Kapitel 2
von Johannes Herbst
Mit einem Tritt ließ Pascal das blankgeschrubbte Metall des Geschirrschranks vibrieren und verabschiedete sich mit einem lauten „Fuck“ aus der Küche. Kurz drehte er sich noch einmal um, riss sich das Haarnetz vom Kopf und schmiss es mit einem „Wichser!“ auf den Lippen Richtung Ernesto. Erschöpft landete das dünne Netz nach kurzem Flug auf dem Boden. Pascal stapfte fluchend durch den Gang. Der scheppernde Schall der zugeschmissenen Außentür wurde bis in die Küche getragen. Alle wendeten ihren Blick vom Flur ab und bündelten ihn bei Ernesto, der immer noch in den leeren Gang stierte. Ein zähflüssiges Schweigen hatte sich über die Küchencrew gelegt, nur in einer Ecke blubberte das Gulasch unregelmäßig. Nach mehreren Augenblicken war es Lea, die mit einem zaghaft fragenden „Ähm, Chef?“ die Luft wieder auflockerte. „Soll ich mal nach Pascal gucken?“ Die gesamte Mannschaft blieb immer noch in der Beobachtung Ernestos verharren. Langsam hob dieser seinen Arm und fing an, an seinem Schnurrbart zu ziehen. Seine Hand zitterte leicht. „Lass ihn! Ist seine Zukunft!“ Ernesto schaute in die Runde „Was los mit euch! HopHop! Ihr sollt ihr nicht glotzen, sondern kochen!“ Bewegung kam in die Runde und ein leichtes Gemurmel rollte an. Nach nicht mal zwei Minuten war die Küche wieder befüllt mit ihrem typischen Klappern, Brutzeln, Sprudeln, Klirren, Fiepsen und Gemecker.
Ernesto nahm die letzte Kabine an der Wand. In die ging er immer. Und wenn die Toilette etwas voller und die Kabine nicht direkt frei war, tat er immer so, als ob er in ein Urinal pinkelte und kam dann eine viertel Stunde später wieder. Im Moment war er allein in dem Herren-WC. Er schloss die Kabinentür hinter sich und rüttelte zweimal zur Sicherheit. Dann knöpfte er sich langsam seine Kochjacke auf und hing sie auf den dafür vorgesehenen Haken an der Wandseite. Aus der Innentasche der hängenden Jacke nahm er einen angefangenen Tablettenblister und drückte zwei ovale Pillen in die rechte Hand. Er steckte die Packung wieder zurück. Mit der freien Hand drückte er leicht auf die Stelle in der heute Morgen der Korkenzieher steckte. Das Gefühl eines blauen Flecks stach durch seinen Oberarm. Aber anscheinend wurde nicht fest genug zugestochen, nicht tief genug verletzt. Wenn er seine Verletzung in Ruhe ließ, dann spürte er sie kaum. Dann wühlte er nochmal in seiner Jackentasche, kramte die Tabletten wieder heraus und drückte sich noch einen weiteren, grünlich ovalen Punkt in die Hand. Mit einer schnellen Handbewegung schmiss er sie förmlich in seinen Mund und schluckte sie trocken herunter.
Dann öffnete er seinen Gürtel, quetschte den Knopf durch den Schlitz und zog sich, mit dem Daumen in die Unterhose greifend, beide Hosen auf einmal nach unten. Mit einem Stück Klopapier wischte er einmal über den Rand und setzte sich dann auf die Schüssel. Stress schlug ihm immer auf den Magen.
Zunächst saß er da und wartete. Er musste, aber von alleine regte sich noch nichts. In kleinen Stößen begann er zu pressen. Immer wieder spannte er seinen Bauch an und ließ wieder los. Die Phasen der Anspannung erhöhten sich. Seine Augen begannen zu tränen und er verspürte einen dumpfen Druck in ihnen. Ein leichtes Stöhnen quoll aus ihm hoch. Quietschend quetschte sich ein Furz zwischen den dicken Backen hindurch. Dann krachte es und in einem Stoß sprenkelte er die weiße Keramik hellbraun. Ein weiterer Schwall sprutzte in die Toilette. In kleinen Abständen suppte es tröpfelnd in das Toilettenwasser. Mit Schweiß auf der Stirn kam Ernesto ins Schnaufen. „Alles ok bei dir?“ Neben ihm war jemand in die Kabine gekommen und er hatte es nicht bemerkt. Schlimmer war, dass die Stimme die einer Frau war.
…Fortsetzung folgt