Ein subjektiver Blick auf die Frankfurter Buchmesse 2019
von Michael Fassel
Frankfurt. Buchmesse. Menschen. Ein Gang irgendwo zwischen dem Arena und Ravensburger Verlag. Summend geht eine Frau vor mir her. Sie zieht ihren Trolley mit einer bewundernswerten Geduld durch die Massen an Bücherbegeisterten, die unmittelbar stehen bleiben oder nur sehr langsam vorankommen, das Tempo wechseln. Einigen läuft angesichts der überhitzten Hallen Schweiß von der Stirn. Doch niemand jammert. Kein Klagen über zu volle Rolltreppen, über zu teures Street-Food oder über die Preise gebundener Bücher. Bemerkenswerterweise gewinne ich der Frankfurter Buchmesse in diesem Jahr trotz des Ansturms am Verkaufs-Wochenende etwas Harmonisches ab. Denn die Menschen lesen (wieder). Völlig Fremde kommen über die neuen Bücher von Jojo Moyes ins Gespräch und stehen stundenlang für ein Autogramm an. Ein deutliches Besucherplus lässt das literarische Herz in der Bankenmetropole höher schlagen.
Und wenn Literatur polarisiert, dann erhitzen sich manche Gemüter. Man streitet miteinander, Zum Beispiel über den frisch gebackenen Literaturnobelpreisträger Peter Handke. Saša Stanišić, diesjähriger Preisträger des Deutschen Buchpreises, hat die Vergabe des Nobelpreises auf der Buchmesse kritisiert, da Handke vorgeworfen wird, die Jugoslawienkriege zu verharmlosen und in ein falsches Licht zu rücken. Es ist also was los im Literaturbetrieb, dem doch immer wieder etwas Politisches anhaftet. Aber deshalb einem Autoren wie Peter Handke einen Preis verweigern? Das wäre ein falsches Signal. Denn der Schriftsteller hat nicht den Friedens-, sondern den Literaturnobelpreis erhalten. Und warum dürfen literarische Texte nicht auch mal politisch schwierig, unangenehm, anstößig oder verwerflich sein? Eine schnörkellose Biographie, wie sie langweilige Versicherungsberater mit aalglattem Gesicht und frisch poliertem SUV vorweisen können, ermüden mich. Darum greife ich jetzt zu Handkes und Stanišićs Texten. Die Bücher der beiden Autoren teilen sich nun meinen Wohnzimmertisch – so konträre Ansichten da auch aufeinanderprallen. Ein geistreicher Streit, wenn man so will. Und doch ist eine Ko-Existenz auf der Buchmesse oder auf meinem Wohnzimmertisch möglich. Eben auch das leistet Literatur.