von Theresa Müller
„Jedes Mal wenn ich erfuhr, dass ein palästinensischer Terrorist, ein palästinensisches Kind oder eine schwangere Palästinenserin im Gazastreifen erschossen worden war, durchzuckte mich ein Schauder der Begeisterung bei dem Gedanken, dass es einen Muslim weniger gab.“
Es sind Sätze wie dieser aus dem Roman Plattform und einige Interviewaussagen (z.B. „Der Islam ist die dümmste aller Religionen“) des französischen Star-Autors Michel Houellebecq, die ihn 2001 zum Enfant Terrible des französischen Literaturbetriebs werden ließen. Houellebecq versteht es, zu provozieren und er versteht, so scheint es zumindest, das Spiel mit den Medien perfekt. Und wie das Schicksal es will, ist Houellebecq auch im Januar 2015 am Erscheinungstag seines neuesten Romans Unterwerfung in aller Munde. Allerdings nicht ganz unfreiwillig. Houellebecq mag auch diesmal den Tabubruch kalkuliert haben, indem er in Unterwerfung ein islamisches Frankreich durchdenkt, doch die islamistischen Attentate in Paris am 7. Januar 2015, dem Erstverkaufstag von Unterwerfung in Frankreich, spotteten jeglicher Berechenbarkeit. Man müsste schon sehr zynisch, um nicht zu sagen: menschenverachtend sein, um hierin die perfekte PR-Kampagne zu erkennen. Aber ganz von der Hand weisen lässt sich diese Sicht dann doch nicht, vor allem aus Sicht des Verlags. Schließlich äußerte sich selbst Frankreichs Staatspräsident Hollande zu Houellebecqs Roman und dessen vermeintlich islamophoben Aussagen: „Frankreich ist nicht Houellebecq“. Nun möchte auch, überspitzt gesagt, neben dem halbintellektuellen Cord-Sakko-Träger im Lehrdienst auch der ein oder andere Golf GTI-Fahrer wissen, was der „Prophet“ Houellebecq denn da mal wieder von sich gegeben habe. Houellebecq selbst, quasi persönlich betroffen von dem Attentat auf Charlie Hebdo, wurde sofort unter Polizeischutz gestellt und sagte die komplette Lesereise ab, bis auf einen Auftritt in Köln, am 19.01. im Rahmen des Lit. Cologne. Vor Ort sammelten sich Vertreter des gesamten deutschen Feuilletons, sowie aus anderen Ländern. Man konnte nur erahnen, wer zur Lesung gekommen ist aus Interesse am Buch an sich und wer um eine Stellungnahme Houellebecqs zu dem Attentat und den Vorwürfen, dass sein Roman islamfeindlich sei, zu protokollieren. Sämtliche Restkarten an der Abendkasse wurden zurückgehalten für Presseleute, die am Ende noch eine Warteliste von über 30 Plätzen füllten, nachdem der Saal bereits von ihren Kollegen gefüllt wurde. Andere interessierte Leser hatten das Nachsehen. Houellebecq begann seine Lesung mit der erhofften Stellungnahme: Unterwerfung sei kein islamfeindlicher Roman, doch jeder der will, dürfe durchaus einen islamfeindlichen Roman schreiben, so Houellebecqs Ansicht. Wenn auch Houellebecq provoziert mit seinen Aussagen und seinen Romanen, missionieren will er niemanden. Houellebecqs Gegen- und natürlich auch Mitspieler, Vertreter verschiedener Medien, begrüßen sein provokantes Spiel und wissen seine Romane in Szene zu setzen und gar für ihre Interessen zu instrumentalisieren. Das Buch als autonomes Werk? – Uninteressant. Houellebecq wurde erst vom Spiegel als Weltendeuter betitelt. Und auch für Pegidaanhänger scheint sein neuer Roman gut ins Programm zu passen, obwohl Houellebecq sich klar distanziert von rechtem Gedankengut. Doch der Instrumentalisierung seiner Romane kann er sich nicht entziehen.
Bei all dem medialen Wirbel ist es interessant, sich am Ende weitergehend mit der Debatte darüber, wie weit man gehen darf, um für Meinungsfreiheit einzustehen, zu beschäftigen. Wann werden die Grenzen der Legitimität überschritten?