Haus Patmos

Eine Gastrokritik von Christian Schütte

Christliche Gastronomie in Siegen-Geisweid steht diesmal auf dem Prüfstand.

Am Siegener Stadtrand gelegen, noch weit hinter dem Geisweider Freibad, Richtung Sohlbach hinaus, befindet sich das „Haus Patmos“ – mitten im Grünen. Ursprünglich vom Zeltmissionar Jakob Vetter (1872-1918) gegründet, verspricht das Haus noch heute als Hotel mit Veranstaltungshalle und Restaurant, den Gast „in christlicher und familiärer Atmosphäre“ (Homepage) zu empfangen.

Auf dem großen Parkplatz sieht man kaum örtliche Kennzeichen, aber sonst ist von Hamburg bis Ravensburg halb Deutschland vertreten. Man kommt wohl hierher, um zu tagen. Wir aber sind gekommen, um zu essen. Denn: Bis auf diese Stunde leiden wir Hunger und Durst und sind nackt und werden geschlagen und haben keine gewisse Stätte. (1. Korinther 4, 11)

Schon der Religionsstifter war in kulinarischer Hinsicht mit seiner Wasser-Wein-Transformation legendär. Und wenn der Glaube 5000 speisen kann (Joh. 6, 1-13), werden wir vier wohl auch noch satt werden. Zumal bei einem, der allem Fleisch Speise gibt, denn seine Güte währet ewiglich. (Psalm 136, 25) Okay, das klingt doch schon mal gut.

Wir nehmen Platz am Fenster und haben einen schönen Ausblick – auf die vom Rauchverbot vertriebenen Nikotinjünger vor dem Eingang. Immerhin bleibt man so mit dem einzigen Raucher der Gruppe in Kontakt, wenn man ihm durch die Scheibe zuwinken kann.

Es wartet alles auf dich, dass du ihnen Speise gebest zu seiner Zeit. (Psalm 104, 27)

 

Das Restaurant des Hotelkomplexes ist nüchtern gehalten. An der Wand fehlen Bilder oder sonst Schmückendes. Das Wort „Kantinenatmosphäre“ fällt. Es ist hell, es ist sauber, aber die lackierte Holzoptik verbreitet eher den Eindruck von Hygiene als von Gemütlichkeit. Außerdem ist es laut. Man spricht Englisch. Aber egal: Denn das Ohr prüft die Rede, und der Mund schmeckt die Speise. (Hiob 34, 3)

Der Bier (Krombacher Pils) ist warm. Nun gut, gehört vielleicht nicht zur Kernkompetenz von Stätten christlicher Erbauung: Denn damit schreckt er die Leute und gibt doch Speise die Fülle. (Hiob 36, 31) Na, gut. Spargel soll es sein. Sauce hollandaise oder Butter? Ich gehe auf Nummer sicher: Butter. Da kann nichts schiefgehen – anders als beim fettigen Pamps, der oft dem Namen der Niederlande Schande bereitet. Kochschinken oder rohen Schinken? Ach, gern von beidem ein bisschen. Die Vorfreude auf das Saisongericht steigt.

 

Da wurden sie alle guten Muts und nahmen auch Speise. (Apostelgeschichte 27, 36)

 

Leider ist der Spargel nicht gut geschält und ungleichmäßig gegart. Beim Versuch, die Stangen – entgegen dem verbreiteten Irrglauben, man dürfe das nicht – zu zerschneiden, zerfasern sie nur. Und das liegt nicht allein am stumpfen Messer. Die Hauptspeise ist erwartungsgemäß übersichtlich gestaltet, neben ein bisschen Salatdeko liegt nur noch eine halbe Tomate herum. Der Kochschinken ist Formfleisch, immerhin nicht so glibberig wie manches Discounter-Produkt. Hingegen bleibt der rohe, geräucherte Schinken zwar ein bisschen charakterlos, aber akzeptabel genug, um das traurige Gemüse hineinzuwickeln. Eine lobende Erwähnung haben sich die kraftvoll gelben Salzkartoffeln verdient. Aber können Kartoffeln eine ganze Mahlzeit retten?

Es ist nicht so schlimm, dass ihnen ekelte vor aller Speise und sie todkrank wurden (Psalm 107, 18). Doch kulinarischen Glanz verbreitet hier nichts, eine ordentliche Kantine ist’s allenfalls. Die „Offenbarung des Johannes“ soll jenem Propheten einst auf Patmos zuteil geworden sein. Hier aber ist das Essen keine Offenbarung.

Ob es denn geschmeckt hat? Nein, sagt einer von uns freimütig. Der Kellner ist schockiert, wir anderen werden gar nicht mehr gefragt. Der Beschwerdeführer bekommt Ersatz angeboten oder „was Süßes“. Das ist korrekt, das ist entgegenkommend. Nur, was hilft’s? Es schmeckt halt nicht. So lehnt der unzufriedene Gast dankend ab.

Unsere wehen Seelen gelüstet es nach Schnaps – das ist mein Trost in meinem Elend (Psalm 119, 50). Aber selbst hier bleibt der große Genuss ein frommer Wunsch. Der Wacholder ist nicht beerenstark, vielmehr fuselig, insbesondere im Abgang.

Ich aber sage euch: Der einzige plausible Grund, zum Haus Patmos rauszufahren, ist wohl der Besuch einer Tagung. Der konferierende Gast wird sicher am Verhungern gehindert. Mehr ist nicht drin.

Wir wurden durchweg schnell bedient und sind deshalb auch schnell fertig. Aus dem Haus Patmos möchte man aber auch schnell weg. Das nächste Getränk nehmen wir jedenfalls schon nicht mehr in Geisweid: Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir. (Hebräer 13,14)

 

Haus Patmos
Patmosweg 60
57078 Siegen-Geisweid

Täglich 12.00 – 22.30 Uhr
Sonn- und Feiertage bis 18.00 Uhr