Jungs sind besser in Mathe und von Autos sollten Frauen lieber die Finger lassen? Janina Althaus sprach mit Fahrzeugbaustudentin Kristina Hahnemann über Vorurteile und ihren Traumberuf.
„Ich will keine Frau, die mir erklären kann, wie man Reifen wechselt.“ Mit solchen Sprüchen und einigen Vorurteilen hat man als Frau in männerdominierten Studiengängen zu kämpfen. Daran ändert sich auch in der Berufswelt zunächst wenig.
Das Interview führte Janina Althaus
Kristina Hahnemann, 23, studierte erst Maschinenbau, später Fahrzeugbau an der Universität Siegen.
Kristina, du studierst Fahrzeugbau. Ist das nicht eher was für Männer?
So ein Quatsch! Diese Ansicht ist nicht zeitgemäß.
Aber immer noch ein aktuelles Problem?
Ja! Denn man wird als Frau immer noch zu oft unterschätzt und muss sich dumme Sprüche anhören. Häufig traut man mir nicht so viel zu. Wenn man mich sieht, denken die meisten: „Die kann nett lächeln. Das war´s dann aber auch.“ Dabei muss ich kein männliches Gen in mir tragen, um die komplexen Vorgänge zu verstehen. In der Schule geht´s damit schon los. Jungs sind angeblich besser in Mathe. Diese Einstellung nimmt vielen Mädchen bereits die Chance, Spaß an der Arbeit mit Zahlen zu entwickeln. Mathematik bildet die Grundlage im Maschinenbau. Aber noch viel mehr geht es um logisches Denken.
Wird diese Fähigkeit nicht auch eher Männern zugeschrieben?
Ja, und das ist traurig. Drehen wir den Spieß einmal um! Es gibt in den Medien mehr bekannte Köche als Köchinnen. Mehr männliche Starfriseure als weibliche. Wieso wird darum nicht so viel Wirbel gemacht? Genau, weil es nicht wichtig ist. Seltsamerweise tauchen dort solche Anfeindungen nicht auf. Das Geschlecht spielt bei der Berufswahl überhaupt keine Rolle.
Denkst Du, dass du eventuell als Frau sogar Vorteile im späteren Beruf hast?
Das glaube ich nicht. Ich kann mir aber gut vorstellen bei der Einstellung einen kleinen Bonus zu haben. Die Frauenquote soll ja in männerdominierten Berufen steigen. Eventuell wird man deshalb als Frau bevorzugt. Sonst denke ich jedoch, dass es zunächst mehr Nachteile gibt. Zum Beispiel habe ich das Gefühl, dass ich mehr als ein Mann leisten muss, um die verdiente Anerkennung zu bekommen.
Könntest Du dir auch vorstellen in einer Führungsposition zu arbeiten?
Ja, sehr gut sogar! Ich denke, als Frau habe ich in der Hinsicht sogar einige Vorteile. Frauen sind meist feinfühliger und haben ein höheres Empathievermögen. Das ist ein Pluspunkt im Umgang mit anderen Mitarbeitern. Natürlich muss man sich auch durchsetzen können und seinen Standpunkt deutlich machen. Aber das hat eher etwas mit dem Wesen des jeweiligen Menschen zu tun und nicht mit dem Geschlecht!
Man hört ja immer wieder von Anfeindungen. Welche Erfahrungen hast du gemacht?
Während zwei Praktika hatte ich mit einigen Provokationen zu kämpfen. Ich bekam Aufgaben zugeteilt, die ich sorgfältig und mit Freude bearbeitet habe. Angeblich fehlerhaft berechnet, wurden sie mir, begleitet von bissigen Kommentaren, zurück auf den Schreibtisch gepfeffert. Und das immer wieder! Klar bin ich noch unerfahren. Aber später stellte sich heraus, dass die meisten meiner Berechnungen gar nicht fehlerhaft waren. Die ganze Zeit hatte ich mit Sticheleien zu tun. „Wem gehört denn der scheiß Audi da draußen?“ Solche keineswegs spaßig gemeinten Sprüche bekam ich des Öfteren zu hören. Und das, obwohl ich es dort mit vermeintlich erwachsenen Männern zu tun hatte! Gerade da hatte ich etwas anderes erwartet.
Und wie reagieren Männer in deinem privaten Umfeld auf deine Studienwahl?
Ein Beispiel: Ich war auf einer Party. Ich unterhielt mich nett mit einem Typen. Schließlich kamen wir auf mein Studium zu sprechen. Kaum fiel das Wort „Fahrzeugbau“, zog er die Augenbrauen hoch und meinte: „Um Gottes Willen! Ich will keine Frau, die mir erklären kann, wie man Reifen wechselt.“ Da war ich natürlich erst mal perplex.
Warum, glaubst Du, ist das so?
Ich muss dazu sagen, dass es Männer gibt, die durchaus positiv reagieren und toll finden, was ich mache. Aber mittlerweile spielt das keine Rolle mehr für mich. Am Anfang war es merkwürdig. Ich bin eine von zwei Frauen in meinem Studienjahrgang. Das hat mich oft verunsichert. Ob sich Männer nun bedroht fühlen oder sich immer noch ein Heimchen am Herd wünschen, soll nicht meine Sorge sein. Seit einiger Zeit bin ich mit einem Fahrzeugbaustudenten zusammen, der keinerlei Probleme mit meiner Studiengangwahl hat. Unsere Beziehung hat in dieser Hinsicht sogar einige Vorteile. Wir können zusammen lernen und uns gegenseitig unterstützen. Es kommt vor, dass ich Klausuren bestehe und er nicht. Aber auch umgekehrt! Und genau das zeigt mir noch einmal, dass man seine Berufswahl nicht von geschlechtsspezifischen Faktoren abhängig machen sollte. Ich würde mich jederzeit wieder für diesen Studiengang entscheiden!