Tränenlos

  • Von Lisa Höller

Ob es Tränen der Trauer oder Tränen der Freude sind, spielt für ihn keine Rolle – Hauptsache ist, dass sie fließen. Lange hat er nach einem Ort gesucht, an dem er seiner Sucht nachgehen kann, ohne anderen aufzufallen. Als er vor einigen Jahren wieder ein Mal geschäftlich nach München reisen musste, kam ihm die Idee. Seitdem fährt er jedes Wochenende zum Flughafen; dabei wechselt er wöchentlich zwischen der Ankunfts- und der Abflughalle. Heute hat er sich wieder einen Platz auf einer Bank im Abflugbereich gesucht, von dem aus er unauffällig und ungestört das Geschehen um sich herum beobachten kann.

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Fortsetzungsroman

Kapitel 2

von Johannes Herbst

Mit einem Tritt ließ Pascal das blankgeschrubbte Metall des Geschirrschranks vibrieren und verabschiedete sich mit einem lauten „Fuck“ aus der Küche. Kurz drehte er sich noch einmal um, riss sich das Haarnetz vom Kopf und schmiss es mit einem „Wichser!“ auf den Lippen Richtung Ernesto. Erschöpft landete das dünne Netz nach kurzem Flug auf dem Boden. Pascal stapfte fluchend durch den Gang. Weiterlesen

Erich Kästners Leben kompakt und zum Anfassen

von Lisa Pilhofer

Ich war vor einigen Wochen in Dresden. Da das Wetter nicht gerade zu Außenaktivitäten einlud – es war kalt, windig und regnerisch – verbrachte ich den Sonntag mit einem kleinen Kulturtrip. Ich ging ins Museum.

Aber nicht in irgendein Museum.

Dresden hat ein Erich Kästner Museum!

Und ich, als Student der Literaturwissenschaft und großer Liebhaber von Kästners Büchern, wusste bis dato nichts davon! Weiterlesen

Klassenfahrt

von Marius Albers

Vermutlich würden einige Menschen sagen, dass wir hier und heute in einer klassenlosen Gesellschaft leben. Nun, eine offensichtliche sowie klar und explizit deklarierte Klassifikation lässt sich aber auch heute noch finden. Auf der Strecke Siegen-Essen rollen die Züge der Abellio (bei der Bahn ist es freilich nicht anders), in denen wie in den guten alten Zeiten zwei Klassen angeboten werden. Das normale Volk darf zusammenstehen (was nicht nur bei den kommenden sommerlichen Temperaturen manchmal etwas unangenehm wird), während in der ersten Klasse chronisch leere Sitze sehnsüchtig darauf warten, endlich einmal besetzt zu werden. Weiterlesen