Im zweiten Teil des Interviews verrät der LSF-Beauftragte der Fakultät I, Dr. Ingo Köster, was er von den Studierenden hält, wie das LSF an die Uni Siegen kam und wie er selbst an seinen Job geraten ist.
Teil 2 des LiteraListen-Interviews von Christian Schütte und Kathrin Wagner. (Teil 1 hier)
Es gibt andere, vielleicht bessere Systeme an anderen Unis – warum in Siegen ausgerechnet das LSF?
Man muss unterscheiden: Es gibt Systeme, die laufen reibungslos, sind aber auch sehr einfach gestrickt – das sind zum Teil von den Universitäten selbst programmierte Plattformen. Wenn die entsprechenden Studienmodelle und Prüfungsordnungen genauso einfach sind, dann mag ein sehr einfaches System sinnvoll sein. Die Uni Siegen hat sich für relativ komplexe Studiengänge entschieden und die müssen in einem System abgebildet werden. Und wenn es stimmt, was ich von anderen Universitäten gehört habe, läuft es auch dort bei zunehmendem Komplexitätsgrad nicht reibungslos. Mir ist nicht bekannt, dass es ein System gäbe, das bei sehr komplexen Studienmodellen reibungslos funktioniert.
Sind Studierende auch mal in Panik, wenn sie denken, es bricht alles zusammen?
Wenig … Nein, die Studierenden kommen mir eigentlich nicht panisch vor, ganz wenige nur. Ich habe super Erfahrungen mit den Studierenden gemacht.
Welche?
Sie sind nett, sie verstehen die Problematik. Ich erkläre ihnen auch immer die Hintergründe für Fehlermeldungen und Probleme, deshalb schreibe ich relativ lange Antwortmails. Außer in den ganz heißen Phasen, wo es am Tag vierzig bis fünfzig Anfragen gibt, die ich zum Teil erst mal recherchieren muss: warum sie sich jetzt nicht anmelden können, warum diese Fehlermeldung kommt. Die Programmierabteilung kann mir aber bei Nachfragen auch nicht sofort antworten, weil sie in solchen Anmeldephasen Anfragen von LSF-Beauftragten für insgesamt 800 Studiengänge bekommt. Dann erhalte ich eine Antwort erst einen Tag später und muss mich in einen Fall wieder neu hineindenken, weil ich in der Zwischenzeit zehn andere Anfragen beantwortet habe. In solchen stressigen Phasen antworte ich sehr kurz – da bitte ich um Verständnis –, manchmal nur stichwortartig, weil es nicht anders geht. Ansonsten bemühe ich mich immer darum, ausführliche Antworten zu geben.
Wie kommt das an?
Vielleicht nervt das sogar einige Studierende, ich weiß es gar nicht. Ich versuche, sogar ein paar technische Hintergründe aufzuzeigen, damit sie das System besser verstehen. Ich glaube, dass diese Transparenz geboten ist – bei diesen komplexen Studienmodellen, die hier nun mal eingeführt wurden.
Trotz all Ihrer Mühe und dem Stress ist das LSF ja nicht so beliebt. Dass Ihre Arbeit so wenig anerkannt wird, obwohl sie eine Arbeitsentlastung für alle Seiten darstellt – frustriert das einen nicht manchmal?
Nein. Ich hab auch gar nicht den Eindruck, dass das so unbeliebt ist. Das ist mir so nicht angetragen worden. Es gibt von einigen Dozierenden weiterhin Vorbehalte, die sind zum Teil auch gut begründet. Das hängt immer auch mit der Fächerkultur zusammen. Das System kanalisiert gewisse Dinge und dann kann man als Dozent nicht mehr ausweichen, was mit den Papierscheinen sehr viel leichter war. Für diesen Kulturwandel sind aber sicherlich auch die neuen Studienmodellstrukturen verantwortlich.
Vielleicht sind Geisteswissenschaftler in dieser Hinsicht besonders schwierig?
Das kann sein. Aber es gibt so viele Dozierende, die da schnell begriffen haben, was sie zu tun haben. Ich kann nicht in deren Köpfe schauen, aber: Wenn man es ihnen erst mal erklärt hat, dann machen die meistens auch relativ bereitwillig mit. Wie sie dazu innerlich stehen, kann ich nicht beurteilen. Ich erbitte ganz klare Kritik bei den Sachen, die nicht laufen. Alles andere erkläre ich gern.
Was ist besonders an Ihrem Job?
Das ist ein sehr strukturiertes Arbeitsgebiet, was ich mache. Ich komme eigentlich aus der Wissenschaft, die zunächst einmal auch sehr strukturiert ist, aber einen stärkeren kreativen Anteil hat. Die Strukturen, in denen man ist, prägen einen. Ich habe gelernt hier, auf dieser Stelle, auf der ich schon vier Jahre bin, genauso in ganz klaren logischen Strukturen zu denken – und so auch zu antworten. Ich arbeite Anfragen so ein bisschen „roboterhaft“ ab. Die Antworten kommen manchmal relativ nüchtern rüber. Das ist aber nicht unbedingt mein Charakter, sondern eine Prägung dieses Berufes hier.
Sie haben an der Uni Siegen 2006 über Fernsehkultur promoviert. Wie wird man dann eigentlich LSF-Administrator?
Ich habe sieben Jahre am damaligen DFG-Forschungskolleg „Medienumbrüche“ gearbeitet. Dort bin ich mehr aus Verlegenheit eingestiegen, weil ich auf dem Arbeitsmarkt nichts gefunden hatte. Ich hatte nicht vor zu promovieren. Eigentlich wollte ich nach meinem Diplomabschluss 2001 schnell in den „normalen“ Arbeitsmarkt wechseln.
Weg von der Uni …
Ja. Traumjobs wären dort gewesen, wo ich Praktika gemacht hatte, etwa beim ZDF in der Planungsredaktion oder in der Landesmedienanstalt als Referent für privates Radio. Ich habe auf dem Arbeitsmarkt aber nicht das gefunden, was ich suchte. Da hat mich Herr Kreimeier angesprochen, der damalige Professor für Mediengeschichte, ob ich in seinem Projekt des neugegründeten Forschungskollegs mitarbeiten wollte. Das war eine Halbtagstätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter und es bot sich an, nebenbei zu promovieren. Auch das brauchte ich als Erfolgserlebnis nach den vielen Absagen, die ich ein Jahr lang erhalten hatte, als es nicht weiterging. Das Forschungskolleg hat sieben Jahre großen Spaß gemacht, aber es lief aus und wurde für die damals angedachte dritte Planungsphase nicht weiterbewilligt von der DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft). So habe ich mich 2009 in Siegen beworben, weil ich hier auch meine Wohnung habe, auf eine Stelle, die neu ausgeschrieben wurde, weil der ehemalige Fachbereich 3 das LSF einführen wollte.
Ich dachte, das LSF habe es schon immer gegeben …
Nein, das ist mit Planungsvorlauf und von der Verwaltung Mitte der Nullerjahre initiiert worden. Vor vier Jahren gab es dann einen Testlauf des Prüfungsmoduls innerhalb des breiter angelegten LSF. Ich bin Mitte 2009 eingestellt worden und habe mich in diese Materie eingearbeitet. Ich hatte davon wenig Ahnung. Ich kannte natürlich die Studiengänge und war ja auch Kind der Uni Siegen. Ich musste mich in diese Programmierproblematiken hineinfinden, in Kooperation mit dem Dezernat 2, der Univerwaltung. So sind wir Schritt um Schritt daran gegangen, das System zu verbessern. Das war am Anfang ganz schlecht, hat hinten und vorne nicht gepasst. Eine meiner Aufgaben war es, dieses System von der Benutzerseite aus zu verbessern.
Wie denn?
Ich kann nicht programmieren, aber die Verbesserungsvorschläge erarbeiten und der Programmierabteilung weiterleiten. Wir haben damals zwei Jahre eigentlich nur mit Testläufen verbracht und einige Dozenten überzeugen können, daran teilzunehmen. Das waren nicht viele, zwischen zehn und zwanzig – von etwa hundert Dozierenden am damaligen Fachbereich 3.
War auch Ablehnung da?
Ja, es gab Skepsis gegenüber dem System, gegenüber den Vorteilen und auch dem Sinn und Zweck des Ganzen. Ich habe in dieser Testphase vier Mal eine Rundmail geschrieben, mit der Bitte um Beteiligung und im Durchschnitt waren es dann 15 Dozierende, die sich beteiligt haben. Der Rest hat erst mal abgewartet. Was ja auch kein völlig falscher Schritt ist, abzuwarten, wie das bei anderen Kollegen läuft, und sich dann eine eigene Meinung zu bilden …
Sie haben geforscht und gelehrt – haben Sie nicht manchmal Lust, wieder Lehrveranstaltungen zu geben oder in die Forschung einzusteigen?
Lust hätte ich schon, aber die Hochschulstrukturen erlauben das nicht. Ich bin jetzt angestellt für die Betreuung des LSF, und das ist ein Vollzeitjob. Am Anfang, als die Testphase noch lief, habe ich noch ein paar Veranstaltungen gegeben. Das hat Spaß gemacht, aber seit die Testphase vorbei ist, gibt es kein Zeitfenster mehr für mich, in dem ich das realisieren kann. Es hat mir immer Spaß gemacht, Wissen zu vermitteln und Leute für ein Thema zu begeistern. Aber mein beruflicher Lebensweg hat da jetzt ’ne andere Kurve genommen. Ich kann mir aber vorstellen, immer mal wieder einen Lehrauftrag anzunehmen – sehr gern!
Sie vermitteln ja immer noch – nur andere Sachen …
Genau, das macht mir auch Spaß. Ich freu mich immer, wenn Studenten in mein Büro kommen und wenn’s ein bisschen persönlicher wird. Meistens beantworte ich die Anfragen ja über Mail. Ich könnte nicht jeden Fall persönlich besprechen. Dann wäre hier eine Schlange vorm Büro und die Leute müssten ewig warten. Aber wenn mal jemand kommt, dann lerne ich die Studierenden so auch kennen. Und von denen habe einen sehr guten Eindruck – ich sage das jetzt nicht, weil ich gerade ein Interview für die LiteraListen gebe! Die Studierenden stellen ihre Fragen präzise, sie sind nett, sie sind aufgeschlossen dem System gegenüber. Ich habe nicht den Eindruck, dass sie von Anfang an mit der Einstellung kommen: „Das System ist scheiße und ich will eigentlich nicht mitmachen und ich such jetzt mal irgendeinen Grund dafür, dass ich’s auch nicht muss.“ Diesen Eindruck hab ich überhaupt nicht.
Sondern?
Es ist keine repräsentative Umfrage, aber nach dem, was ich mitkriege, begrüßt die Mehrheit der Studierenden, dass sie jetzt nicht mehr extra für einen Schein zur Sprechstunde kommen müssen. Stattdessen bekommen sie das sozusagen in Echtzeit übermittelt, egal wo sie sind. Sie müssen nicht in den Sommerferien zur Uni kommen, um ihre Note „abzuholen“, sondern die Studierenden sehen sie im System. Sie müssen sich nur ein Mal anmelden und auch keinen Schein mehr runterladen und ausfüllen.