Das Kommunikationsproblem

von Sebastian Wilhelm

Eigentlich müsste man meinen, dass heute in unserer modernen Welt, voller Smartphone-Euphoristen und eifrigen Fingerwischern die Kommunikation zwischen den Menschen nicht zu kurz kommen kann.
Lange Zeit war ich der Ansicht, dass mit der Digitalisierung der neue digitale Raum eine grenzenlose Kommunikation ermögliche, und das über weite Strecken hinaus.
Über die Zeit hinweg merke ich jedoch, dass Kommunikation sich in Zeiten der Social Networks und Chatmöglichkeiten geändert hat. Hierbei ist längst nicht alles Gold, was uns die digitale Welt, stellvertretend durch die glanzvolle Optik ihrer Smartphones verspricht, – als ein Zeichen der schier grenzenlosen Erreichbarkeit.
Denn je mehr sich die Möglichkeit gewandelt hat, den anderen über kommunikative Netzwerke zu erreichen, desto mehr scheinen die Menschen die Fähigkeit verloren zu haben, direkt und verbindlich in diesem dichten Sammelsurium etlicher Chatverläufe zu kommunizieren.
Ich sehe das öfters denn je, sehe seit Jahren einen stetigen Zuwachs, an unverstandenen Chatdialogen und zunehmenden Missverständnissen, die sich durch die in Texte geschnippelte Kommunikation ergeben. Das fängt ja schon an, wenn man sich freitagabends gemütlich mit seiner Clique zum gemeinsamen Feierabend-Ausklinken in der Kneipe verabreden möchte.
Wenn anfangs der Woche jeder noch euphorisiert über filigranes Fingertippen zustimmt, sitzen wir am Ende häufig nur zu dritt oder zu viert da. Mit Zusagen in unserer Zeit scheint es sich mittlerweile so zu verhalten, dass sie eine Mentalität offenbaren, die sich folglich mit „ja-aber-nein-aber-ja-aber-nein“ umschreiben ließe.
Ich denke, jeden von uns sind solche 0815-Nachrichten der Form: „Mir ist was dazwischen gekommen“, „bin heute auf einen Geburtstag/ im Kino/auf ‘ner Houseparty“, „hab ein Date mit Mrs./Mr. XY in sucht-euch-was-aus“ bestens bekannt.
Ich sehe mich als ein Kind der Zwischendigitalisierungszeit.
Damals als ich noch zur Schule ging, trafen wir uns in unserer Heimatstadt immer freitags an den großen Treppen zur Altstadt, an einer Uhr, die immer eine Stunde zu spät ging. Dieser Treffpunkt war irgendwann mal während einer großen Pause in der Schulzeit vereinbart worden und galt dabei bis zum Ende unseres Abis, genauso wie unsere Devise, die ziemlich simpel lautete: „komme, wer wolle!“.
Ich kann mich damals an kaum einen Freitag erinnern, an dem wir nicht mit denselben Leuten durch die Stadt zogen. Heutzutage, und ich glaube, ich spreche hier stellvertretend für viele Freundeskreise, ist es zunehmend schwieriger, stellenweise unmöglich, einen Termin zu finden, um alle Leute an einen Tisch zu kriegen, – und abgesagt wird in der Regel immer in letzter Minute über WhatsApp.
Unverbindlichkeit in einer Zeit der schier endlosen, immer währenden Erreichbarkeit.
Mit den  Smartphones sind unsere Möglichkeiten an Optionen gestiegen und die Unverbindlichkeit nahm ihren Lauf.
Manchmal frage ich mich, ob auf der anderen Seite noch ein Mensch aus Fleisch und Blut hinter seinem Smartphone vor sich hin wischt oder ob sich die Nachricht nicht automatisch schon aus den Textbausteinen der Autokorrekturfunktion zusammensetzt, eben aus dem Grund, weil der andere sie schon so oft getippt hatte und der Computer sie schon weissagend voraussagen kann.
Ich habe mich vor kurzem entschlossen ein kleines Experiment durchzuführen, sämtlichen Formen der Textkommunikation zu entsagen und wieder Old School-mäßig zu telefonieren, wenn Face-to-Face-Gespräche nicht möglich sind.
Der Grund für diesen Rückgriff auf diesen konventionellen Kommunikationsweg ergab sich aus einer Reihe von Missverständnissen, die sich aus der Textsprache ergeben haben. Ich denke, jeder von uns hat schon mal eine Diskussion über WhatsApp oder SMS ausgefochten und weiß demnach, wie fruchtlos so etwas sein kann.
Letztlich hätte man so etwas besser mit einem wohlüberlegten, kühnen Anruf besser und auch schneller lösen können. Es ist empirisch bewiesen, dass Menschen Emotionen über verbale Kommunikation besser erfassen können und dementsprechend die Informationen besser aufnehmen und behalten.
Dieses Selbstexperiment back to the roots erwies sich bei den ersten Versuchen als ein großer Griff ins Klo. Die ersten Leute, die man entgegen des üblichen WhatsApp-Ping-Pongs mal zur Abwechslung wieder anrief, schienen teilweise von diesem Move so verstört gewesen zu sein, dass sie kurzerhand nicht ans Telefon gingen und man stattdessen später eine Nachricht zurückbekam: „Du hast angerufen? Was gibt´s denn?“.
Sicherlich, in Zeiten von Uni, Arbeit, privaten Firlefanz kann man nicht erwarten, jederzeit jemanden zu Belieben erreichen zu können, doch ich glaube nicht, dass dies das eigentliche Problem an der Sache ist. Denn es ist heutzutage schwer, die meisten Leute wieder an den Hörer zu kriegen, sei es aus Bequemlichkeit oder weil die Leute, einschließlich mich, vergessen haben, wie man telefoniert.
Kommunikation verliert sich heute im Netz, irgendwo im Verlauf etlicher WhatsApp-, Facebook- und SMS-Chatverläufe.
Dabei ist doch Kommunikation gerade das Wesentliche: Sie brachte den Menschen dazu, in Gemeinschaften zusammenzuleben, war kulturstiftend, verbreitete Wissen und Traditionen, – das über Jahrhunderte, Jahrtausende. Des Weiteren führt sie dazu, dass wir emotionale Bindungen zu unserer Familie, Mitmenschen, Freunden und Partnern pflegen und aufrecht erhalten können.
Die Smartphone-Generation begreife ich persönlich mittlerweile als einen kommunikativen Sittenverfall, dessen Trend ich nicht weiter mitgehen möchte.
Zu meiner Verwunderung haben sich die meisten Leute in meinem Umfeld mittlerweile daran gewöhnt, dass ich sie wieder anrufe und über WhatsApp nur noch das Nötigste des Notwendigen schreibe. Und mittlerweile habe ich auch bemerkt, wie unpraktisch dieses ganze Textgeflippere gegenüber der direkten Möglichkeit der verbalen Kommunikation ist.
Mein Appell an meine Generation: Versucht mal den anderen Weg, vielleicht werden einige überrascht sein, wie unumgänglich er sein kann.
Denn die Kommunikation ist immer noch die Basis für alles Verbindende und Aufbauende.

 

 

 

Ein Gedanke zu “Das Kommunikationsproblem

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