von Minou Wallesch
Im Hollywood der 20er Jahre war sie ein Star. Heute kennt sie kaum noch jemand. Daniela Dröscher hat über die vergessene Stummfilmdiva Pola Negri einen Roman geschrieben. Aus „Pola“ las sie im New Orleans.
In Hollywood war sie ein Star. Dann machte der Tonfilm ihrer Karriere den Garaus. Heute ist sie in ihrer Heimat Polen eine Legende. Sonst kennen ihre Filme nur wenige. Pola Negri ist eine zu unrecht vergessene Hollywoodlegende, sagt Daniela Dröscher. Sie liest im New Orleans aus ihrem Roman „Pola“. Darin zeichnet sie ein Bild der harten Realität des ausbleibenden Ruhmes und einer außergewöhnlichen Persönlichkeit. Eingeladen wurde sie vom Projektseminar der Uni Siegen.
Daniel Dröscher stellt sich die Freundschaft mit der Stummfilmdiva Pola Negri sehr schwierig vor. Vielleicht wäre Pola eher eine abgebrühte Schwester, mit der man nicht immer einverstanden ist, von der man aber nicht loskommt. Dröscher ist für ihren Roman über die polnische Stummfilmdiva der 20er Jahre nach Polen an die Orte von Polas Kindheit gereist. Sie hat ihre Memoiren gelesen und vieles, das von anderen über sie geschrieben wurde. Doch der Roman handelt vor allem von Polas Untergang.
Es ist 1935, der Tonfilm ist in Hollywood angekommen und Pola passt mit ihrem orientalischen Äußeren und ihrem starken Akzent nicht in die Rolle der blonden Hollywoodschönheit. Das Bild von Pola ist schillernd. Erhobenen Hauptes schreitet die Stummfilmdiva durch ihr Leben. Sie lässt sich nichts sagen und doch ist es eine Welt der „Erfindungen, Prinzen und Schlösser“, wie Dröscher es später im Gespräch mit den zwei Moderatorinnen beschreibt. Das Leben dieser Frau sei an sich schon romanhaft. Ein guter Stoff also, um einen zu schreiben. Pola sei ihr ganz zufällig über den Weg gelaufen. Dieses Gesicht mit den dunklen, fein gebogenen Brauen, das selbst zur Ikone geworden ist, und der Name, hätten ihr etwas gesagt. Deshalb wollte sie herausfinden, was hinter diesen dramatischen Augen steckt, die mal lasziv, mal verzweifelt oder keck um sich blicken. „Sie ist eine zu unrecht vergessene Figur. Ich würde mir wünschen, dass ihre Filme mehr Beachtung finden.“
Eine Geschichtenerzählerin
Dröscher hat sich ganz bewusst für einen Roman entschieden. Es ist ihre Form des Schreibens, mit Biografien hat Dröscher nichts am Hut. Aber auch der Figur und ihrem Leben hätte sie mit einer Biografie nicht gerecht werden können. Deshalb hat Dröscher die Lebensgeschichte der Pola Negri fiktionalisiert und ausgeschmückt. Genauso, wie Pola es immer wieder mit ihren Geschichten über ihre Herkunft und ihr Leben tat. Sie wurde auch als „Hollywoods biggest liar“ bezeichnet.
Immer wieder entdeckt man Details aus vergangener Zeit während der Lesung: Pola sitzt an der Bar, kramt in ihrer Tasche, zieht eine Spitze heraus und zündet sich eine Chesterfield an, die sie dann mondän pafft. Polas Ziel im Jahr 1935, ist ihrem Leben noch einen Funken Noblesse abzujagen. Sie geht leichtfüßig durch ihren Untergang. Genau diese Attitüde ist es, die Dröscher fasziniert hat. Ein besonderer Reiz war es, mit der Perspektive einer Pola in die Geschichte einzutauchen, erklärt Dröscher. Pola zieht es weg aus Hollywood und zurück nach Deutschland, um eine neue Karriere zu starten. Doch ist Pola eine ganz und gar unpolitische Figur, sagt Dröscher. Im Buch werden die Figuren des Nationalsozialismus deshalb nur mit ihrem Amt bezeichnet, wie zum Beispiel der Minister. Es ist also die Stellung, die interessiert, nicht die Person dahinter. Polas Figur hingegen hat Dröscher ausgeschmückt. Ihre moralischen Bedenken, das Leben Polas so zu verändern, hat Dröscher irgendwann abgelegt. „Ich habe die Geschichte so erzählt, wie Pola es auch getan hätte. Dramatisch.“
Hund, Baby und Federn im Haar
Auf ihre Recherche zu dem Buch hat sich Dröscher ganz bewusst ohne Dolmetscher begeben. Sie wollte die Dinge sehen, nicht hören. Genauso wie im Stummfilm. Sie ist die Schauplätze von Polas Leben abgelaufen. Während der Lesung erzählt Dröscher viel von Gerüchten und Liebschaften, Wahrem und den Geschichten Polas. Gefördert wurde Dröscher von der Robert- Bosch-Stiftung, von denen sie das „Grenzgänger“-Stipendium erhalten hat. Passend, findet Dröscher, denn auch Pola war eine Grenzgängerin zwischen ihren Heimatorten Hollywood, Deutschland, Frankreich und Polen.
Dröschers Stimme ist leise und sanft, aber bestimmt. Pola wäre sicher vorlauter gewesen, dennoch passt die Stimme gut zum Roman. Doch manchmal geht Dröscher im Gläserklappern unter. Nicht während des Lesens, nur wenn sie noch etwas zusätzlich erzählt. Die Lesung hat alles was dazu gehört: Einen bellenden Hund, ein schreiendes Baby und ab und zu hustet auch jemand. Das Licht ist schummerig, die dunkelroten Wände verschlucken es. Die Studentinnen des Projektseminars haben sich fein gemacht. Federn im Haar der Moderatorinnen, eine Perlenkette um den Hals der Dozentin. Frau Stelmaszyk und die Studentinnen posieren zusammen mit Döscher, dann ist die Lesung vorbei. An einem Büchertisch kann man den Roman und zwei Bildbände zum Thema Frauen im Stummfilm kaufen. Dröscher signiert. Auf die Ausschnitte aus Polas Filmen, die nach Ende der eigentlichen Lesung an die Wand projiziert werden, achtet niemand mehr so wirklich. Viele sind schon gegangen, die Champions League ist schuld.