von Jan-Hendrik Schulz
Die Uni Siegen hat eine kleine, aber feine Sternwarte. Angehende Physiklehrer studieren hier den Himmel – und immer mal wieder kommen begeisterte Sternengucker auch auf ihre Kosten.
Im Menü kann Christoph Springob auswählen, ob er lieber Merkur, Venus oder Mond anschauen möchte. Er entscheidet sich für den Erdtrabanten, der Computer des Spiegelfernrohrs in der Sternwarte der Universität auf dem Haardter Berg errechnet, wo Luna gerade steht und das 42 Kilo schwere Instrument surrt in Position. Die Holzkuppel der Warte kann Springob, der technische Leiter der Sternwarte, in alle Richtungen schwenken und so die Sicht freigeben, mit den Wolken über dem Siegerland gelingt ihm das an diesem Tag nicht.
„Dabei wären heute eigentlich gute Bedingungen gewesen“, bedauert Springob: Zwar nur eine schmale Sichel am Himmel – die Sonne bescheint den Mond von der Seite –, hätte das schräg einfallende Licht für harte Kontraste auf der Mondoberfläche gesorgt: „Jede Erhebung zeichnet sich als Schatten ab“, schwärmt der erfahrene Himmelsbeobachter. Laien ergötzen sich an der heimeligen Vollmond-Stimmung, Astronomen bevorzugen den zunehmenden Mond, weil sich da mehr entdecken lässt als „nur“ die mit bloßen Auge erkennbaren Krater. Ohne leidige Wolken wären vorgestern sogar Venus und – sehr selten – Merkur zu sehen gewesen.
Linsenfernrohre als Leitinstrumente
Bei einer Brennweite von fast 3 Metern ist das Spiegelfernrohr, ein sogenannter Reflektor, für den Mond gut geeignet. Vorwiegend wird es für die Lehrerausbildung eingesetzt: „Die Erforschung des Universums überlassen wir lieber dem Hubble-Weltraumteleskop“, so Prof. Oliver Schwarz, wissenschaftlicher Leiter der Sternwarte. Vielmehr habe man sich eine eigene Nische gesucht: Die Analyse von bereits vorliegenden Daten, die dann den Forschungseinrichtungen mit dem entsprechenden Equipment zur Verfügung gestellt werden. „Kometen kommen ja nur alle paar Jahre vorbei und unsere Daten werden durch Beobachtung erhoben“, sagt Schwarz.
Keine guten Voraussetzungen für Grundlagenforschung, erst recht nicht im Vergleich zu Hubble, das mit über 57 Metern Brennweite die 19-fache Leistung des Siegener Fernrohrs bringt. Ein Fernrohr mit Linsen hätte bei gleicher Leistung übrigens eine Tubuslänge von drei Metern, der „gefaltete Strahlengang“ ermöglicht die kompakte Bauweise.
Linsenfernrohre kommen als Leitinstrumente zum Einsatz, sie werden mit dem Reflektor parallelisiert und zeigen einen größeren Himmelsausschnitt, der dann mit dem Hauptrohr unter die Lupe genommen wird. Bei diesen Refraktoren fällt das Licht in eine Sammellinse vorne – im Prinzip eine Lupe – und dann durchs Okular, welches die Vergrößerung bestimmt.
Deutschlandweit zweizigartig
Die Siegener sind stolz auf „ihre“ Sternwarte, denn obwohl nicht für Fachphysiker ausgelegt, gibt es nur eine vergleichbare Einrichtung in Deutschland, wie Springob sagt: Eingebunden in den Lehrbetrieb als „Lernsternwarte“. 2009 ersetzten neue Geräte für rund 50.000 Euro das alte Material, zum Großteil finanziert aus den Berufungsmitteln für Professor Schwarz.
Das Schlimmste, was dem Spiegelfernrohr passieren kann, ist es zu putzen. Ein Staubfilm liegt auf dem Hauptspiegel, „der mindert aber nur die Helligkeit, nicht den Kontrast“, erklärt der technische Leiter. Beim Putzen entstehen minimale Kratzer und die verschlechtern das Auflösungsvermögen, die Bilder würden unscharf. Außer Betrieb wird der Spiegel immer abgedeckt, aber „eine Nacht Beobachtung mit Pollenflug reicht leider aus“, bedauert Springob. Nur extrem vorsichtig wird ab und an gereinigt.
Der Feind des Astronomen hingegen ist klare Luft. Klingt unglaubwürdig, aber wenn die Luftschichten regelmäßig übereinander geschichtet sind, ist es zwar diesig, aber die Objekte bewegen sich nicht. Das vier Kilometer entfernte Krönchen flimmert 90-fach vergrößert im Okular.