von Dinah Fischer
Ein verregneter Herbsttag bildet die Kulisse für einen Besuch zum Mittagstisch im Siegener Café Planlos. Doch bei dampfender Suppe in gemütlicher Mittagspausenatmosphäre ist der Regen bald vergessen.
Schon von weitem leuchten mir die bunten Sonnen- bzw. Regenschirme vor dem Café Planlos wie die Ausläufer einer freundlicheren Jahreszeit entgegen. An einem heißen Sommertag wäre dies der ideale Platz zum Draußen-Essen. Doch auch heute, bei Nieselregen, haben es sich zwei mutige Gäste unter einem der Schirme gemütlich gemacht. Das Betreten des Cafés ist wie ein Schritt geradewegs vom Herbst in den Frühling. Frisches Grün und freundliches Orange an den Wänden verbreiten eine heitere Stimmung. Der größte Tisch nimmt fast die gesamte rechte Raumhälfte ein, wie geschaffen für ein geselliges Mittagessen. Wer zu zweit oder allein ist, kann an einem der kleineren, wie willkürlich verstreut wirkenden Tischchen Platz nehmen. Farbenfrohe Bilder an den Wänden sowie Pflanzen und Lichterketten in den Fenstern vervollständigen den behaglichen ersten Eindruck.
Was sofort auffällt, ist die Nähe zur Küche. Hinter dem Tresen, auf dem sich zwei Cornflakes-Spender, ein Stoß grüner Servietten und ein paar Kastanienmännchen tummeln, ist die Spülmaschine zu erahnen. Gespräche werden zuweilen durch das Geratter der Kaffeemaschine unterbrochen, die die Kaffeebohnen zu duftendem Pulver zermahlt. Ein Radiosender beugt etwaiger Stille vor. Das ganze Café vermittelt das gemütliche Gefühl, direkt in der Küche zu essen. Fast bin ich versucht, der Bedienung hinter dem Tresen, ganz wie zu Hause zuzurufen: „Was gibt es denn heute?“, da steht sie schon am Tisch. Man hatte kaum Zeit, die Karte mit den Frühstücksangeboten und der Getränkeauswahl zu studieren. Aber das macht nichts, denn die gastfreundliche junge Frau gibt gern Tipps bei der Menüauswahl und verweist hilfsbereit auf eine Tafel in der Ecke des Cafés, auf der mit Kreide sorgfältig das Mittagsangebot für die gesamte Woche festgehalten ist.
Heute steht die Käse-Lauch-Suppe (3,80 €) auf dem Programm. Das macht die Auswahl leicht. Dazu noch ein Mettbrötchen (2,20 €). Während der Suppengeruch aus der Küche den Appetit wachsen lässt, bleibt ein wenig Zeit für einen genaueren Blick auf die Karte. Über die Menge an Kaffeevariationen kann sich niemand beschweren, auch heiße Schokolade gibt es in zwei Varianten. Nur Teeliebhaber dürften sich ein wenig über die ungenaue Angabe „Tasse Tee“ wundern.
Doch da kommt schon die Suppe, vielversprechend dampfend und käsig duftend. Als die Bedienung das Essen abstellt, müssen die sonnig gelben Blumen und das heimelige Teelicht weichen. Die Suppe ist tröstlich heiß – genau das Richtige für einen Herbstnachmittag. In der für eine Käsesuppe etwas dünn geratenen Flüssigkeit schwimmen Hackfleischbrösel und kleingeschnittener Lauch in ausgeglichener Menge. Gelegentlich verirrt sich auch ein Stückchen roter Paprika auf den Löffel. Typischerweise dominiert der Lauchgeschmack, verschleiert jedoch nicht gänzlich die anderen Aromen. Zur Abrundung findet sich auf dem Suppentellerrand eine halbe Scheibe Weißbrot von der leicht pappigen Konsistenz ungerösteten Toastbrots, die sich jedoch perfekt zum Eintunken in die Suppe eignet, ohne dabei zu zerkrümeln. Das Mettbrötchen stellt sich als Bastelarbeit heraus: ein schmales Würstchen, das man nun in mundgerechten Scheiben auf dem mitgelieferten Brötchen verteilen kann. Die Mettwurst hat eine ausgesprochen weiche Konsistenz, das Brötchen ist dafür umso knuspriger. Zwischendurch ruft die Bedienung herüber und fragt, wie es denn schmecke. Ob gewollt oder nicht wird man in die Gespräche der anderen Gäste und des Personals einbezogen. Selbst bei Alleinessern kommt in dieser Mittagspausenatmosphäre kein Gefühl der Einsamkeit auf.
Mit dem letzten Löffel Suppe verbindet sich der erste Gedanke an den Nachtisch. Weder die Karte noch die Kreidetafel geben hier Aufschluss, doch wieder springt die nette Bedienung hilfsbereit ein: Birne-Eierlikör-Torte, Nussecken und Stachelbeertorte stehen zur Auswahl. Zwei von dreien – die Stachelbeertorte muss leider ausscheiden. Die anderen beiden Kuchenvarianten sind bald serviert, dazu gibt es Cappuccino (1,90 €) mit freundlichem Milchschaumherz. Der Milchschaum ist so cremig, dass ich dem Zucker mit dem Löffel nachhelfen muss, damit er versinkt. Die Birne-Eierlikör-Torte (1,60 €) besteht aus einem Biskuitboden, auf dem sich drei Schichten stapeln: erst die Birnen-, darüber eine Sahneschicht. Obendrauf eine schmale, käsekuchenartige Decke, die offenbar den Eierlikör beinhaltet. Die Nussecke (1,30 €) ist ein süßer Vorgeschmack auf die Weihnachtszeit. Auf einem dünnen Boden werden verschiedene Nuss- und Mandelsorten durch Aprikosenkonfitüre zusammengehalten, gesäumt von einem schmalen Rand aus Schokoladenkuvertüre. Ein perfekter Abschluss. Beim Verlassen des Cafés gibt es eine nette Verabschiedung durch die zuvorkommende Bedienung und ein kleines Schild über der Tür, das verkündet: „Every day is a good day.“ Ich bin versucht, das zu glauben, als ich suppengewärmt und kuchenversüßt in das Herbstwetter draußen zurückkehre.