„Was wir können, können nur wir“

Wie sieht die Zukunft der Lokalpresse aus? Nicole Schwertner hat für ihre LKM-Bachelorarbeit André Schweins – als Leiter der Lokalredaktionen und Mitglied der Chefredaktion der „Westfalenpost“ – gefragt, welche Chancen Printberichterstattung noch hat: Sind Social Media Konkurrenz oder Ergänzung? (Teil 1 des Interviews)

Wo sehen Sie die „Westfalenpost“ in zehn Jahren? Wird es sie noch geben?
Ja, wir werden immer noch der Nachrichten-Generierer in allen lokalen Bereichen sein. Also nicht nur in Politik und Kultur. Auch im Sport und allem, was lokal ist und mein Stadtquartier betrifft. Wir werden diejenigen bleiben, die diese Nachrichten einsammeln und verbreiten.

Was ist so besonders an Ihrer Zeitung?
Die Nähe zu den Menschen. Wir setzen auf aufsuchenden Journalismus, um mit den Menschen in Kontakt zu treten. Wir setzen nicht allein auf Terminjournalismus. Das ist das Brot-und-Butter-Geschäft, das ist ganz wichtig. Aber Themen setzen ist mehr als nur nacherzählend aufzuschreiben.

Was zeichnet eine Lokalzeitung im Allgemeinen aus?
Ein kluger Leserhythmus mit klarer Abgrenzung: Wo platziere ich harte, relevante Nachrichten, wo biete ich Lesestücke, wo setze ich auf Leserdialog? Wo findet sich die Vereinsberichterstattung wieder, die ganz wichtig ist im Lokalen und Regionalen? Wenn wir die Wurzeln kappen, dann schwimmen wir wirklich. Das ist ein ganz schwieriges Feld für den Lokaljournalisten – aber Schützenfeste kann man auch moderner präsentieren!

Und wie ist momentan die Lage Ihrer Zeitung?
Wir sind in einem schrumpfenden Markt unterwegs. Das ist wie bei Brauereien: Denen geht es ähnlich, das klassische Pils verliert Anteile. Eine solche Entwicklung hat vielerlei Gründe. Unsere Aufgabe: Wir müssen uns behaupten.

Was tun Sie, um der Krise entgegenzuwirken? Haben Sie neue Formate entwickelt?
Wir haben die Optik verändert seit Sommer 2012. Wir haben einen Mini-Relaunch 2009 selbst organisiert, um Formate wie Leserdialog besser zu platzieren. Im vergangenen Jahr haben wir – als Teil unserer Mediengruppe – mit einem großen Designbüro die Ausgaben optisch überarbeitet. Dies möglichst behutsam, denn ein neues Layout empfindet der Kunde schlimmstenfalls wie Hausfriedensbruch.

Und was haben Sie da verändert?
Unter anderem sind wir heute sechsspaltig. Vorher hatten wir sieben Spalten. Das war Anfang der 1990er Jahre up to date, da wechselte man eher von sechs auf sieben Spalten. Das waren sehr schmale Spalten. Wir haben dies nun wieder geändert. Alle vier Titel unserer Gruppe haben dies so umgesetzt.

Welche Reaktionen gab es?
Den meisten Lesern ist diese Veränderung nicht aufgefallen. Dann haben wir an Linienführung gearbeitet, an klarer Abgrenzung, am Blockumbruch. Wir haben optische Elemente hervorgehoben, also Grafiken weiter fokussiert. Wir haben Meinungsabbildungen mit Schwarzweiß-Köpfen versehen, alles andere ist natürlich in Farbe.

Lokalzeitungen müssen radikal umdenken. Welche Maßnahmen sind dafür erforderlich?
Ja, umdenken schon. Wie radikal, weiß ich nicht. Der Journalismus hat sich in den vergangenen 20 Jahren schon rasant verändert. Früher belegten Lokalsportler und davor Lokaljournalisten die hinteren Plätze auf der Wichtigkeits-Skala der Journalisten. Heute sind die Kolleginnen und Kollegen mit lokalen Wurzeln und regionaler Denke gefragter denn je. Den Kontakt zu den Menschen in kleinen Orten oder Quartieren, ob nun beim Schützenfest oder beim Kaninchenzuchtverein, tatsächlich gelernt zu haben, galt früher als ziemlich piefig und verpönt. Heute ist der Dialog mit Menschen in ganz unterschiedlichen Lebensbereichen das Elixier lokaler und regionaler Medien.

Ist die Lokalzeitung die letzte Chance für den Printjournalismus?
Es gibt viele kluge und analytische Menschen, die schon 1990 für das Jahr 2000 das Ende der Tageszeitung vorausgesehen haben. Dann ist für 2010 der Abgesang angestimmt worden. Aber: Was wir können, das können auch nur wir. Die Frage ist, auf welchen Ausspielkanälen wir präsentieren, was wir erarbeiten. Da muss man gut überlegen, was man tut und wie man es tut. Sicher könnte man sagen: „Ich beteilige mich nicht an so was wie Facebook, weil das nicht seriös ist. Ich habe zwar einen Tag Rückstand, weil ich erst für morgen früh drucke, aber ich drucke das schön und das wird vielen Leuten gefallen.“  Ein solches Verkennen der Beschleunigung der Nachrichtenlage wäre tödlich. Es geht darum,  Nachrichten einzuordnen und auszuspielen – auf welchen Kanälen auch immer – mit einer lokalen, regionalen Brille: Das ist das, was wir können. Und das wird auch in Zukunft nachgefragt, ganz bestimmt.