Fortsetzungsroman Kreuzfahrt

Kapitel 7

von Christian Bocksch

Ein Abend unter Feinden

Paranoid blickte sie sich um, aber die Wiedenkamps waren immer noch damit beschäftigt ihr Essen verschwinden zu lassen. Was hatte das zu bedeuten? Wer war dieser junge Mann? Herr Wiedenkamp gab wieder einen Witz zu besten, den Marie schon nicht mehr hörte, aber sicherheitshalber mitlachte. Sie musste hier weg, diesen beiden glaubte sie mit jeder Minute weniger. Sollte sie sich auf Toilette entschuldigen? Dann würde Frau Wiedenkamp wahrscheinlich mitkommen. Soll sie vorgeben müde zu sein? Bloß nicht, dann kämen die beiden mit zu ihrer Kabine. Vielleicht wurde sie auch verrückt?

Jörg Wiedenkamp packte sich plötzlich an die Brust, ein Herzanfall? Das wäre die Lösung dachte sie, und schämte sich direkt. Er zog ein schwarzes Smartphone hervor, blickte kurz auf das Display und sagte: „Das ist mir furchtbar peinlich, aber ich muss leider ein wichtiges Telefonat führen, bin gleich zurück.“ Er gab seiner Frau noch einen Kuss auf die Wange und verschwand mit schnellen Schritten.

„Dann machen wir uns eben einen Mädelsabend, was?“ kicherte Sarah Wiedenkamp, künstlich wie Marie jetzt empfand. Insgesamt begann dieses Bilderbuchpaar sie immer mehr zu stören. Bussie hier und da. Ach Frau Herchenröther sie sind so toll, wir sind so toll. Sarahs Verhalten ist so falsch wie ihr Busen, dachte sie, lächelte aber, um nicht aufzufallen.

„Gerne, aber ich bin so Müde, vielleicht sollte ich zu Bett gehen“ Sie erhob sich schnell, aber immer noch zu langsam, um entkommen zu können.

„Ach schade, dann begleite ich sie“. Verdammt, fast hätte Marie es auch ausgesprochen. Plötzlich stand ein Mann hinter ihr, er trug eine Uniform und räusperte sich: „Wir haben eine Nachricht für Sie, ein vertrauliches Telegramm, wenn sie bitte mitkommen wollen, um den Empfang zu quittieren.“ Marie konnte ihr Glück nicht fassen, sie hakte sich bei dem Besatzungsmitglied ein, und wandte sich an Sarah: „Gute Nacht dann und noch einen schönen Abend.“ Für einen Augenblick glaubte sie zu sehen wie Frau Wiedenkamps Emotionsfassade abbröckelte.

„Wissen Sie Eon? Ich habe mir Österreicher immer anders vorgestellt, aber sie gefallen mir noch besser“ sagte Sarah Wiedenkamp, und lächelte mit einer Mischung mädchenhafter Verlegenheit und einem Hauch Erotik. Er fragte sich immer noch, wieso er jetzt mit ihr durch die engen Gänge des Schiffes zu ihrer Kabine ging. Nach dem Konzert hatte er eigentlich diese Marie Herchenröther suchen wollen, um mit ihr zu sprechen, der One-Night-Stand ließ ihm einfach nicht los. Plötzlich hatte dann aber Sarah seinen Weg versperrt, und um ein Autogramm auf einer Klassik-CD gebeten, die sie zufällig in ihrer Kabine vergessen hatte. Eon war vielleicht nicht der Womanizer, als den ihn viele sahen, er hatte sogar meistens Angst die Initiative zu ergreifen, aber diese Avancen verstand auch er.

„Mein Urgroßvater war Österreicher, aber ich bin Israeli.“, beantwortete er ihre Frage.

„Darüber müssen Sie mir unbedingt mehr erzählen -Huch“, sie stolperte und ließ sich in seine Arme fallen. „Was für ein Pech, mein Absatz ist abgebrochen, sie müssen mich wohl tragen“ sagte sie kichernd, und schmiegte sich noch etwas mehr an seinen Oberkörper. Jetzt wäre der Moment gewesen alles klar zu machen, wäre da nicht plötzlich ein Erinnerungsfetzen durch sein malträtiertes Gedächtnis gegeistert.

Nachdem sein Magen am Morgen nach langem Protest ruhig geworden war, hatte er die roten Pumps näher betrachtet. Bei einem war der Absatz abgebrochen gewesen. Aber jetzt erinnerte Eon sich genauer, es hatte so ausgesehen, als könnte der Absatz an und abgeschraubt werden. Er zuckte mit den Schultern, was diese Modefirmen für Ideen haben. Dann montierte er den Absatz wieder, und stellt den Schuh zurück. Daneben lag eine Micro-SD Karte, wo kam die her? Aber da machte sich erneut sein Magen bemerkbar, die Speicherkarte landete auf der Kommode und er vor der Toilettenschüssel.

„Eon, alles in Ordnung?“, Sarah schien plötzlich besorgt. Er brauchte einen Moment um sich zu orientieren, dann antwortete er: „Äh ja…Ich…Ich muss dann leider auch schon gehen…“. Dabei wandte er sich um, und lief los, ignorierte die verstörte Frau Wiedenkamp und ein leichtes Unwohlsein. Ein Korridor sah wie der nächste aus, aber binnen Minuten stand er vor seiner Kabinentür, öffnete und sah Sarahs Mann und den seltsamen Rentner, wie beide seinen Koffer durchwühlten. Augenblicklich schauten sie auf Eon, der in der Tür stehen geblieben war. Nervös ging er einen Schritt zurück: „Sorry, I just take the wrong number“.

Jörg griff in sein Sakko, und zog einen Revolver hervor und sagte lächelnd: „Aber bitte Herr Reichenbach, leisten sie uns doch Gesellschaft. Ach und ziehen sie doch bitte die Tür hinter sich zu. Danke“.

Allmählich verstand Marie gar nichts mehr. Sie war froh gewesen, durch das Telegramm von Frau Wiedenkämper los zu kommen. Aber verunsichert war sie auch gewesen, wer schrieb heute schon noch ein Telegramm. Dann hatten darin auch nur fünf Wörter gestanden: Gehen Sie auf ihre Kabine. Stopp. Aber sie hatte ihre Kabine schon erreicht, und stand unschlüssig vor der Tür. Entweder ich mache jetzt den Fehler meines Lebens, oder ich kriege endlich Antworten, dachte sie und klopfte an. Bin ich dumm, fragte sie sich, das ist meine Kabine. Aber da öffnete sich auch schon die Tür, und der Caballero der La Romana zog sie zu sich herein und schloss die Tür. Sie versuchte Ruhe zu wahren, zitterte jedoch am ganzen Körper. Besorgt schaute er zu ihr und legte seine Hand auf ihre Schulter, von der angenehme Wärme ausging. „Ich vermute Sie haben einige Fragen Senorina, ich arbeite mit Kevin zusammen und brauche ihre Hilfe“. Ihr klappte fast die Kinnlade herunter, wie kam Kevin, der nur an seinen Computer saß und sich mit debilen Onlinespielen beschäftigte, dazu, solche Muskelberge kennen zu lernen, vor allem was sollten sie zusammen arbeiten?

„Kevin? Was arbeiten Sie beide denn? Was hat das mit mir zu tun?“ fragte sie und wich ein Stück zurück. Sie fragte sich inzwischen wirklich, ob das hier ein Fehler gewesen war. „Muchas preguntas.“ Mit einer Geste versuchte er sie zu beruhigen: „Vale, ich heiße Manuel und arbeite für ein Unternehmen, InvictusSol Inc. auf Santo Domingo, als Detektiv. Kevin hat diesem Unternehmen bei einer Sicherheitslücke geholfen. Er hat einige brisante Beweise von einer Konkurrenzfirma gefunden, und wollte uns diese zusenden, aber die Konkurrenz hat diese Wiedenkämpers und den Alten Sack angeworben, die Übergabe zu verhindern, nachdem sie Kevin ins Krankenhaus geschickt haben.“ Er hielt für einen Moment inne und blickte wieder besorgt zu Marie: „Alles in Ordnung, Senorina?“

Das war wirklich alles etwas zu viel für mich dachte sie, sagte aber, während sie sich auf einen freien Stuhl setzte: „ Nein, nein, Alles gut.“ Alles gut? Sie war in einem Mexican-Standoff gelandet, ihr alter Freund Kevin lag irgendwo im Krankenhaus und sie sagte so etwas? Sie konnte es selbst nicht glauben. Während sie in Gedanken war, kniete Manuel vor ihr und lächelte. „ Ich weiß, es wird Ihnen viel zugemutet, aber sie sind eine starke Frau. Ich…“ er schaute verlegen zur Seite: „Kevin hat Ihnen nicht zufällig etwas bei ihrem letzten Treffen geschenkt?“ Marias Pupillen weiteten sich. Damals hatte sie sich gewundert, warum der größte Nerd, den sie kannte ihr plötzlich nach Jahren Schuhe geschenkt hatte, dieser Manuel musste wirklich mit ihm zusammen gearbeitet haben. Sollte sie ihm vertrauen? Hatten sie eine Wahl? Mit einem leisen Seufzen deutete Marie zu den roten Pumps. „Die sind von ihm“. Mister Dextrose sprang förmlich auf, und griff nach den Schuhen. „Sie glauben nicht wie erleichtert ich bin, Senorina“. Sie überkam Angst. Nein nicht nach all dem Stress verschwindest du einfach wieder Leonardo, schwirrte es in ihrem Kopf. „Nicht so schnell Manuel, ich habe da noch einige Fragen.“ Sie erhob sich aus dem Stuhl und ging bewusst lasziv zu ihm. Verwirrung wäre in diesem Moment eine gute Zusammenfassung für seinen Gesichtsausdruck gewesen. Jetzt musste sie lächeln und dachte, bist wohl nicht gewohnt wenn die Frau aktiv ist. Sie stand direkt vor ihm, Traubenzuckerduft erfüllte die Luft. Sie begann damit, sein Hemd aufzuknöpfen. „Ich möchte sie noch näher kennen lernen.“ „Wie nah?“ „Sehr nah“. Seine Arme umschlungen sie, ohne das sie sich erdrückt fühlen würde. Während er mit den Lippen ihren Hals küsste, öffnete er ihr Kleid, das fast lautlos zu Boden glitt. Ganz schön geschickt dieser Detektiv, wieso sind Kevins andere Freunde nicht so? Plötzlich gab er ihr ein Stoß und sie landete auf dem Bett. Er streifte sein offenes Hemd ab, und beugte sich zu ihr herunter: „Wir sollten unsere Bekanntschaft wirklich vertiefen“. Er begann ihren Bauch zu liebkosen, und ging schrittweise tiefer. Erst der unterer Brustkorb, der Bauchnabel und dann….ein Klicken.