von Natalie Meyer
Wieder ist ein berühmter Literat gestorben. Zugegeben: Der Tod von Marcel Reich-Ranicki und Günter Grass haben mich mehr berührt. Denn von Peter Härtling (1933-2017) kenne ich nur ein einziges Buch. Ben liebt Anna.
Eine kurze Recherche zeigt: Das wird seinem Lebenswerk nicht ganz gerecht, hat er doch den Jugendliteraturpreis 1976 verliehen bekommen. Bevor er zur literarischen Feder griff, war er als Journalist tätig und arbeitete sogar als Mitherausgeber der politischen und kulturellen Zeitschrift „Der Monat“ (bis 1970, die Produktion der Zeitschrift wurde 1987 eingestellt). Nur als kleiner Auszug. Ach, und eine beeindruckende Anzahl von 20 Schulen ist nach ihm benannt.
Es reihen sich in diversen Medien die üblich glorifizierenden und selten kritischen Nachrufe aneinander. Aber ich kann nur an dieses Buch denken, der Mensch dahinter interessiert mich eigentlich kaum. Auf der Buchmesse 2015 hatten wir Literalisten glücklicherweise die Möglichkeit, eine Lesung von Peter Härtling am Rande mitzubekommen. Es waren nicht viele Zuschauer gekommen, für sein neues Buch „Verdi“ schien sich auf der Messe kaum jemand zu interessieren. Und ich spähte nur ein bisschen, um den Autor hinter „Ben liebt Anna“ mal aus der Nähe zu sehen.
Aber was ist das nun für ein Buch?
Ich habe „Ben liebt Anna“ in der vierten Klasse gelesen. Es ist eine klassische Liebesgeschichte. Anna ist „Die Neue“ in der Klasse, polnische Wurzeln. Sie und Ben freunden sich an und verlieben sich.
Alles ganz klassisch. Wäre da nicht diese eine Szene gewesen, die einem Viertklässler das Blut in den Adern pulsieren lässt. Da gehen die beiden am See gemeinsam schwimmen, ziehen sich komplett aus und Anna klammert sich wörtlich an Ben wie ein Äffchen und fühlt sich dabei an wie ein Fisch. Minutenlang verharren die beiden so. Seite 78 in meiner Ausgabe ist deshalb ziemlich ausgeleihert. Danke Peter Härtling, für diese beeindruckende Szene in einem Kinderbuch. Übrigens: Auf der Verlagsseite von Beltz und Gelberg wird es für Schüler im Alter von 8 Jahren (da sind Kinder durchschnittlich in der zweiten Klasse) empfohlen.
Trotzdem vermittelt das Buch Kindern durchaus Probleme und deren Lösungen. Kulturelle Differenzen werden aufgezeigt und der Charakter des Protagonisten Ben ist alles andere als makellos. Es dauert eine ganze Weile, bis der schüchterne Ben sich endlich traut, Anna anzusprechen. Das Buch hat mir als Kind die Intention vermittelt: Steh zu deinen Gefühlen. Das ist nach wie vor wichtig und das Buch aus diesem Grund für Kinder heute noch lesenswert. Seit 1979, dem Jahr, in dem es veröffentlicht wurde, über meine Grundschulzeit 2004 hinweg bis heute.