„Geheime Kräfte“. So lautet der Titel des neuen Buches von Roland E. Koch. Kurz vor seiner Lesung am 6. Juni lüftet der Kölner Schriftsteller ein paar Geheimnisse zur Entstehung und verrät, wie wichtig Vertrauen beim Schreiben ist.
Das Interview führte Laura Puglisi
Herr Koch, Sie sind Schriftsteller, schreiben für Rundfunk und Zeitungen und sind Dozent an der Uni Siegen, an der Sie seit 2008 die Kurse „Kreatives Schreiben“, „Journalistisches Schreiben“ und „Professionelles Schreiben“ unterrichten. Wie kam es dazu?
Ich habe selbst Ende der 80er Jahre Literaturwissenschaften an der Uni Siegen studiert. Zu der Zeit war die Uni noch klein und idyllisch und ich war hier sehr glücklich. Nachdem ich meinen ersten Roman geschrieben hatte, begann ich neben meiner Autorenkarriere am Literaturinstitut in Leipzig zu unterrichten, später in Hildesheim, wo es einen Studiengang „Kreatives Schreiben“ gibt. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht und als mir vor 5 Jahren eine Stelle an der Uni Siegen angeboten wurde, habe ich mich sehr gefreut. Ich bin sehr gerne hier, es ist wie in eine andere Welt einzutauchen. Sehr interessant finde ich die Distanz, die ich zu meinen Studenten habe, da ich ihnen nicht in meiner Heimat Köln begegne.
Vielleicht können Sie den Studenten, die noch keinen Ihrer Kurse besucht haben, einen kurzen Einblick geben, was sie bei Ihnen erwartet und was man mitbringen sollte.
„Kreatives Schreiben“ ist nur ein Oberbegriff. Ich versuche mit den Studierenden an einer Textentstehung zu arbeiten, gebe einen Impuls, worüber man schreiben könnte. Die Teilnehmer schreiben kurze Prosatexte, zwischen drei bis vier Seiten, danach stellt jeder seinen Text in der Gruppe vor. Jeder sollte sich aktiv beteiligen, damit wir gemeinsam an den Ergebnissen arbeiten und sie verbessern können. Dadurch entsteht ein kollektives Schreiben. Das Ziel ist es, dass der Verfasser möglichst viel über seinen Text erfährt und ihm bewusst wird, worüber er schreiben wollte. Ob ihm das gelungen ist, diskutieren wir in der Runde. Das macht das Kreative und Anspruchsvolle aus.
Sicherlich ist es für einige Studenten nicht so einfach, ihre Texte in der Runde zu präsentieren. Dazu gehört Mut! Wie wichtig ist das Vertrauen untereinander? Was raten Sie, um Ängste oder Hemmschwellen abzulegen?
Das stimmt, Vertrauen ist ein wesentlicher Punkt. Das braucht man, um diese Schwelle zu überwinden. Es soll sich keiner bloßgestellt oder angegriffen fühlen, denn es geht um den Text und nicht um die Person, über die wir sprechen. Die Kritik am Text ist immer konstruktiv, es werden keine Pauschalurteile gefällt, sondern einzelne Aspekte wie Tempo, Formulierungen oder Plot analysiert. Und auch gelobt! Wichtig ist es mir, dass die Studenten die Erfahrung mitnehmen, dass ein Text, der einmal geschrieben wurde, noch nicht fertig ist. Man kann noch sehr viel daran ändern und verbessern.
Manchmal sitzt man jedoch vor einem leeren Blatt und weiß gar nicht so recht, wie man etwas in Worte fassen soll, wie man mit dem Schreiben beginnen soll. Man hat eine regelrechte Blockade. Als Schriftsteller haben Sie doch sicher ein paar Tipps auf Lager.
In meinen Kursen sprechen wir auch viel über erste Sätze, wie ein Text beginnt. Ich glaube, dass man über einen gelungenen ersten Satz ganz gut in einen Text hineinkommt. Wenn der erste Satz schon einen Fluss oder ein gutes Tempo hat, kann man daraus leichter einen Text entwickeln. Es kann ein spontan hingeschriebener Satz sein oder einer, den man sehr oft umgearbeitet hat. Er wird den Rest tragen. Darauf sollte man vertrauen.
Zum Programm Ihrer Seminare gehört der ein oder andere Besuch einer Autorenlesung. Am 6. Juni sind Sie es, der in Köln aus Ihrem neu erschienenen Werk „Geheime Kräfte“ vorliest. In einer Reihe von Prosa-Miniaturen verändern wundersame Ereignisse das geordnete Leben der Protagonisten. Geschehen in Ihrem Leben auch merkwürdige Dinge oder was war der Auslöser für „Geheime Kräfte“?
Ich denke sehr viel über Zufälle nach, über Dinge, die man spürt. Dinge, die plötzlich eintreten und die man nicht erklären kann. Wie feine Strömungen. Das hat mich immer schon beschäftigt und darüber wollte ich schreiben. Natürlich sind viele Dinge in diesem Buch Fantasie und können im echten Leben nicht passieren, aber manche hätten vielleicht doch ein bisschen Realität verdient.
Der Dittrich-Verlag, der „Geheime Kräfte“ veröffentlicht hat, schreibt: „Geheime Kräfte wirken in den Menschen und um sie her, denen sie sich mit erstaunlicher Selbstverständlichkeit fügen. Am Ende träumt der Leser das Buch mehr, als dass er es liest“. Wie kann man sich diese Miniaturen vorstellen? Was verbindet alle Geschichten miteinander?
Das Magische! Insgesamt habe ich an einem Stück 130 Geschichten geschrieben, jeden Tag eine. Miniaturen deswegen, weil sie jeweils nur zwei bis drei Seiten umfassen. Es ist keine Sammlung und es sind keine Fragmente, denn alle Geschichten hängen thematisch miteinander zusammen und ähneln sich. Jede hat ihren Anfang, einen Plot und ihr Ende. Und auch wenn das Ende oder die Pointe nicht immer verständlich erscheint, so sind sie doch abgeschlossen.
Sie haben einmal gesagt, dass Sie sehr spontan und impulsiv schreiben. Sie folgen keinem logischen Plan beim Schreiben. Wie entstehen Ihre Ideen?
Meistens in den frühen Morgenstunden. Ich stehe schon um halb sechs auf. Dabei entstammen viele Ideen dem Unterbewussten. Was ich im Traum erlebt habe, ist noch sehr nah und sehr frisch. Die Früchte dessen, was in der Nacht aufgeblüht ist, abzuschöpfen ist unheimlich wichtig für mich. Das Emotionale, Irrationale ist mein Material, das ich zum Schreiben brauche.
In „Geheime Kräfte“ ist Ihnen das ja besonders gut gelungen! Was würden Sie sich für das Buch wünschen?
Es ist zwar ein Buch, das ich in einem Stück geschrieben habe, man sollte jedoch nicht alle Geschichten hintereinander lesen. Ein Kollege hat es verglichen mit Homöopathie – jede Geschichte ist wie ein kleines Kügelchen, jedoch mit einer sehr großen Wirkung. In den Geschichten steckt sehr viel mehr drin, als man auf den ersten Blick glaubt. Ich wünsche mir, dass sie zum Nachfühlen anregen und ihre Wirkung weiter als über die erste Lektüre hinaus entfalten.