Bereits seit einiger Zeit rollen riesige Bagger durch die Siegener Innenstadt, um die Sieg von ihrem Betonkragen zu befreien und einen Ort zum Entspannen und Flanieren zu schaffen. Doch dies war nicht immer so. Der spannende Weg von der Siegplatte zu einem offenen Fluss verlief langsam und schleppend…
Von Franziska Elsner
Einst schlängelte sich die Sieg frei und unbekümmert durch das Herz der Krönchenstadt. Lebendig sprudelte das Wasser aus der Quelle und bahnte sich seinen Weg über Stock und Stein.
Im Jahre 1954 gossen die Bauarbeiter den letzten Liter Beton ins Flussbett und die Wassermengen hatten keine Wahl. Sie mussten sich der im Laufe der Jahre entstandenen, schnurgeraden Rinne beugen. Kürzlich erst hatten sich die Graureiher und Bachforellen von Schmutz und Lärm erholt, da rollten bereits knapp fünf Jahre später erneut riesige Ungetüme auf sie zu. Ihr Auftrag: Die Ufermauern erweitern und erste Vorbereitungen für den Bau der Siegplatte treffen. Mehr Parkplätze wurden in der Innenstadt benötigt. Die Straße war zu schmal. Verschlungen haben die Bagger dabei nicht nur den Schlamm, der aus dem Flussbett gebaggert werden musste, sondern auch 2,4 Millionen DM.
Auf der Landkarte war die Sieg in der Nähe der Heeserstraße zwar noch als hellblauer Streifen zu sehen, doch aus dem Stadtbild radierte man Siegens Namensgeberin komplett aus. Mehrere Male wurde die Baustelle überflutet und die Bauarbeiter mussten ihre Arbeit für einige Tage niederlegen – die Sieg wehrte sich. Vergebens! Schon bald verdunkelten 2450 Kubikmeter Beton den Himmel über den Köpfen der einheimischen Eidechsen und Stockenten. Dutzende Trompeten und Posaunen spielten auf, feierlich wurde das Menschenwerk m November 1968 eingeweiht.
Mit noch viel größerem Tamtam und einem monströsen Schaufelbagger wurden die Betonmassen 44 Jahre später, im September 2012, dem Erdboden gleichgemacht. Nachdem die Menschen im Wirtschaftsrausch mit aller Macht jeden grünen Fleck zugebaut hatten, war eine graue Einöde zurückgeblieben. Lärm, Gestank – aber irgendwo, tief unter einer Betonschicht, plätscherte ein Fluss leise und frohlockend vor sich hin. Ein massives Umdenken nahm seinen Lauf! Wo zuvor ohne Rücksicht auf die Natur Parkplätze und breitere Straßen gebaut worden waren, wurde der Fluss nun endlich von seinem Betonbett befreit – Die Siegener erkannten die Chancen, die in dem lebendig sprudelnden Gewässer schlummerten. Der Umweltschutz und die Weiterentwicklung der Innenstadt zu einem naturnahen Ort standen im Vordergrund. Stufen, die hinunter zum Wasser führen, sind aktiv im Bau. Sie werden den Menschen nicht mehr von der Natur trennen, sondern ihn ihr ein Stückchen näherbringen.
Die Geschichte der Siegplatte zeigt, wie sich die Denkweise der Menschen verändert hat, wie sich Siegen verändert hat!