von Michael Fassel
Auf dem literarischen Markt darf es auch mal sportlich zugehen. Vielleicht nicht im Sinne von körperlicher Ertüchtigung, sondern im Wettbewerb um den besten deutschsprachigen Roman. Zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse wird der Deutsche Buchpreis verliehen und bildet hierzulande einen der literarischen Höhepunkte im Jahr. Schon seit Mittwoch steht die Longlist fest: Zwanzig Romane sind von einer siebenköpfigen Kritiker-Jury nominiert worden. Seit Februar haben Verlage aus Deutschland, Österreich und der Schweiz Zeit gehabt, ihre Vorschläge zur Nominierung einzureichen. Dabei können sogar Titel vorgeschlagen werden, die sich derzeit noch in der Produktion befinden. Mitte September wird die Jury die Shortlist bekannt geben, die aus sechs Titeln besteht. Aber nur einer kann gewinnen.
Die mediale Aufmerksamkeit ist groß, wenn es um den Deutschen Buchpreis geht, anders als bei Verleihungen der zahlreichen Literaturpreise. Wer weiß denn zum Beispiel, wer zuletzt den Basler-Lyrikpreis oder den Franz-Kafka-Literaturpreis erhalten hat? Da muss man schon gezielt die Suchmaschine anwerfen, vorausgesetzt man kennt die Preise überhaupt. Anders ist es mit dem Deutschen Buchpreis. Einer potenziellen Leserschaft werden durch die Longlist die Romane näher gebracht, der Name des ein oder anderen Schriftstellers wird im Gedächtnis bleiben. Einige Interessierte werden die sogenannten Blind-Date-Lesungen besuchen. Nein, kein zweisames Candle-Light-Dinner mit einer Autorin oder einem Autor. Bei den Lesungen handelt es sich vielmehr um Veranstaltungen, bei denen man vorher nicht weiß, wer liest beziehungsweise welcher Titel der Longlist vorgestellt wird. Eine brillante Idee, denn so lernt man Schreiberlinge kennen, deren Lesungen man sonst nie besucht hätte, und deren Romane alleine vom Ankündigungstext nicht zusagen würden.
Vor fünf Jahren habe ich selbst eine solche Blind-Date-Lesung in einer kleinen Buchhandlung in Stuttgart besucht, natürlich sehr gespannt darauf, welcher der zwanzig möglichen Schriftsteller mir an diesem Abend begegnen wird. Mein literarischer Dating-Partner war Michael Kleeberg, der aus seinem Roman „Das amerikanische Krankenhaus“ vorgelesen hat. Noch heute erinnere mich an die von ihm vorgelesene Stelle von den verklebten Ibissen in einem Ölteich.
Nicht immer müssen Namen wie Martin Walser auf dem Lesungsplakat stehen, um das Publikum zu locken. Bei der Blind-Date-Lesung war jeder Platz besetzt und das obwohl Deutschland an diesem Abend ein Länderspiel bestritt. Der literarische Wettbewerb kann mindestens genauso spannend sein. Und statt Bier gab es nach der Diskussion mit dem Publikum ein Glas Rotwein wie bei einem echten Blind Date.