Geht auf die Suche und entdeckt mit Lisa Maria Pilhofer einen echten Schatz ihrer Kindheit!
Von Lisa Pilhofer
In den Schulferien sind wir immer verreist. Als mein Bruder und ich zwischen 6 und 12 Jahre alt waren, sind wir mit unseren Eltern und Großeltern besonders oft nach Italien gefahren, in die Toscana, dort haben wir ein Apartment auf einem Bauernhof gemietet. Wenn wir uns nicht auf dem Bauernhof aufgehalten oder die Wälder drum herum erkundet haben, sind wir öfter in den Städten unterwegs gewesen. Aber vor allem haben wir Ruinenstätten besucht. Die Ruinen in der Toscana sind mir besonders im Gedächtnis geblieben. Nicht etwa, weil ich als Sechsjährige sonderlich an Kultur und Geschichte interessiert gewesen wäre. Bei den Orten, die wir besichtigt haben, war es mir herzlich egal, welche Stadt oder welches Dorf dieser Haufen moosbedeckter Steine mal gewesen sein sollte. Für mich und meinen Bruder waren es Spielplätze, und nicht nur das: Es waren Schatzinseln.
Wir spazierten um die Steine herum, stiegen die Treppen von halbzerfallenen Gebäuden hinauf und wieder hinab, nicht wirklich auf unsere Umgebung achtend – es sah alles gleich aus –, als mein Bruder plötzlich eine Münze entdeckte. Ein schönes, glänzendes 100 oder 1000 Lire-Stück. Nicht weit davon entfernt fand auch ich ein Lire-Stück. Und noch eins. Und noch eins. Wir fanden immer mehr! Zugegeben, unsere Ausbeute hätte keine Schatzkiste füllen können, höchstens unsere kleinen Hosentaschen, aber immerhin. Von da an suchten mein Bruder und ich in jeder Ruine nach Münzen. Wir waren ganz begeistert und vollkommen davon überzeugt, Münzen zu finden, die offensichtlich noch niemand vor uns je entdeckt hatte. Italienisches Geld! Altes italienisches Geld! Und wir hatten es gefunden! In alten italienischen Ruinen!
Aber natürlich war es kein altes italienisches Geld, es war die gegenwärtige Währung. Die Münzen hatte auch niemand verloren. Nein, unsere Eltern und Großeltern haben die Münzen versteckt, um mir und meinem Bruder eine Freude zu machen. Erst Jahre später haben wir davon erfahren. Mir wurde dann auch klar, warum Mama oder Papa immer zufällig dort standen, wo wir die Münzen fanden: sie haben eben aufgepasst, dass kein anderer Tourist die Münzen findet, sondern nur mein Bruder und ich. Man könnte also behaupten, Mama und Papa (und auch Oma und Opa) haben mich und meinen Bruder an der Nase herumgeführt, betrogen. Doch auch, wenn es keine alten Münzen waren, auch, wenn sie absichtlich für uns platziert worden sind, auch, wenn es insgesamt so wenig Lire waren, dass wir uns nicht mal ein Eis davon hätten kaufen können – diese Kindheitserinnerung ist für mich wie ein echter Schatz.