zu kommen, sich vorzubereiten. Advent kommt vom lateinischen „advenire“ und bedeutet „ankommen“. Gott will bei uns Menschen ankommen und ich will bei den Menschen und bei Gott ankommen. Kann ich das denn sofort? Bin ich immer sofort da und hundert prozentig bereit?
Eben nicht, denn häufig ist doch der Weg das Ziel. Wie öde wäre es denn, immer schon da zu sein, ohne sich vorher auf den Weg machen zu müssen? Wie viele Geschichten, Erfahrungen und Erlebnisse würden verloren gehen, wenn es keinen Weg gäbe? Jede Etappe kann etwas für sich haben. Caspar, Melchior und Balthasar standen schließlich auch nicht plötzlich mit Gold, Weihrauch und Myrrhe in einem verarmten Stall, um ihre Kostbarkeiten einfach einem Säugling zu schenken und einem Esel vor die Füße zu legen – diese Szenerie für sich allein wirkt doch ziemlich abstrus. Vorher musste etwas geschehen um dieses Ereignis verstehen zu können! Ein Stern ist aufgegangen und gab zum Zeichen „Da ist etwas passiert, macht euch auf und schaut nach. Es lohnt sich!“ Er weckt eine Neugierde, eine Sehnsucht, die immer wieder antreibt.
Im Alltagstrott gibt mir die Adventszeit die Gelegenheit auch mich neu aufzumachen, wieder neugierig zu werden auf das Geheimnis vom 24. Dezember. „Alle Jahre wieder“ wird zum „Immer wieder neu“, denn so ganz habe ich das, was dort in Bethlehem geschehen ist, noch nicht verstanden. Gott wird Mensch – wie kann das eigentlich sein? Das kann mir wohl niemand erklären, aber ich sollte mir die Zeit nehmen, das Wunder wirken zu lassen.
Beim „Weihnachts-Countdown“ wird jedoch scheinbar nur hektisch herunter gezählt. Dabei geht es doch nicht etwa von vierundzwanzig abwärts, sondern von eins an aufwärts. Warum muss ich diese Zeit also so schnell wie möglich hinter mich bringen?
Früher wurde in der Adventszeit vor Weihnachten noch vierzig Tage gefastet, um sich frei zu machen. Heute stopfen wir im Advent mehr denn je in uns hinein und wo bitte ist denn die Steigerung zum Festessen, wenn mir Spekulatius und Co. noch von Oktober an schwer im Magen liegen?
An Silvester kann ich immer noch den Countdown starten und es dann knallen lassen!
In diesem Sinne: Zündet die erste Kerze an und seht, dass diese sich beim herunter brennen auch nicht stressen lässt, sonder erst einmal in aller Ruhe leuchten will.