You can go through the rest of ‚ur life without ever knowing anybody

von Alex Mosig

Nun steh ich hier am Ende meiner Zeit. Für mich jetzt sogar das Zeitlose. Der Unendlichkeit. Reflektierend kann ich nun zurück blicken. Alles vor mir wird zur Nichtigkeit. Gefühle und Impressionen, die mich im Leben begleiteten, ja teils auch geleitet hatten nun, wie in einem Vakuum erstickt. Das Eintreffen des Unausweichlichen, was unterbewusst langsam zu einem klaren Gedanken heran wuchs, ich jedoch nicht zwingend eingesehen hatte, nicht mehr zu verhindern.

Angefangen hatte dieses andersartige Empfinden vor einer Ewigkeit. Durch den Nebel der Vergangenheit wenig beeinflusst, kann ich mich an weit vergangene Gedanken entsinnen, die mein Gedächtnis durchkreuzten. Keine dauerhaften Inspirationen. Blitze, die für den Bruchteil von Sekunden vor meinem inneren Auge erschienen, sich dann aber sofort wieder auflösten.

Welche Gemütslage bestimmte in jüngeren Jahren mein Leben? Warum solche dunklen, düsteren Ideen? Denn düster waren sie. So viel mag ich mir ins Gedächtnis rufen. Wann immer mich dieses Blitzhafte durchzog, änderte sich meine Sicht auf die Welt. Hin vom Positiven zum Negativen.

Den Anstoß für all dieses zur Einsamkeit führende war wohl ein Satz gewesen „You can go through the rest of ‚ur life without ever knowing anybody“ Eine Ansicht, die mich stark prägte.

Obwohl ich nie traurig oder einsam wirkte, nicht als Außenseiter dastand, fehlte doch immer irgendetwas. Ständig begleitete mich die Angst dass ich andere enttäuschte. Die Angst vor dem Fehlschlag. Angst davor Erwartungen nicht zu erfüllen. Lähmung. Leerlauf. Stillstand.

Ich selbst, die Instanz, vor der ich mich stets zu rechtfertigen hatte. Dirigiert durch Erlebnisse der Vergangenheit, der Kindheit und der Jugend. Mutter, bei der ich nie genug geschont werden konnte. Vater, der mich durch Kritik versuchte anzuspornen. Nie konnte ich ihnen gerecht werden. Durch Kameraden und Rivalen stärker beeinflusst und geformt als es mir gut getan hätte.

Jetzt wo ich die Zeit habe, mich damit auseinander zu setzen, wird es mir bewusst. Es ist mir klar geworden. Jahrzehnte nach Erlebtem, stets die deutliche Erinnerung an Ereignisse vorhanden. Somit kann ich jetzt, in der Retrospektive Wahrheiten benennen, die damals das Blitzartige ausmachten.

Ein Erlebnis aus der Grundschule, die erste Freundin, wenn man es so nennen konnte, die mich damals, brutal wie es für Kinder üblich ist, fallen gelassen hatte. Später der Schwarm aus der weiterführenden Schule, bei dem ich nur aus Feigheit nicht mehr versucht hatte. Aus Feigheit zu versagen, meinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht zu werden und vor dem Nichts zu stehen, dass mich letzten Endes trotz aller inneren Vorsicht dennoch eingeholt hat. Leicht wäre es gewesen an einem lauen Sommerabend den Kopf zu neigen, mich in den grünen Augen der von mir Geliebten zu verlieren, den Moment zu genießen und das Wagnis eines Kusses einzugehen. Doch das, was noch Jahre später Wirkung auf mich ausübte, hat mich auch zu diesem Zeitpunkt bestimmt. Die Angst vor dem Versagen. Daraus folgend das einzig Logische: ein verpasster Augenblick aus Schüchternheit, die mich über Jahrzehnte hinweg bestimmte. Angst davor Risiken einzugehen und der damit einhergehenden Einsamkeit.

Ich hatte nicht das Glück solche Momente verblassen zu lassen. Latente Furcht hielt mich stets davon ab, den entscheidenden Schritt zu wagen, der mich vielleicht aus dem Sog der Zurückgezogenheit befreit hätte. Jedoch will ich jetzt, wo ich endlich klar sehe, nicht in der Vergangenheit haften bleiben.

Vergangenes ist nicht mehr änderbar, sondern ein festes Ereignis, eine Konstante, aus der ich hätte lernen müssen. Im Gegensatz zu anderen, die sich weiter entwickelten, stehe ich fest. Ich kann kein Glück mehr empfinden. Ich wagte es nicht Risiken einzugehen und bin nie an einen Punkt gekommen, an dem ich mich vollends verlieren konnte. An dem ich morgens neben einem Menschen aufwachte, der mir Sicherheit schenkte, die ich mir Zeit meines Daseins gewünscht hatte. Eine Person, der ich mich hätte öffnen können und die mich nicht enttäuschte. Eine Frau die mich aus meiner Depression befreite. Doch ich hatte Angst vor Enttäuschung. Zurückgehalten durch meine innere Lähmung.

Somit war alles, was über die Jahre folgte, ein Dasein unter Menschen, in dem ich mich maskierte. Ich lernte zu lachen, wenn andere lachten, ich verstand es, wenn andere fühlten, und tröstete sie, wenn sie litten. Selbst fehlte mir jedoch der Mut mich zu öffnen und mich dem Risiko der Entblößung preis zu geben. Denn innerlich ist die Furcht allgegenwärtig, das über mich geurteilt wird. Ich bin der Einzige dem es erlaubt ist, sich selbst zu sehen wie er ist. Andere würden lachen und ich würde fortan als Ausgestoßener leben. Als das enden, zu dem mich mein Verhalten jedoch unausweichlich hingeführt hat.

Das ist mir jetzt bewusst. Die Auswirkung aus diesem fehlenden Vertrauen in Menschen führte dazu, dass jegliche Beziehung im Moment des Eingehens zum Scheitern verurteilt war. Gespielte Zuneigung: Ich verstand es gut die Maske des glücklichen Partners zu tragen, jedoch nur bis zu einer gewissen Grenze. Bei Überschreitung scheiterte die Beziehung was unweigerlich zu dem führte, was ich jetzt bin. Einsam. Verlassen.

Ein Wesen, das von dunklen Gedanken erfüllt ist. Eine Dunkelheit, die alles verschlingt, was sich mir erschließt. Eine Dunkelheit, die sich Zeit meines Lebens in mir entwickelt hat. Eine Dunkelheit derentwegen ich nicht mehr auf Licht hoffen kann. Ich kann nicht mehr. Ich will nicht mehr.