Die Kopplung von Literatur und Wissenschaft: Ein Autorengespräch an der Uni Siegen

Wie eine spannende Lektüre zu einem Treffen mit dem Autor führt

von Alexander Mosig

Der Seminartitel „Resonanzerfahrungen der Moderne“ war für viele Studierende der Universität Siegen wenig greifbar. Erst mit der Beschäftigung mit wissenschaftlicher aber auch belletristischer Literatur lassen sich Verbindungen zum eigenen Leben knüpfen.
Die Seminarleiterin Frau Dr. Anke Kramer gibt Einblicke in das Thema Resonanz, welches sie fasziniert und fesselt und erklärt, warum sie den deutschsprachigen Schriftsteller Michael Ebmeyer zu einer Diskussionsrunde eingeladen hat.

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Dr. Anke Kramer, Leiterin des Seminars „Resonanzerfahrungen der Moderne“ (Foto: jan söhlke)

Warum wir öfter in Büchern nach Antworten suchen sollten
Frau Kramer hat sich eingehend mit dem Soziologen Hartmut Rosa beschäftigt. In seinem Werk zum Thema Resonanz geht es um die Frage: „Was macht unter den Bedingungen der Moderne ein gelingendes Leben aus?“, erzählt Frau Kramer. „Es ist die Erfahrung, dass unsere menschliche und nichtmenschliche Umwelt uns antwortet“, gibt sie zur Antwort. Bei ihrer Beschäftigung mit Rosa fielen ihr Parallelen zu Ebmeyers Roman „Der Neuling“ auf. Dieser geht ähnlichen Fragen wie der Soziologe nach, und gelangt teils zu ähnlichen Antworten: „Nur eben nicht mit den Mitteln der Soziologie, sondern mit denen der Literatur, des Erzählens und poetischen Gestaltens“, erläutert Frau Kramer. Die Parallelen zwischen Rosa und Ebmeyer erzeugen die Spannung, auf der sich das Seminar begründet.

Der Zauber der Literatur
Ebmeyers Roman erzählt einen Ausschnitt aus dem Leben von Matthias Bleuel. Dieser durchschreitet, nach der Trennung von seiner Frau, wie betäubt seinen Weg und wird von seinem Chef darum gebeten, einem Auftrag in Sibirien nachzugehen. Der vielschichtige Roman „erzählt nur vordergründig eine konventionelle Geschichte, von einem, der eine Wandlung durchmacht, die ihn zu einem erfüllteren, glücklicheren Leben führt. [Der Roman] ist ironisch und sehr komisch, und auf diese Weise gelingt es ihm, von der ernüchternden Komplexität des menschlichen Lebens zu erzählen und gleichzeitig gut lesbar zu bleiben“, fasst Frau Kramer zusammen. Die Literatur vermag es, die Leser in ihren Bann zu ziehen und mitzureißen. Sie schafft es dabei oftmals, komplexe Themen zu verarbeiten und zu erklären. Gerade die Vielschichtigkeit des Romans, die sich insbesondere bei Diskussionen offenbart, gepaart mit einer Message, die der Autor vielleicht übermitteln möchte, macht die Lektüre so wertvoll. Letztlich bleibt die Deutung des Textes dann den Lesern überlassen.

Warum überhaupt ein Gespräch mit dem Autor?
Nun hat das Seminar die spannende Möglichkeit, dem Autor am 13. Juni Fragen zu seinem Roman zu stellen. Frau Kramer hat bereits vor zwölf Monaten ein Interviewtermin veranlasst. Für sie ist es überaus spannend zu erfahren, unter welchen Umständen ein Roman entstanden ist: „Dies lenkt den Blick weg von der rein rezeptiven Haltung hin zu seinem Bewusstsein für den Text als etwas Produziertem, aus einer bestimmten Situation und deren Zeitgeist heraus Entstandenem.“ Weiterführend erzählt sie, dass sich das Verständnis des Textes vertieft und ein Blick in das Literatursystem der Gegenwart ermöglicht wird. Darüber hinaus können eigene Lektüreeindrücke diskutiert werden. Obwohl auch die Perspektive des Autors nur eine von unzähligen möglichen ist, lässt sich nicht bestreiten, dass es sich um einen enorm interessante Sichtweise handelt. Getreu dem Motto: Niemand vermag sein Werk besser zu kennen als der eigene Autor!