von Christian Bocksch
Jede Nacht kehrt der Traum wieder. Ich weiß bereits vorher, was ich sehen würde, weiß was ich tun würde, aber was ich ändern kann – weiß ich nicht.
Ich schlafe ein, um dann unnatürlich wach wieder zu mir zu kommen. Es ist ein Zustand, der sich anfühlt, als hätte man nie Müdigkeit erlebt. Trotz aller gefühlten Energie, ich warte, auf irgendetwas. Was das ist, weiß ich schon gar nicht, die Frage an sich erscheint mir unsinnig, da wartet im Nichts versteckt das nur allzu Bekannte. Dann endlich meldet sich das Telefon, klingelt wie so oft, dass mein Körper wie ein Computerprogramm die Bewegungen ausführt und mich zum Ursprung des Geräusches trägt. Ich hebe ab, und höre der Stimme zu, obwohl ich doch weiß, was sie sagen wird. Ich lege auf, und beginne Sachen zu packen, denn SIE wird aus dem Krankenhaus entlassen, und ich werde sie abholen. Die beiden Koffer trage ich mit einiger Mühe zu dem Auto, wobei mir ihre Größe bei dem Einladen am meisten Probleme bereitet. Ich starte den Motor und fahre los, durch eine leere Stadt, danach über Land ohne wahrnehmbare Reize. Die kleinen Ortschaften zwischendurch nehme ich nicht wahr, der Blick ist auf das Ziel gerichtet. Dann steht der Wagen auf dem Parkplatz, die Koffer in beiden Händen, stürme auf ihr Krankenzimmer zu. Durch eine Empfangshalle, über das Treppenhaus, zweite Etage. Die Tür des Zimmers steht offen, es ist niemand zu sehen, auch nicht in dem Schwesternzimmer. Was Tatsache ist, wird zu einem Gefühl, allein sein, und was ebenso schlimm ist, keine Aufgabe mehr zu haben, seinen Wert verloren zu haben.
Jetzt wache ich wirklich auf, blicke einige Momente in die Dunkelheit, um glauben zu können, wach zu sein. Wieder warte ich auf das Telefon, aber es bleibt unsichtbar. Ich weiß, dass mich niemals wieder jemand anrufen wird, um SIE aus einem Krankenhaus abzuholen. Ich weiß, dass ich niemals wieder die Koffer für sie packen müsste.
Aber jede Nacht kehrte der Traum wieder. Ich weiß was ich sehen werde. Ich weiß was ich tun werde. Das ist sicher.