Hilfe, die Leinwand hat einen Puls!

 von Bettina Fischer

Man sieht sie überall. Klein oder groß, schwarz oder bunt, schön oder hässlich, aber oftmals mit Stolz zur Schau getragen. Der Mensch hat sich vom Puristen, der seine Haut lieber nackt genießt, zum Kunstliebhaber am eigenen Leib entwickelt.

Ein dunkler Raum, der mit roten und schwarzen Sofas ausgestattet ist, der Zwielichtigkeit ausstrahlt und keinen Platz für Angsthasen bietet. Ein finsterer, knurriger Tätowierer, der einen mit barscher Stimme anspricht und aussieht, als hätte er ein paar Jahre im Knast gesessen. Das laute Surren der Nadel, die verzweifelten Schmerzensschreie eines Menschen, der für den farbigen Permanent-Schmuck an die Grenzen seiner körperlichen und mentalen Belastbarkeit geht. Diese klischeehaften Gedanken kommen vielen Menschen bei dem Thema Tätowierungen als erstes in den Sinn.

Aber entspricht dies wirklich der Realität? Und welcher Menschenschlag setzt sich freiwillig dieser Tortur aus?

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Aufs Äußere kommt es an

von Jana Gliese

Der tägliche Gang ins Fitnessstudio, Bodyart mit Piercing oder Tätowierung, das Streben nach Schönheitsidealen: Wie weit kann Körperkult gehen? Was tun Menschen für Fitness und gutes Aussehen? Welchem Idealbild folgen sie?

„Scheiße, es blutet wieder!“

Markus macht alles für seinen Traum: einmal dabei sein – bei der Deutschen Meisterschaft im Bodybuilding.

Der Schweiß rinnt sein braungebranntes Gesicht herunter. Tropft von den Ohren auf den grauen Linoleumboden. Markus liegt auf dem Rücken und macht immer wieder die gleiche Bewegung. Seine Arme stemmen eine silberne Langhantel in die Luft, 70 Kilo, immer und immer wieder. Jedes Mal scheint sein unnatürlich großer Trizeps noch größer zu werden; auf Stirn und Schläfen zeichnen sich Adern ab. Er gibt verzerrte Stöhnlaute von sich – als würde er es vor Schmerzen kaum aushalten. „Das ist erst das Aufwärmprogramm“, presst er aus sich heraus.

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„Bitte hilf mir, Ana!“ – Ein Leben, das von Body-Mass-Index und Kalorientabellen bestimmt ist

von Tabea Lettau

Ich habe Tränen in den Augen. Mein Hals tut weh. Es ist ein richtiges Brennen! Der Druck in meinem Magen lässt langsam nach. Ich fühle mich leer. Jetzt fühle ich mich wieder gut. Automatisch greife ich nach einem Taschentuch. Es liegt in unmittelbarer Nähe. Es ist immer dasselbe. Immer derselbe Vorgang. Ich tupfe meinen Mund ab und öffne das Fenster. Hoffentlich hat es niemand bemerkt! Ich wische mir die Tränen aus dem Gesicht, schließe die Tür auf und lächle … Zeilen aus dem Tagebuch einer jungen Frau, die sich aufgegeben hat, um einer Idealvorstellung zu folgen.

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Den Himmel über Siegen im Visier

von Jan-Hendrik Schulz

Die Uni Siegen hat eine kleine, aber feine Sternwarte. Angehende Physiklehrer studieren hier den Himmel – und immer mal wieder kommen begeisterte Sternengucker auch auf ihre Kosten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Im Menü kann Christoph Springob auswählen, ob er lieber Merkur, Venus oder Mond anschauen möchte. Er entscheidet sich für den Erdtrabanten, der Computer des Spiegelfernrohrs in der Sternwarte der Universität auf dem Haardter Berg errechnet, wo Luna gerade steht und das 42 Kilo schwere Instrument surrt in Position. Die Holzkuppel der Warte kann Springob, der technische Leiter der Sternwarte, in alle Richtungen schwenken und so die Sicht freigeben, mit den Wolken über dem Siegerland gelingt ihm das an diesem Tag nicht.
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Im Auslandssemester hinter Gittern – Siegener Student bei Protesten in der Türkei verhaftet

von Jan-Hendrik Schulz

Am Tag, als Deniz Schmick verhaftet wird, bittet ihn seine Mutter noch, besser in die Moschee zu gehen. Der 3. August 2013, ein Samstag, war ein muslimischer Feiertag. „Hätte ich mal besser auf sie gehört“, sagt Schmick.

An einem Samstagabend in Istanbul nehmen die türkischen Behörden den Maschinenbaustudenten fest, er sitzt vier Tage in Haft, er darf sein Studium noch beenden und muss das Land verlassen. Einfach so. Schmick macht gerade sein Diplom an der Uni Siegen.

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Von Flatterband bis Schwarzlicht

von Jan-Hendrik Schulz

Siegener Kunsttag zum Thema „Kunstkörper“ mit ungewohnten Blickwinkeln auf Körperlichkeit

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Siegen. Andrea Freibergs Körper hängt an einem Kleiderbügel und besteht aus Flatterband und einem Zollstock. Darüber ihr Gesicht. Ringsum hängen Abendkleider, Flanellhemden, Malerkittel, streng in Reih und Glied. 110 Mitglieder des Kunstvereins Siegen ließen sich für die Ausstellung im Haus Seel fotografieren, beim Siegener Kunsttag gestern reihten sie sich mit ihrer Ausstellung „Um Kopf und Körper“ ein in die Installationen und Aktionen zum Thema „Kunstkörper“.

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Ein musikalischer Abschied

von Clara Müller

„La Recherche“ erinnert an Lothar Barts.

Vor 20 Uhr sollte kein Einlass sein. Doch ein paar alte Damen mit strenger Miene stehen bereits eine halbe Stunde früher am Eingang. Ihre übertriebene Pünktlichkeit soll Anteilnahme zeigen. Drinnen angekommen wissen sie nicht wohin mit sich und ihren Händen. Sie kaufen schnell ein Glas Wasser oder Limonade, damit sie sich daran festhalten können. Der Raum ist so groß, dass acht Tafeltische Platz finden. Einer ist mittig vor der Bühne platziert. Dort werden die Familienangehörigen und ihre engsten Freunde sitzen. Jeder Tisch ist mit silbernen Seidenschleifen und kleinen violetten Dekosteinen festlich geschmückt, obwohl es eigentlich nichts zu feiern gibt. Noch fließen im Musiksaal Heppenbach in Belgien keine Tränen.

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Ein Mann, Pferd, ein Wald

von Judith Kaiser

Im Westerwald müssen Pferde richtig schuften – und das Holzrücken macht ihnen auch noch Spaß

Daniel Seidel mit Wasco auf dem Weg zur Arbeit

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Wald ist noch düster, feucht und kalt. Man hört dasKlirren schwerer Ketten und vom weichen Boden gedämpftes Hufgetrappel. In der Luft liegt würzig-warmer Pferdegeruch. Auf dem verlassenen Waldweg trotten zwei schwere Kaltblüter, geführt von zwei jungen Männern. Die Tiere tragen Arbeitsgeschirre und ziehen Metallstangen hinter sich her, an denen schwere, eiserne Ketten befestigt sind.

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Frühstück aus dem Müll

von Elisabeth Krause

Wenn Anna und Till morgens etwas zu Essen haben wollen, müssen sie vorher nachts losziehen und „Containern“ – sie holen sich Lebensmittel, die in Supermärkten weggeschmissen werden. Nur weil sie nicht mehr schön aussehen oder so grade abgelaufen sind.

Die Luft in der kleinen WG-Küche von Anna und Till war auch schon einmal besser. Die Fenster sind verrammelt. Die Jalousien sperren das natürliche Licht aus. Noch sitzen die beiden Studenten entspannt auf ihrem neuen Sofa; keins von Ikea, sondern vom Sperrmüll letzter Woche. In ihren Händen die qualmenden Glimmstängel. Beide drehen selbst. Gekaufte Zigaretten landen bei ihnen nicht auf dem Tisch. Aus Prinzip. Zu ineffizient, sagen sie. Den Rotwein trinken sie ganz klassisch aus Pokalgläsern. Es geht darum, was drin ist – nicht darum, wie es aussieht. „Beim Netto haben die jetzt auch ein Vorhängeschloss “, stellt Anna ernüchtert fest. Schon wieder ein Supermarkt, der den beiden das Leben schwermacht. Alternativen gibt es trotzdem genug. Noch.

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„Lasst uns einen Garten machen“

von Jan-Hendrik Schulz

Kräuter, Spinat und Kürbis – für alle! Die Gruppe „Transition Siegen“ will öffentlich zugängliche Stadtteilgärten anlegen und benutzt dazu Dinge, die nicht mehr gebraucht werden. Beim Urban Gardening werden nicht nur Kloschüsseln, Planschbecken oder Joghurtbecher mit Nutzpflanzen bepflanzt, sondern auch Nachbarn und Bürger zueinander gebracht.

Siegen. Rhabarber am Oberen Schloss käme vielleicht nicht so gut an bei der Stadt. Der Bewegung „Guerilla Gardening“, die öffentliche Plätze ohne Genehmigung – gerne auch mal mit Marihuana bepflanzt – folgt die Gruppe „Transition Siegen“ nicht: Sie wollen Greenspaces anlegen, öffentlich zugängliche Stadtteilgärten. Dabei geht es ihnen nicht um die Gestaltung öffentlichen Raums, sondern um Nutzpflanzen und Nahrungsmittel.

Der Garten am Effertsufer im Stadtteil Hammerhütte ist jetzt etwa einen Monat alt, und es wachsen schon Kräuter, Spinat, Kürbisse. Von außen sieht das umzäunte Areal nicht direkt aus wie ein Garten. Auf der Wiese stehen Pflanzkübel, lagern Paletten, am Zaun hängen Joghurtbecher und Flaschen. Kübel unter Klarsichtfolie sind Miniatur-Gewächshäuser. Was sich eignet, wird bepflanzt.

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