Interview mit Tobias Müller und Daniel Müller von „Outline Development“
von Franziska Elsner
In diesem Jahr feiert das Entwicklerstudio „Outline Development“ 20-jähriges Firmenjubiläum. Die Brüder Tobias Müller und Daniel Müller haben schon die ein oder andere aufregende Produktion hinter sich. So zählen zu ihren bekanntesten Spielen „Frag doch mal… die Maus“, „Urmel – Das Partyspiel!“ und „Peter Lustigs Verkehrsschule.“ Zunächst konzentrierte sich das kleine Familienunternehmen auf Kinderspiele für PC, während mittlerweile auch eine bunte Palette von App-Umsetzungen sehr bekannter und renommierter Brettspiele zu ihrem Repertoire gehört. Etwa 4 – 6 Spiele erscheinen ungefähr pro Jahr – und das mit Erfolg. Im Oktober erschien ihre neueste App-Umsetzung des preisgekrönten Brettspiels „Camel Up“. „Outline Development“ wurde bereits mehrfach mit dem Deutschen Entwicklerpreis ausgezeichnet. Für mehr Infos klickt euch rein unter www.outline-development.de!
App-Entwicklung – ein wirklich interessantes und vielseitiges Berufsfeld! Das dachte sich auch Franziska von den LiteraListen und hat sich mit dem Geschäftsführer und Programmierer Tobias Müller und dem Screendesigner Daniel Müller zum Interview getroffen.
Was fasziniert dich persönlich an der Entwicklung von Apps?
Tobias Müller: Wir entwickeln bereits relativ lange Spiele und das Besondere an Apps ist, dass man die Möglichkeit hat, ein riesengroßes, weltweites Publikum selbst zu erreichen. Also, früher ging es immer nur über einen Verlagspartner und dann auch erst einmal in Deutschland in den entsprechenden Fachgeschäften wie Media Markt oder Saturn. Jetzt kann man quasi von zu Hause aus eine App veröffentlichen und weltweit über hundert Ländern in unterschiedlichen Sprachen erreichen. Abgesehen von der großen Reichweite, ist es natürlich auch interessant, dass man aus der ganzen Welt Feedback zu den Apps erhält.
Digitale Spiele allgemein sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Das heißt es ist ein Medium, das von Jung bis Alt alle erreicht.
Warum seid ihr nach euren Anfängen in der PC-Branche dazu übergegangen, schwerpunktmäßig Apps zu entwickeln und den Schwerpunkt auf Brettspiele zu setzen?
Tobias Müller: Für uns als kleineres Studio eröffnete der Übergang zur App-Entwicklung die Möglichkeit, die Kunden selbst zu erreichen, während sogenannte „Boxed“ Produkte nur über einen Verlagspartner und eine Listung im entsprechenden Fachhandel an den Mann oder die Frau gebracht werden können.
Daniel Müller: Außerdem ist es so, dass die Spiele, die wir machen, nicht mehr im Saturn oder auch Media Markt zu finden sind. Früher hatte Saturn eine Kindersoftware-Ecke oder einen Bereich für Casual-Games, doch heute findet man solche Spiele kaum noch. Als App funktionieren solche kleineren Spiele wesentlich besser.
Tobias Müller: Die Konzentration auf die Brettspiele hat sich dann eher zufällig ergeben, weil das auch ein Geschäftsbereich für uns war. Wir sind beide brettspielbegeistert und waren uns sicher, dass viele Brettspiele gut als Apps funktionieren könnten. Während es früher diesen Trend noch nicht so stark gab, ist es mittlerweile so, dass alle großen Brettspielverlage im digitalen Bereich tätig sind. Es gibt immer auch kleinere und mittelgroße Verlage, die es sich nicht leisten können, ein eigenes Unternehmen für Apps zu gründen, aber dann Partner suchen, die die digitale Umsetzung in die Hand nehmen. Da kommen wir dann ins Spiel. Das war eine ganz gute Marktlücke für uns, in die wir gut reinpassen.
Welche groben Arbeitsschritte sind für die Entwicklung einer App wie „Camel Up“, die Umsetzung eines preisgekrönten Brettspiels, notwendig?
Tobias Müller: Der erste Schritt ist immer die Prüfung, ob das Brettspiel technisch für eine Umsetzung als App geeignet ist und ob sie auf dem Markt funktionieren könnte. Dazu spielen wir die Brettspiele immer auch selbst mehrere Male und überlegen uns schon einmal die ersten Mechanismen. Anschließend fangen wir sehr oft mit einem grafischen Ansatz an. Während ich mir schon einmal überlege, wie man das von der Programmierung her logisch lösen kann, startet Daniel meistens mit den Artworks und dem Grafikmaterial. Darauf folgen eine Projektplanung und die Erstellung eines Gamedesign-Dokuments, das die groben Spielmechanismen festlegt. Dann setzen wir uns an die Programmierung, um uns im letzten Schritt die Meinungen von Testern einzuholen, mit deren Hilfe wir die letzten Fehler beheben und Verbesserungen vornehmen. Letztendlich geht es dann in der Endphase natürlich auch um Marketing, also Pressearbeit und Werbung. Außerdem ist es auch wichtig, sich über das Datum der Veröffentlichung Gedanken zu machen.
Wenn wir jetzt zum Beispiel „Camel Up“ nehmen. Dort muss man ja ein Kamelrennen gewinnen und dafür auch Kamele übereinander stapeln. Mal ganz amateurhaft gefragt: Wie bringt man denn dem iPad bei, dass es bei einem Klick die Kamele stapeln und nicht überlappen soll?
Tobias Müller: Ich bemühe mich immer, die Programmierung möglichst modular aufzubauen, das heißt bei solch einem Kamel fängt man beim Programmieren erst einmal damit an, dass es überhaupt auf dem Bildschirm erscheint. Ich nehme dann Daniels Grafik und gebe ein, dass das iPad das Kamel in der Mitte des Bildschirms anzeigen soll. Speziell bei Camel Up gibt es die Gesetzmäßigkeit, dass die Kamele übereinander stehen und dann muss man darüber ein wenig physikalisch-technisch nachdenken. Also, die Kamele haben eine bestimmte Höhe und der Abstand vom ersten bis zum zweiten Kamel ist gleich groß, da die Figuren ja alle gleich hoch sind. Ich stelle dann ein, dass er ein zweites Kamel anzeigen soll, das durch den bestimmten Abstand so aussieht, als würde es auf dem anderen stehen. Dann hat man schon ein paar Grundlagen. Man hat dann den Befehl „Zeig das Kamel an!“ und einen, der sagt „Zeig das Kamel auf dem gleichen Feld in einer bestimmten Höhe an!“, sodass es über dem anderen Kamel sitzt. Auf diese Weise kann man sich mit den einzelnen Bausteinen einen Befehlssatz zusammenstellen, sodass man hinterher sagen kann „Stell die Kamele so auf, wie die Würfel gefallen sind!“
Wenn die Grundlagen abgeschlossen sind, muss man sich damit beschäftigen, wie der Computer spielen soll, wenn er als Gegner eingestellt wird. Wie spielt er möglichst gut ohne unschlagbar zu sein usw. Denn die KI (= künstliche Intelligenz) rechnet ja die Wahrscheinlichkeiten aus, welches Kamel wohl am ehesten gewinnen könnte, muss aber auch mal falsch liegen, um den Spielern eine Chance zu geben.
Was genau ist die Aufgabe und Herausforderung eines Screendesigners?
Daniel Müller: Speziell bei App-Umsetzungen von Brettspielen ist es meine Aufgabe, das Material, das ich von dem Verlag oder dem zuständigen Grafiker, der das Original-Brettspiel illustriert hat, angeliefert bekomme, in der entsprechenden Auflösung und Anordnung auf das iPad zu bringen. Denn es ist schließlich nicht damit getan, das Spielbrett genauso wie es ist, auf dem iPad darzustellen, sondern dort muss noch Platz für Punkteanzeigen usw. sein. Meine Aufgabe ist dann zu überlegen, wo diese Anzeigen am besten hinkommen und wie sie grafisch aussehen sollen. Manchmal kann ich dafür einen Teil der angelieferten Grafiken nehmen, aber häufig muss ich auch selbst kreativ werden und nach Lösungen suchen. Außerdem sollte es ein dreidimensional-anmutender Spielplan sein und so musste ich Teile der Landschaft, in der sich die Kamele bewegen, selbst nachbauen.
Wenn die App einmal fertig ist, müssen ja auch noch Sounds eingebaut werden. Wie funktioniert das? Erzeugt ihr alle Sounds selbst oder greift ihr auf eine Datenbank zu?
Daniel Müller: Sowohl, als auch. Wir haben eine Sound-Bibliothek aus vierzig CDs, die wir vor einigen Jahren gekauft haben und es gibt Internetseiten, von denen man sich Sounds downloaden kann. Bei Camel Up war es allerdings so, dass ich sehr viele Sounds selbst erzeugt habe, da sie einfach zu speziell waren, um sie in einer Datenbank finden zu können. Zum Beispiel kann der Spieler verschiedene Plättchen legen, die auch ein bestimmtes Geräusch erzeugen. Also, habe ich mir ein solches Plättchen vor das Mikro geholt.
Bei unserem ersten PC-Spiel „Karlchen und Karoline“ mussten wir beispielsweise auch richtig kreativ werden, da die beiden Charaktere dort in einer Filmszene in einer Lore fahren. Das Geräusch einer Lorenfahrt gab es aber nirgends und so hatten wir die Idee, eine Metallhantel über den Fußboden rollen zu lassen. Dies ergab dann mit einem Hall und als Loop das passende Geräusch.
Bevor die fertige App im App-Store landet, wird sie ja ausführlich getestet. Wie funktioniert diese Phase mit den Beta-Testern? Kriterien?
Tobias Müller: Mittlerweile können die Tests sehr weiträumig durchgeführt werden, da das Ganze häufig über das Internet abläuft. Auf unserer Homepage kann man sich als Beta-Tester anmelden und wird dann von uns kontaktiert. So haben wir mit der Zeit einen Pool von Leuten gesammelt, die teilweise Android- und teilweise Apple-Geräte haben und die wir immer wieder anrufen können. Die Ergebnisse der Tests werden online in den sogenannten „Bugtracker“ eingetragen. Es gibt also Feedback von Testern über ganz einfache, grafische Fehler oder eine Anzeige steht zu weit rechts, aber auch über komplexe Vorschläge hinsichtlich der technischen Aufmachung usw. Je mehr Tester, desto besser.
Ist es schwierig, eine App in den App-Store zu bekommen? Welche Kriterien gibt es da?
Tobias Müller: Um ein Entwicklerkonto einzurichten, muss man sich nur anmelden und eine Kreditkarte zur Verfügung haben. Das ist also relativ einfach, aber die Mitgliedschaft kostet einen bestimmten Jahresbetrag. Im App-Store ist es dann so, dass jeder Store-Betreiber andere Richtlinien hat, um dort Apps veröffentlichen zu können. Dazu gehören technische Anforderungen, aber auch Jugendschutz usw. Außerdem wird jede App erst einmal einer Prüfung unterzogen, die in der Regel 6-8 Tage dauert. Bei Google ist die Anfangshürde etwas niedriger, aber auch da werden Spiele, die eventuell gegen die Richtlinien verstoßen, nach einiger Zeit entfernt.
Warum kommen viele Apps erst für iOS und dann für Android oder gar nicht für Android heraus?
Tobias Müller: Dafür gibt es zwei Hauptgründe. Zum einen sind Apple-Kunden in der Regel etwas zahlungsfreudiger als Android-Nutzer. Dadurch lohnt es sich einfach mehr, erst einmal für iOS zu entwickeln, da die Spiele ja sowieso alle sehr niedrigpreisig sind. Schließlich ist es wichtig, das Geld, das man in ein Projekt gesteckt hat, erst einmal auch wieder herauszubekommen. Aus diesem Grund ist das Risiko, eine App für Apple-Nutzer zu entwickeln, etwas niedriger als für Android-Nutzer. Zum anderen ist der technische Aufwand etwas geringer, weil der Android-Markt sehr fragmentiert ist, das heißt, es gibt sehr viele unterschiedliche Geräte mit verschiedenen Bildschirmformaten und Betriebssystemen. Deswegen versuchen es die Entwickler erst einmal auf iOS und wenn das gut läuft, entscheiden sie sich möglicherweise noch für Android, da natürlich auch dieser Markt aufgrund vieler Nutzer interessant ist.
Was würdest du jungen Menschen raten, die sich ebenfalls für die Programmierung oder Gestaltung von Apps interessieren und gerne beruflich in diese Richtung gehen würden?
Tobias Müller: Wenn man als Angestellter in die Branche einsteigen will, kann man sich nach einem Informatikstudium o.ä. natürlich einfach mal bei den Studios als Junior-Programmierer bewerben. Wenn man noch nicht so genau weiß, in welche Richtung man gehen möchte, kann man als Tester irgendwo einsteigen. Da hat man die Chance, in die Studios reinzuschuppern, mitzureden und erste Ideen einfließen zu lassen. Letzten Endes kann man sich dann in andere Bereiche hocharbeiten. Tester werden immer gesucht und wenn man in der Lage ist, ein gutes und professionelles Feedback zu geben, kann das durchaus ein guter Einstieg in die Branche sein. Eine weitere Möglichkeit ist natürlich, sich selbstständig zu machen, da es immer Spielideen gibt, auf die noch niemand gekommen ist. Dabei muss man nicht unbedingt ans Gründen denken, denn dafür braucht man ordentlich Startkapital, Mitarbeiter etc. Stattdessen kann man das Programmieren ja durchaus als Nebentätigkeit ausüben, weil ja auch der Zugang zu entsprechenden Programmen und auch zum App-Store nicht so schwierig sind.
Welche Begabungen sollte ein Programmierer oder ein Screendesigner mitbringen?
Tobias Müller: Als Programmierer ist es wichtig, Interesse für Mathematik, Physik und Technik zu haben. Man muss natürlich kein Diplom-Physiker sein, aber ein wenig physikalisches und technisches Verständnis sind durchaus notwendig. Es kann von Vorteil sein, wenn man abstrakt und um die Ecke denken kann, weil ein Programmierer nun einmal eine Vorstellung davon haben muss, wie sich das Spiel hinterher verhalten soll und welche Lösungswege es dafür gibt.
Daniel Müller: Ein Screendesigner muss da ganz andere Qualitäten haben. Er sollte mit gängigen Grafikprogrammen umgehen können, kreativ sein und ein gutes Auge für Gestaltung haben. Ein Gefühl für Farben und Formen ist wichtig. Zudem ist es durchaus von Vorteil, wenn der Screendesigner ein bisschen Ahnung davon hat, was der Programmierer so treibt, um zu wissen, welche Grafiken warum wie benötigt werden. Nur so kann man das bestmögliche Ergebnis erzielen.
Welche Ausbildung wird benötigt, um in die Branche einsteigen zu können?
Tobias Müller: Ein Einstieg ist ganz vielfältig möglich. Man kann natürlich Informatik oder Medieninformatik studieren. Da gibt es sehr viele Studiengänge, die infrage kommen. Mittlerweile gibt es ja sogar staatliche und private Hochschulen, die Gamedesign als Studiengang anbieten, was auch sinnvoll sein kann. Es muss aber nicht unbedingt ein Studium sein. Es besteht nach wie vor die Möglichkeit, eine Ausbildung zum Fachinformatiker oder Mediengestalter zu machen. Diesen Weg ist beispielsweise Daniel gegangen.