Tausende Inseln. Ein Eindruck von der Frankfurter Buchmesse

von Theresa Müller

Lange Flure, gefüllt mit Menschen, die gleich einem Fluss oder einer Strömung immer mal wieder nach links und rechts ausscheren, sich kurz an einem der Stände festhalten und sich gegebenenfalls etwas einpacken, um sich dann wieder in den großen trägen Besucherstrom zu begeben. Man kann sich auch einfach nur treiben lassen, quasi hypnotisiert, denn es kommen einem immer wieder Personen entgegen mit Programmheften, Flyern und Zeitungen, die sie einem in die Hand drücken. Die Frankfurter Buchmesse ist die größte weltweit und erstreckt sich über mehrere Hallen, sowie einem großen Innenhof. Als ich das erste Mal zu Besuch auf der Buchmesse war, war ich zugleich entdeckungsfreudig und überfordert, da die Masse an Angeboten nicht zu bewältigen ist. Über fünf Tage hinweg können die Besucher Verlage aus aller Welt kennenlernen und an Vorträgen, Lesungen, Diskussionen, Kochshows und vielem mehr teilnehmen, nicht nur auf der Buchmesse, sondern auch in der ganzen Stadt verteilt.

Die Buchmesse, deren Tradition bis in die Zeit Gutenbergs, also rund 500 Jahre zurückreicht, feierte ihre diesjährige Eröffnung mit einer Rede von Salman Rushdie, dem Autor der „Satanischen Verse“, der von Ayatollah Khomeini wegen eben dieses Buches mit einer Fatwa zum Tode verurteilt wurde. In seiner Rede appellierte Rushdie dann einmal mehr an die Freiheit des geschriebenen Wortes. Kurz darauf zog der Iran seine Teilnahme an der Buchmesse zurück. Schnell waren Salman Rushdie, die Buchmesse und der Iran in sämtlichen Medien in aller Munde. Davon ausgehend, dass vergleichsweise wenige Iraner auf der Messe vertreten sein würden, war ich am Ende meines Besuchs überrascht, dass ich sehr viel Farsi gehört habe, wohl bemerkt meist von iranischen Schriftstellern, die im Exil leben. Vom 14.10.-18.10. drehten sich in Frankfurt überhaupt sehr viele Diskussionen und Lesungen, wen wundert´s, um Fragen der Auswanderung und Vertreibung. Da Flucht ja immer auch direkt an die jeweiligen (zumeist unmenschlichen) Lebensbedingungen und damit indirekt auch mit repressiven Regimes zusammenhängt, schließt sich hier ein Kreis und die Wahl Rushdies als Eröffnungsredner wird verständlich. Aber auch die deutschsprachigen Autoren beziehen Stellung. So ist z. B. Jenny Erpenbeck zu nennen, die mit „Gehen, ging, gegangen“ auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises zu finden war und welches sie in Frankfurt in einer Lesung vorgestellt hat. Zusammen mit Ulrich Peltzers Werk „Das bessere Leben“ galt sie als Favoritin. Erpenbecks Buch trifft mit der Thematik den Kern der derzeitigen Flüchtlingsdebatte, sprachlich überzeugte es mich leider nicht. Den Deutschen Buchpreis erhielt am Montag dann auf der Preisverleihung, die ebenfalls in Frankfurt stattfand, Frank Witzel mit seinem Werk „Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969“.

Doch es sind wenige Autoren, die einen Bekanntheitsgrad wie Erpenbeck erlangen, denn viele scheitern schon an der ersten Hürde, einen Verlag zu finden. Der Buchmarkt ändert sich zu Gunsten der jungen Autoren, wie der Gang durch die Hallen der Buchmesse oder der Blick ins Programmheft zeigt. Schnell wird man auf das E-Book aufmerksam gemacht. Als Marktführer des E-Book-Handels war natürlich auch Amazon vor Ort vertreten, doch daneben scheinen zunehmend Online-Verlage aus dem Boden des Internets zu sprießen und damit einhergehend das sogenannte „Self-Publishing“. Immer mehr junge Autoren veröffentlichen heute ihre Romane nur noch online. Der Vorteil: Es ist preisgünstig und die Veröffentlichung wird Jedem garantiert. Damit jedoch der Erfolg eintritt, ist eine effiziente Eigenwerbung wichtig, sodass die Chancen steigen, von einem renommierten Verlag entdeckt zu werden, was in der Regel meist ausbleibt. Auf der Frankfurter Buchmesse wurden zu diesem Thema zahlreiche Workshops und Diskussionen angeboten, was sicherlich einen neuen Themenschwerpunkt dargestellt hat.

Auch wer selber nicht schreibt und nicht auf der Suche nach einem Verlag ist, kann auf der Buchmesse sehr viel erleben. In den neu erschienen Büchern blättern, durch ein Antiquariat schlendern und Veranstaltungen besuchen mit Charlotte Roche, Helge Schneider oder Rüdiger Safranski. Doch worum es eigentlich geht, ist Kontakte zu knüpfen. So findet man neben den großen Verlagen wie z. B. Suhrkamp und den großen Zeitungen wie Die Zeit auch die kleinen, die noch eben ihre Gründung gefeiert haben, beispielsweise die sympathische Zeitschrift shift.

Am Ende jedes Besuches auf der Buchmesse landet man gerne, ich zumindest, im Pavillon, in den das jeweilige Gastland einlädt. Dieses Jahr stellte sich Indonesien vor, mit traditioneller Livemusik. Mit einem Glas Wein in der einen Hand, einem Happen scharfem indonesischem Essen in der anderen und guter Musik im Ohr, klang mein Besuch dieses Jahr harmonisch aus, nachdem ich an tausenden Inseln auf der Buchmesse vorbei kam. Indonesien hat 17.000 Inseln, die Buchmesse gefühlt noch mehr. Mit all ihren kleinen und großen Ständen und Bühnen, ist es letztlich doch eine schöne bunte (Bücher-) Landschaft, die es zu erkunden gibt.