Rezension zu Margos Spuren von John Green
von Michael Fassel
Eine Leiche am Rande eines Spielplatzes in einem amerikanischen Vorort – diese Entdeckung macht der zehnjährige Quentin mit seiner besten Freundin Margo. Beide reagieren mit kindlicher Unvoreingenommenheit auf ihren Fund: „Ich wusste natürlich, dass es keine Zombies gab, aber er sah so aus, als könnte er doch einer sein“, so der Ich-Erzähler und Protagonist Quentin im Prolog des vielversprechenden Jugendromans von John Green. Mit Margos Spuren hat er 2008 seinen dritten Roman vorgelegt, der zwei Jahre später von Sophie Zeitz in Deutsche übersetzt und im Hansa Verlag veröffentlicht wurde. Am 30. Juli lief die Verfilmung in den deutschen Kinos an.
Der 1977 geborene John Green, der mit dem Krebsdrama Das Schicksal ist ein mieser Verräter einem breiteren Publikum bekannt geworden ist, versteht es in Margos Spuren sich in die Welt der Jugendlichen einzufühlen. So bedeutungsvoll der Leichenfund auf den ersten Seiten erscheinen mag, so spielt er in der Haupthandlung, die neun Jahre nach dem Prolog angesetzt ist, keine tragende Rolle. Vielmehr legt der Autor nach dem Zeitsprung den Fokus auf die Beziehung zwischen Quentin und Margo, die inzwischen kurz vor ihrem Schulabschluss stehen. Beide vereint nach wie vor der grausige Fund neben dem Spielplatz, aber auch ein Rachefeldzug gegen Margos ehemalige Freunde, von denen sie enttäuscht wurde. So unterstützt Quentin sie bei ihren Streichen und kommentiert auf eine erfrischend humorvolle Art die Aktionen: „Wir verteilen tote Fische in der Stadt, schlagen ein paar Fenster ein, machen Nacktfotos und hängen morgens um Viertel nach drei in Hochhauslobbys herum, das Übliche.“
Der Humor des Ich-Erzählers sowie die Dialoge zwischen ihm und seinen zwei Freunden Ben und Radar durchziehen auch die beiden weiteren Kapitel des Romans. Zu Beginn des zweiten Teils verschwindet Margo wenige Tage vor der Zeugnisverleihung, aber nicht spurlos. Ihre Eltern zeigen sich nicht besorgt, sondern genervt, da es schon mehrmals vorgekommen ist. Quentin, der behauptet bereits mit neun Jahren in sie verliebt gewesen zu sein, ist davon überzeugt, dass sie ihre Spuren so gelegt hat, dass er sie wiederfinden kann. Gemeinsam mit seinen Freunden Ben, Radar und dessen Freundin Lacey begeben sich die vier auf einen Roadtrip durch die USA. Eine moderne Schnitzeljagd beginnt, in der das Internet, insbesondere das Portal Omnictionary eine wichtige Rolle spielt.
Jede Stunde Autofahrt umfasst ein kurzes, meist einseitiges Kapitel. Die Sorge um Margo scheint zwar nach Überlegungen, ob sie noch lebe, stets präsent zu sein, aber der humorvoll-plauderhafte Unterton des Ich-Erzählers sowie die Etablierung des Running Gags von Bens schwacher Blase während der Fahrt lassen ein Happy End erahnen. Noch vier Stunden bevor er mit seinen Freunden die fiktive Stadt Agloe, in der sich Margo offenbar aufhält, erreicht, beschreibt Quentin die Autobahnen: „McDonald’s, BP-Tankstellen, Burger King. Ich weiß, ich sollte das nicht gut finden und mich stattdessen nach glücklichen Zeiten sehnen, bevor es Autobahnen gab, damals als man an jeder Ecke mit Lokalkolorit und ortstypischer Folklore belohnt wurde.“ Zweifelsohne machen solche Kommentare Quentin sympathisch und als Ich-Erzähler entwickelt er sich zu einem fiktiven Kumpel für die Leser. Der Ernst der Situation wird dabei jedoch nicht greifbar.
Im letzten Viertel des Romans wechselt jedoch der Ton, nachdem Quentin Margo wiedergefunden hat. Die Qualität ihrer Dialoge ist geradezu philosophisch und der Ich-Erzähler nachdenklich, als er sein persönliches Bild von Margo relativiert: „Die Vorstellung ist nie vollkommen. Man kann sich nicht ganz in einen anderen Menschen hineinversetzen.“ Dies überträgt er auch auf den toten Mann im Prolog, den er „nie als echten Menschen“ gesehen hat und „dessen Saiten reißen.“ Das Bild der gerissenen Saiten ist eine gelungene Metapher für die geheimnisvolle Margo, die für Quentin und den Leser nach wie vor rätselhaft bleiben dürfte. John Green traut seinem jugendlichen und adoleszenten Zielpublikum viel zu, wenn er seine Protagonisten über das Leben und die Frage, wer sie eigentlich sind, sinnieren lässt: „,Wann haben wir uns das erste Mal richtig wahrgenommen?‘“, fragt Margo und antwortet direkt: „,Als du durch meine Risse gesehen hast und ich durch deine. Davor haben wir nur die Bilder angesehen, die wir voneinander hatten, so wie ich deine Rolle angesehen habe, aber nie dahinter.‘“
Der Jugendroman ist eine Mischung aus Jugendkrimi, Lovestory und Roadtrip und erzählt auf unterhaltsame Weise und kitschfrei vom Erwachsenwerden. Insgesamt stechen besonders Anfang und Ende des Romans hervor. Der zweite Teil beinhaltet teilweise Längen, die zuweilen ausufernden Dialogen geschuldet sind. Mit dem Roadtrip zu Beginn des dritten Teils nimmt der Roman buchstäblich Fahrt auf.