„Ich will nicht noch mehr kommunizieren“

Die Dekanin erläutert, warum sie sich ungern mit „Frau Professor“ anreden lässt, und beantwortet die Frage, ob Studenten immer dümmer werden.

3. und letzter Teil des großen LiteraListen-Interviews von Hendrik Schulz und Christian Schütte.

Petra Vogel 3

Foto: Hendrik Schulz

 Unterscheiden sich Studierende heute und früher? Man hört oft Klagen…

Ich sehe nicht wirklich Unterschiede. Als ausgebildete Linguistin kann ich von Erstsemestern nicht erwarten zu wissen, was ich weiß. Damals wussten wir als Erstsemester im Grunde auch nichts. Man hat vielleicht den Eindruck, dass Studierende immer dümmer werden, aber das ist wahrscheinlich Quatsch. Was ich hingegen schade finde: Man verwendet viel Energie auf schlechte und durchschnittliche Studierende und weniger auf die sehr Guten. Wenn eine Arbeit super ist, liest man sie in fünf Minuten und muss kaum etwas anstreichen. Wenn eine aber richtig schlecht ist, sitze ich da den ganzen Tag dran und das ist ein bisschen unfair gegenüber den richtig guten Studierenden. Ein Unterschied ist vielleicht, dass die Hemmschwelle niedriger ist: Ich hätte zum Beispiel nie einen Dozenten privat angerufen, das scheint es heute häufiger zu geben. Dozenten beklagen sich manchmal, dass sie quasi als öffentliche Person gelten, selbst außerhalb der Unizeiten.

Es ist ja auch ein Zeichen von Nähe, dass die Hierarchie etwas flacher ist.
Durch E-Mails hat sich das stark geändert, die sind ja schnell geschrieben. Man muss niemanden anrufen oder an die Tür klopfen und insofern gibt es mehr Berührungspunkte.


Haben Sie Ihre Professorinnen und Professoren noch so angesprochen – mit Herr oder Frau Professor?
Nein. Es gab da zwar einen älteren Professor, als ich angefangen habe, der wollte das, aber er war der einzige. Wenn Studierende mich mit „Frau Professor Vogel“ anreden, sage ich meist, sie sollen das lassen, denn das dauert viel zu lange.

Studierende beklagen sich genauso häufig, zum Beispiel über zu volle Kurse oder die Qualität des Studiums. Haben sie Recht?
Es ist ganz sicher so, dass am Anfang des Semesters die Gruppen sehr groß sind. Andererseits ist die Anmeldemoral bei manchen auch nicht die beste. Ein Problem scheint zu sein, dass eine Art Panik ausbricht und Studierende viel zu viele SWS machen, wir empfehlen nicht mehr als 14 SWS pro Semester. Vermutlich ist es eine Mischung aus Angst und fehlender Information. Bei mir reduziert sich die Teilnehmerzahl nach ein paar Wochen oft um die Hälfte. Das mag daran liegen, dass es eine mündliche Prüfung oder eine Klausur gibt, wenn man möchte, auch in Kombination mit einer Hausarbeit, und wer nicht will, muss nicht kommen.

Stimmt Sie das traurig, wenn die Hälfte wegbleibt?
Sicher wäre es schön, wenn alle da wären, aber man sitzt ja nie ganz alleine vor leeren Stühlen. Die Hälfte ist immer da. Außerdem gibt es die Vereinbarung mit dem Asta, dass bei einer Klausur als Abschluss niemand zur Anwesenheit gezwungen werden soll. Das finde ich vernünftig.

Die Abwesenheit fällt vielleicht nur deshalb auf, weil es zu Magister- und Diplomzeiten noch keine Anwesenheitspflicht gab.
In die Vorlesungen sind wir oft gar nicht gegangen. Die standen einfach in den Vorlesungsverzeichnissen und wen es interessierte, der ging hin.

Wie handhaben Sie die Kritik an den Studienbedingungen?

Jeder kann mir schreiben oder in die Sprechstunde kommen. Wenn es aber keine Beschwerden gibt, dann kann ich natürlich auch nicht handeln. Vieles wabert sozusagen durch die Gänge, ohne dass es richtig artikuliert wird. Wenn jemand kommt und auf ein Problem hinweist, dann gehen wir das auch an. Neulich hieß es zum Beispiel auf Facebook, es gebe Probleme in der Philosophischen Fakultät und der Asta sei informiert. Dann schreibe ich dort natürlich hin und sage: „Warum sprechen Sie nicht mit mir darüber?“

Sind Sie auf Facebook aktiv?
Ich habe schon oft überlegt, ob ich das machen sollte. Man denkt irgendwie, dass man da etwas verpasst. Aber ich will nicht noch mehr kommunizieren, als ich es schon ohnehin tue.

Apropos kommunizieren: Finden Sie den Siegerländer Dialekt eigentlich schön?
Ich sortiere Dialekte nicht nach schön oder nicht schön. Das ist wahrscheinlich das Erbe als Linguist, Dialekte sind eben sozusagen andere Sprachen. Die gilt es zu untersuchen und zu analysieren, aber ich habe kein ästhetisches Werturteil. Wenn ich ein Urteil abgeben muss: Ich finde ihn okay, meinen eigenen finde ich nicht so toll. Aber es ist eben mein Dialekt und gehört zu meiner Identität.

Frau Vogel, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.