„Wieviel sind wir bereit von uns preiszugeben für ein bisschen mehr Komfort und Vereinfachung?“
Von Theresa Müller
„Nach Auswertung der Daten haben wir also festgestellt, dass Sie bei den folgenden zwei Big Five den höchsten Wert haben: Offenheit, was darauf schließen lässt, dass Sie kreativ, erfinderisch und wagemutig sind und Extraversion, was darauf schließen lässt, dass Sie gesellig, freundlich und gesprächig sind“, das verrät mir der Algorithmus Illuminus anhand von 107 ausgewerteten Likes, die ich in facebook vergeben habe. Statt fand das ganze im Rahmen der interaktiven Arte-Serie Do Not Track – über das Geschäft mit unseren Daten. Bis zuletzt erschien alle zwei Wochen eine neue Folge, in die der Zuschauer aktiv eingebunden war und immer noch ist – denn die Serie veranschaulicht exemplarisch, welche Informationen über einen selbst mit jedem Klick und jedem Like gesammelt und ausgewertet werden können (z.B. durch Cookies). So ist es durch das regelmäßige Liken von Posts und Statusmeldungen auf facebook ein Leichtes, Persönlichkeitsprofile zu erstellen. Im Kontext der Serie heißt das: Ich erlaube Do Not Track den Zugriff auf mein facebook-Profil und siehe da, es zeigt mir ein Persönlichkeitsprofil an, das z.T. sehr treffend ist. Ich bin nicht verwundert, nein, eigentlich ist es mir bewusst, dass durch meine Daten im Internet gar herausgefunden werden kann, welche Zahnpasta ich benutze, falls dies jemanden interessieren sollte. Dennoch bewege ich mich weiterhin gedankenlos im Internet, stimme hier und da zu meine Daten preiszugeben und habe überhaupt eine scheinbar klare Meinung zu den Dingen: Überwachung ist schlecht und hat auch noch nie einen Terroranschlag vereitelt. Mal ganz davon abgesehen, dass wie wir seit Edward Snowden wissen, Überwachung in einem viel größeren Ausmaß betrieben wird, als wir es uns alle hätten vorstellen können. Dennoch bietet ja auch facebook gewisse Vorzüge. Es erleichtert nicht nur enorm z.B. mit geographisch weit entfernten Freunden in Kontakt zu bleiben oder immer up to date zu sein, was diese betrifft. Man kann auch wunderbar auf Veranstaltungen aufmerksam machen – wie ihr das ja von unseren Lesungen kennt – oder Lern- und Referatsgruppen bilden – wenn man denn möchte. Und genau hier hakt die Serie ein und gibt einem viele kluge Denkanstöße: Für uns erscheint die Nutzung von social-media-Plattformen kostenlos und voller Vorzüge zu sein, dabei bezahlen wir jedoch sehr teuer mit unseren Daten und unserer Privatsphäre, da die Plattformen diese Daten u.U. verkaufen und weitergeben, um uns individualisierte Werbung, durch Algorithmen berechnet (Stichwort Big Data!), auf den Rechner zu schicken. Das Ergebnis bei mir: Jeder aktuelle Zeitungsartikel, der etwas mit dem Studentenleben zu tun hat, wird direkt in meinem facebook-Newsfeed angezeigt. Neulich schlug ich einem Freund vor den Film Monsieur Claude und seine Töchter anzuschauen, da dieser schon länger im Hinterkopf als Filmvorschlag rumschwirrte. Als ich ihm von dem Film erzählte, surfte ich parallel in facebook und was erscheint da direkt auf dem Bildschirm? Genau, eine Filmempfehlung zu Monsieur Claude und seine Töchter. Da wurde mir doch etwas mulmig. Als ob facebook schon mitlauscht (wahrscheinlich durch den „Spion in der Hosentasche“) wenn ich mich mit Freunden unterhalte. Dies ist jedoch nur eine Frage, die die Serie bei mir aufwarf. Die Reihe lädt sprichwörtlich zum Reflektieren des eigenen Online-Verhaltens ein und ist doch mehr als nur ein Spiegel dessen, da sie die elementare Frage stellt: Wieviel sind wir bereit von uns preiszugeben für ein bisschen mehr Komfort und Vereinfachung? Ich befürchte, mich eingeschlossen, sehr viel.