Von Schmetterlingen im Bauch, Fischen im Pool und Passwörtern im Kühlschrank

von Wiliam Mertens

Tanzend, mit suchenden Bewegungen bewegt sich ein achtjähriges Mädchen mit angenähten Schmetterlingsflügeln durch den heimischen Garten – eines von vielen metaphorisch aufgeladenen Bildern auf der 70jährigen Berlinale, die sich ebenfalls nach dem Wechsel der Festivalleitung von Dieter Kosslick zu Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek neu entwickeln muss. Der Garten stellt für die Protagonistin des berührenden französischen Dokumentarfilms Petite fille von Sébastien Lifshitz aus der Festival-Sektion „Panorama Dokumente“ einen sicheren Raum dar, in dem sie sich frei entfalten kann. Ihre Familie akzeptiert Sasha so, wie sie ist: Im Körper eines Jungen geboren, identifiziert sie sich schon seit ihrer frühen Kindheit als Mädchen. Doch in sehr aufwühlenden Interviews werden zum Teil Unverständnis und Druck durch die Gesellschaft sowie die daraus resultierenden psychischen Auswirkungen auf Sasha und ihre Familienangehörigen spürbar, die darum kämpfen, dass Sasha u.a. als Mädchen gekleidet zur Schule gehen darf. Insgesamt gelingt Lifshitz ein tiefschürfendes, engagiertes Plädoyer für Selbstbestimmung und Akzeptanz, das Sasha und ihrer Familie auf Augenhöhe mit Würde begegnet, nah an ihnen dran ist, nie reißerisch wirkt und dadurch zu echter Anteilnahme einlädt. Weiterlesen

Nachlese: Eine Rückblick auf die Berlinale 2019

von Wiliam Mertens

Ohrenbetäubendes Piepsen, immer wieder die gleichen Geräusche prasseln auf mich ein, während ein kleines Kind völlig gefangen genommen von seinem Handyspiel ist, mehrere Passagiere den Vater vergeblich darum bitten, das Gerät leiser zu stellen und ich entnervt in der Bahn zum Flughafen sitze, auf dem Weg zur 69. Berlinale. Passender könnte mich die Bahnfahrt nicht auf meinen ersten Abend auf dem größten Publikumsfilmfestival der Welt einstimmen. Weiterlesen

Spannendes Katz- und Mausspiel – Paul Verhoevens neuer Psychothriller

Rezension zum französischen Psychothriller „Elle“

von Wiliam Mertens

„Did you ever experience this in your life?” Auf diese direkte Frage eines Reporters bei der Pressekonferenz zum Wettbewerbsfilm L’avenir auf der diesjährigen Berlinale fand die französische Schauspielerin Isabelle Huppert eine schlagfertige Antwort: „Ça ne vous regarde pas!“ (‚Das geht Sie gar nichts an!‘). Ob sie so etwas Krasses wie die Protagonistin in ihrem darauf folgenden, in Cannes uraufgeführten Psychothriller Elle (Regie:Paul Verhoeven) erlebt habe, hätte sich wohl niemand zu trauen gefragt. Schließlich spielt die Actrice hier eine Frau, die ihr Leben nach einer brutalen Vergewaltigung im eigenen Haus neu ordnen muss. Weiterlesen