Science Fiction und reale Riesen-Spinnen

Anastasia Schmidt im Gespräch mit dem Sprachpraxis-Dozenten Keith Bliss.

Keith Bliss ist einer der „Native Speaker“ unserer Universität. Was ihn unverwechselbar macht, ist sein Sinn für Humor. Als einer der wenigen Dozenten schafft er es seine Sprachpraxis-Studierenden sogar morgens früh um acht zum Lachen zu bringen. Dass er seine halbe Kindheit in Australien verbracht hat und Karneval nicht ausstehen kann, wissen aber nur die wenigsten.

Schmidt: Wie kommt es eigentlich, dass Sie so gut Deutsch können?

Bliss: Zum einen habe ich in England einen Bachelor in Germanistik gemacht. Und ich lebe seit mittlerweile 29 Jahren hier.

Wow. Das ist lang. Wo wurden Sie denn geboren?

In Widnes, bei Liverpool. Ist wie Siegen, nur ohne Berge: grau in grau.

Haben Sie schöne Kindheitserinnerungen?

Ach, das ist ein bisschen komisch bei mir, denn als ich fünf  war, sind wir nach Australien ausgewandert. Fünf Jahre lang habe ich dort gelebt, deshalb stammen meine schönsten Erinnerungen als Kind daher. Ich habe nie einen Mantel gebraucht; im Winter sind wir im Pullover rumgelaufen.

Warum wollten Ihre Eltern nach Australien?

Es war immer der Lebenstraum meines Vaters, nach Australien auswandern. Aber als ich zehn war, sind wir zurückgekommen, weil meine Mutter es nicht ausgehalten hat.

Wegen der Hitze?

Im Sommer hatten wir 44 Grad im Schatten.  Und da waren Riesen-Spinnen.

Gibt es etwas, das Sie hier in Deutschland vermissen? Aus Australien oder sogar Widnes?

Was ich vermisse? Freundliche Menschen.

Und finden Sie bis heute irgendetwas an den Deutschen komisch?

Karneval. Kann ich nicht ab. Dieses  „Auf-Kommando-fröhlich-Sein“! Das verstehe ich nicht. Ich kann das nicht.

Haben Sie Kinder?

Ja, drei Stück. Peter, Daniel, Jennifer. Wir haben Namen ausgewählt, die es in beiden Sprachen gibt – meine Frau ist Deutsche.

Wie entspannen Sie sich, wenn Sie nach Hause kommen? Wie kommen Sie wieder runter?

Ich muss nicht wieder „runterkommen“. Stress kenne ich nicht. Ich spiele schon seit vielen Jahren Gitarre. Und ich gucke meine Serien: „Big Bang Theory“  und „How I met your mother“.

Was für Musik hören Sie gerne?

Die alten Rocker, Deep Purple, Black Sabbath, Pink Floyd …

Slash?

Kenn ich nicht. Aber auch durchaus moderne Sachen, wie „Pink“.

Dann kommen wir mal zu Ihrem Job: Wie ist das eigentlich immer dieselben Fehler zu hören? Seine eigene Muttersprache so falsch ertragen zu müssen und jahrelang dieselben unkorrekt ausgesprochenen Wörter? Ist das nicht ermüdend?

Ich weiß, wie das ist, wenn man Sprachen lernt. Ich hatte zwei Jahre Russisch, sieben Jahre Französisch, dann noch ein paar Monate Chinesisch und zwei Jahre Latein. Die meisten Kurse, die ich unterrichte, sind zudem aus der Sprachpraxis 2. Da sind die Studenten schon was älter und wissen es hoffentlich besser. Bei „Textproduction“ ist es etwas anders. Da kommen viele frisch von der Schule und bringen auch die typischen Schulfehler mit. Man muss damit leben.

Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Tag, hier an der Uni Siegen?

Ja, das war im April 2004. Da hatte ich zwei Lehraufträge und war sehr aufgeregt.

War das auch Ihre erste Erfahrung mit Siegen?

Nein, ich hatte schon zuvor hier im Siegerland zwanzig Jahre als Übersetzer gearbeitet.

Was lieben Sie an der Uni Siegen? Was macht sie besonders?

Meine Kollegen.

Und worüber ärgern Sie sich?

Die Bürokratie. Es gibt Töpfe für alles. Es gibt einen Topf mit Geld für Gebäude. Einen mit Geld für Klopapier. Einen Topf mit Geld für Personal und der ist fast immer leer. Das ärgert mich.

Was ist der größte Unterschied zu Universitäten in England oder Amerika?

Es gibt einen ganz großen Unterschied. In Leicester, wo ich meinen Bachelor in Germanistik gemacht habe, verläuft die Uni nach Schulprinzip. Zwei Tage vor Uni-Beginn geht man auf die Messe für Erstsemester und holt sich seinen Stundenplan ab.

Toll! Statt um Kurse zu kämpfen …

Genau! Dann hatte ich von neun bis fünf Uhr Uni. Jeden Tag, Montag bis Freitag. Das war ein vierjähriger Kurs und ich musste für ein Jahr ins Ausland. Dafür bin ich nach Köln gegangen.

Hat Ihnen die Uni dort gefallen?

Ich war nicht an der Uni. In Köln war ich als Assistent-Lehrer an einer Schule beschäftigt.

Ich würde gerne noch wissen, was Sie zurzeit lesen – das sagt angeblich viel über einen  Menschen aus.

Ich schreibe gerade meine Doktorarbeit und lese viel Science Fiction, weil ich über „Auswirkungen des Darwinismus auf Science Fiction von 1800 bis 1900“ schreibe.

Da kann Ihnen ja Sheldon aus „Big Bang Theory“ weiterhelfen – der Wissenschaftler und Science-Fiction-Nerd …

(lacht) Zu Hause lese ich gerade Terry Pratchett.

War es schon immer Ihr Traum zu unterrichten?

Hm. Als ich nach Deutschland gekommen bin, wusste ich überhaupt nicht, was ich machen soll. Ich hatte gerade meinen Bachelor frisch in der Tasche. Ich bin mit nur einem Rucksack und einem Koffer hierher gekommen, hatte kein Dach über dem Kopf, keinen Job. Ich hatte nur eine Freundin und mit der bin ich nun seit 29 Jahren verheiratet. Dann habe ich einen Job im Büro einer Übersetzerin gefunden und mich später damit selbstständig gemacht. Durch Cathy Waegner bin ich anschließend auf die Universität Siegen gekommen. Sie hatte mal angerufen und gefragt, ob ich zwei Kurse machen würde. Irgendwann wurde mir hier dann eine feste Stelle angeboten.

Daraus ist sicher eine Freundschaft mit Cathy Waegner entstanden, nicht wahr?

Ja, mit allen meinen Kollegen! Wir sind auch privat befreundet, besuchen uns gegenseitig, feiern zusammen.

Eigentlich sagt man ja, Siegener sind kalt und trotzig …

Das sind keine Siegener! Das sind alles Muttersprachler, (lacht) Amerikaner und Engländer …

Das ist also das Geheimnis! Gibt es denn etwas, was sie Deutschen oder speziell den Siegenern als Rat auf den Weg geben würden?

Einen Rat? Man soll sich selber nicht so ernst nehmen. Das Leben ist kurz. Warum nicht genießen?