von Gabriele Unruh
Zur Studiensituation an der Uni Siegen
Die Universität Siegen zählt seit diesem Semester 18.551 Studierende. Eine Uni mit vielen Studierenden hat prinzipiell Vorteile: Es gibt ein breites Angebot von Kursen, der Campus erscheint urbaner und auch die Vielfalt unter den Studierenden wächst. Doch habe ich das Gefühl, dass zwar die Zahl der Immatrikulierten steigt, die Universität aber nicht mitwächst. Der Haupt-Komplex auf dem Haardter Berg wurde 1972 gebaut und ist für etwa 8.000 Studierende ausgelegt. Es wurde immer wieder erneuert, saniert und umgebaut und seit 1995 gehört auch das ehemalige Standortlazarett unter dem Namen Emmy-Noether-Campus zur Bildungsstätte. Aber an allen Ecken und Enden sticht es ins Auge: Die Universität hinkt hinterher. Zum Beispiel habe ich vorletztes Wochenende ein Seminar besucht, bei dem ich den gesamten Samstag auf der Treppe eines Hörsaals sitzen musste, weil es nicht ausreichend Sitzplätze für alle Teilnehmer gab. Dort hatte ich eine wunderbare Aussicht auf die Schuhe meiner Kommilitonen. Den Dozenten jedoch konnte ich kaum erkennen.
Mir ist bewusst, dass es ein Privileg bedeutet, die Bildung einer Universität zu genießen – doch kann man in solchen Situationen kaum von einem „Genuss“ sprechen: Nach sechs Stunden auf der Treppe mit dem Block auf den Knien schmerzen Rücken und Steißbein. Veranstaltungen werden abgebrochen, Dozenten halten das Gedränge im Hörsaal für untragbar. Zum Teil sind sie selbst schuld: Viele lassen zu viele Teilnehmer zu. Denn wenn Studierende abgelehnt werden, müssen sie die Kurse in einem anderen Semester nachholen, was automatisch zu einer Verlängerung der Studienzeit führt.
Seit diesem Semester hat der Prodekan für Studium und Lehre der Philosophischen Fakultät I, Professor Dr. Rainer Leschke, veranlasst, dass in manchen Räumen die Tische entfernt werden, damit mehr Stühle und damit auch mehr Teilnehmer reinpassen. Für ein angenehmes Lernklima sorgt das nicht: Es können keine vernünftigen Notizen entstehen und der Geräuschpegel ist erheblich erhöht. Die Luft in den maßlos überfüllten Räumen ist stickig, die Konzentration fällt schwer. Davon abgesehen ist kein Brandschutz gewährleistet, Dozenten haften selbst dafür, wenn eine Evakuierung wegen Überfüllung nicht möglich ist.
Auch bei studentischen Arbeitsbereichen herrscht extremer Platzmangel. Zwar steht die Mensa seit dem vergangenen Semester als Aufenthaltsraum zur Verfügung, doch ist dort der Lärmpegel besonders hoch und während der Essenszeiten ist der Raum überfüllt. Die Bibliothek bietet für Teamarbeit ebenfalls kaum Platz.
Die Verantwortlichen müssen sich eingestehen, dass in den letzten Jahren vieles schiefgelaufen ist. Die Verlagerung von Teilen der Universität in das Untere Schloss zum Wintersemester 2014/2015 ist allerdings ein erster Schritt zur Besserung und wird für Entspannung am Haardter Berg sorgen.