von Johannes Herbst
Eigentlich wollte ich – aufgrund eines kreativen Lochs – in dieser verspäteten Wortmeldung verschiedenste BILD-Überschriften sammeln und ohne Abstände aneinanderhängen. Das hätte dann ungefähr so ausgesehen:
ProfiGamerhabenÄrgerwegenPorno-SponsorE-Sport-LigasperrtYouPorn-TeamVater hacktVergewaltigerbeideArmeabJägertötetEinbrechermitKopfschussHatteJay-ZwasmitRitaOuraMysteriösesWeseninIndonesienentdeckt
Als ich merkte, dass die Idee doch nur halb so clever war wie ich dachte und auch die nicht-leserfreundliche Formatierung zur Attraktivität der Wortmeldung nicht gerade beiträgt, brach ich dann doch nach der vierten Schlagzeile ab und kurbelte nochmal neu. Die Bild.de-Homepage noch geöffnet. „Mysteriöses Wesen in Indonesien entdeckt“. Irgendwie hatte die letzte Überschrift ihren Zweck erfüllt und die rechte Maustaste wurde heruntergedrückt als der Pfeil auf dem Wort „Wesen“ lag. Was ich zu sehen bekam:
http://www.bild.de/video/clip/kreaturen/monster-aus-indonesien-45511454.bild.html
… Naja. Ein Haufen drängender und drückender Asiaten halten Ihre Kameras auf ein, nun ja, „Wesen“, was augenscheinlich kein Spaß an der Sache hat und gequält über den Tisch zuckt. Als ungeübter Hobby-Zoologe bleibt mir auch eine genauere Spezifikation dieses Klumpen Lebens versagt. Aber einen Dämon habe ich mir doch anders vorgestellt. Für mich war diese Geschichte dann eigentlich auch schnell abgehakt. Jedoch! Ein paar Klicks weiter, auf der wahrscheinlich bekanntesten Videoplattform, wurden meiner gläsernen Internetpersönlichkeit plötzlich seltsame Clips vorgeschlagen. Titel wie „5 unerklärliche Dinge, die tatsächlich gefilmt wurden“ „The creepiest Alien Creatures caught on tape“ „Die 20 unheimlichsten Orte der Welt“ „10 unexplained Photos of all time“ oder „Top 10 Angels caught on Tape flying“ belagerten meinen Bildschirm und bekamen dann auch ihre geforderten Klicks von mir. Neben der Neigung alles in Ranglisten zu ordnen und der inflationären Verwendung des Superlativs einigte die Clips noch eine Gemeinsamkeit: Mutmaßungen, zittriges Videomaterial, fadenscheinige Gerüchte und ein unzufriedener Zuschauer. Meist gilt das an Churchills Zitat angelehnte Motto: Trau keinem Video, dass du nicht selbst gefälscht hast. Par Excellence verdeutlichte dies der derzeit im Fadenkreuz stehende Jan Böhmermann mit seinem Video zur Varoufakis-Stinkefinger-Affäre. Auch der ethnografische Filmer Paul Wolffram spielt in seiner Dokumentation Stori Tumbuna. Ancestors‘ Tales mit dieser Thematik, indem er die Mythengestalt einer Stammesgemeinschaft aus Papua Neuguinea zum Leben erwecken lässt, dass man selbst als aufgeklärter Zuschauer ins Zweifeln gerät. Die oben aufgezählten Youtube-Videos haben ein paar hunderttausend Aufrufe, die englischsprachigen knacken sogar meist die Millionen-Marke. Doch worin besteht der Reiz auf solch ein Video zu klicken? Erwartet man wirklich dort den Beweis für Geister, Monster, Aliens und Co. zu bekommen, den die Regierung (welche ist egal) schon lange kennt, ihn aber der Öffentlichkeit unter Verschluss hält? Ist es die Hoffnung, dass wir nicht alleine da draußen sind, dass es mehr gibt als das, was durch Wissenschaft erklärt werden kann, dass es etwas gibt an das man nur glauben kann und dass dieser Glauben mit ein wenig schwammigen oder offensichtlich gephotoshopten Bildern am Leben gehalten wird? Spannend ist es, keine Frage, aber nach nur drei dieser Clips wurde es auch schnell langweilig. Aufnahmen wiederholen sich und auf einen überzeugenden Beweis für irgendeine der „mysteriösen Ereignisse“ hofft man vergeblich.
Da lege ich mich doch lieber bei diesen Temperaturen in den Wald, beobachte Insekten und sehe damit genug „Wesen“, die abstruser als die meisten Aliens in meiner Phantasie aussehen. Oder schaue einfach nur auf das kleine Stück Planet um mich herum und genieße das unerklärliche Gefühl meiner eigenen Existenz, das ist schon kompliziert genug. Der Sinn dieser Wortmeldung bleibt ebenfalls ein nebulöses Mysterium, dass nur in den Kornkreisen der Aliens zum Tragen kommen kann. Vielleicht bleibt am Ende nur zu sagen, geht raus und genießt euch und das schöne Wetter.