Semesterbeginn

von Alex Mosig

Welch Freude, welch Wonne. Endlich geht das Semester los. Die Uni belebt wie lange nicht mehr. Von oben glich das muntere Treiben einem Ameisenhaufen. Da wuseln die i-Dötzchen, nein Entschuldigung, die Studienanfänger/innen (die politische Korrektheit ist hier besonders zu beachten, damit der Artikel den Normen des universitären Umgangs entspricht und keinen Shitstorm auslöst) herum und blicken verwirrt in alle Richtungen. Die einen stehen in der Cafeteria und warten voll gespannter Erwartung in der Schlange auf die Essensausgabe, bis ihnen mitgeteilt wird, dass dies nicht die Mensa ist, sondern, wie das Schild über dem Eingang zu vermuten lässt, eine Cafeteria. Andere nervöse Individuen blicken verwirrt, gar ängstlich in alle Richtungen, weil Sie ihre Räume nicht finden, genau dort stehend wo es am praktischsten ist. Direkt vor dem Fahrstuhl, der sich selbst öffnenden Tür oder bewusst mittig auf den Treppen. Heiser durch das ständige „Entschuldigung bitte“, das gerade in den ersten zwei Semesterwochen mehr Verwendung findet als jede andere aneinander gereihte Buchstabenreihenfolge, kann ich mir selbstsicher aufgrund der gebührenden Erfahrung den Weg durch die Massen suchen. Hin zu dem Ort, der insbesondere jetzt meinen Happy Place darstellt. Ein Ort der Entspannung und Ruhe, des Wohlbefindens und der Genesung. Eine Idylle wie Jean Paul sie wohl über hunderte von Seiten hätte beschreiben können. Die Lernkammer in der Bibliothek. Scheiben, die keine Geräusche hinein oder hinaus lassen, eine Jalousie die mich vor den Blicken der gierigen Massen schützt. Mein Kopf sinkt auf den Tisch, bevor es zur Arbeit geht, schreit mein Innerstes nach einem kurzem Powernap. Schließlich weiß ich aus jahrelanger Erfahrung, dass dieses Ritual mir schon seit jeher geholfen hat, meine Aufmerksamkeit optimal zu fördern. Mit dem Stellen des Weckers schon versunken in meiner Traumwelt. Der Hektik entflohen. Den Alltag vergessen.
Kurze Zeit später allerdings geweckt durch ein Klopfen. „Herein“ grummelte ich dem oder der Unbekannten entgegen (erneut bitte ich um die korrekte Formulierung, damit sich kein Grund, zur Beschwerde findet) und ohne zu wissen was das simple Wort zur Folge hatte, stürmten dutzende Menschen in den Raum. Anscheinend sollte *kurz* gezeigt werden, wie so ein Lernraum aussieht. Fluchend und „Tschuldigung bitte!“ Rufend entfliehe ich der Masse. Den Rucksack dank meiner Erfahrung natürlich noch nicht ausgepackt abmarschbereit innerhalb Sekundenbruchteilen auf den Rücken geschwungen Richtung Mensa trabend. „Verdammte Ersemester/rinnen“ entfuhr es meinen Gedanken. Wohl auch meinem Mund, denn mich musterten einige wütende Augenpaare. Statt Mensa, die unmenschlich voll sein musste, ließ ich mich zu einem kühlen Getränk im Bistro hinreißen: „Verwechselt hoffentlich keiner mit der Mensa …“ murmelte ich und spürte wie sich,mit der perligen, leicht kohlensäurehaltigen Flüssigkeit die in kleinen Schlücken durch den Rachen in meinen Magen gedrückt wurde, Ruhe in meinem Körper ausbreite. „Eigentlich doch auch alles nicht so wild“, dachte ich und blickte mich deutlich gelassener als noch kurz zuvor um. Ein Fehler, denn direkt wurde ich von einem dieser Pimpfe (hier bin ich mir über eine korrekte Ausdrucksweise nicht vollends im Klaren) angesprochen „Entschuldigung, darf ich mir einen Stuhl mitnehmen?“ Grimmig nickend bestätigte ich den Bub und fuhr durch mein licht gewordenes Haar. „Kein Wunder, zweimal im Jahr dieser Ärger und das seit 15 Jahren…“ schoss es mir durch den Kopf. „Da können einem nur die Haare kahl werden. Naja, bald bin ich ja eh fertig und dieses eine Semester mehr oder weniger macht den Braten auch nicht fett.“