Die Formel stimmt – und ist doch nicht richtig…

von Lisa Maria Pilhofer

Vergangene Woche hat das Siegener tollMut-Theater Georg Kaisers Stück GAS aufgeführt. Mit der Wahl des Vortex als Veranstaltungsort wurde auch die passende Atmosphäre für das Szenario des Theaterstücks geschaffen: enger Raum, schwarze Wände und eine kleine Bühne, die das tollMut-Ensemble voll ausnutzte. Besonders eindrucksvoll und passend war auch die benutzte Technik. Es spielte zwischendurch nicht nur düstere Musik, auch das gedämpfte Licht betonte die dunkle Stimmung des Stücks, aber vor allem der Einsatz von Gas (also ganz ungefährlicher Kunstnebel) unterstütze die bedrückende Atmosphäre, die dem Stück innewohnt. Denn es geht um Gas, um Giftgas, das bei einer Explosion (wunderbar mit einem Knall und sofortiger Dunkelheit im Raum inszeniert) freigesetzt wird, die ganze Umgebung verseucht und tausende Opfer fordert. Ein Horrorszenario, wie man es von Tschernobyl und Fukushima kennt, deren Folgen immer noch nachwirken. Die Situation in GAS ist somit nicht nur realistisch, sondern auch aktuell – und sehr kritisch.

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Der Widerspenstigen Zähmung im Musikpavillon oder Fifty Shades of Shakespeare

Lisa Pilhofer

Das Ensemble des Tollmut-Theaters hat dem unbeständigen Siegener Wetter getrotzt und diesen Mittwochabend die Premiere von Der Widerspenstigen Zähmung im Musikpavillon des Schlossparks gefeiert. Mit nur wenigen Requisiten, zu denen ein quietschgelber Sessel und ein blutroter Samtvorhang gehörten (später kamen noch eine Gitarre, ein Besen und ein rauchender Topf dazu), führte die studentische Theatertruppe ihre moderne, aber noch das Original zitierende, Version Shakespeares auf. Weiterlesen

Liliom

von Natalie Meyer

Theaterkritik zu „Liliom“. Eine Inszenierung der Neuen Studiobühne.

Liliom

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein blauer Sternenhimmel und ein niedliches Karussell mit lustigen Pferdchen sind auf den Flyern der Neuen Studiobühne für ihr aktuelles Stück Liliom zu sehen. Bei diesem Anblick hat man unwillkürlich sofort den Geruch von gebrannten Mandeln, Zuckerwatte oder Bratwurst in der Nase. Der ein oder andere kann sich vielleicht sogar noch an sein Lieblingstier auf dem Fahrgeschäft erinnern – oder war es ein Auto, ein Hubschrauber?

Genau das war nach eigenen Angaben die Intention des ungarischen Dramatikers Ferenc Molná, aus dessen Feder das im Jahr 1909 uraufgeführte Stück stammt. Realistisch sollte es sein. „Mit den Gedanken eines armen Schaukelgesellen im Stadtwäldchen, mit seiner Phantasie und seiner Ungehobeltheit“, so Molná.

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„Ein Diener, zwei Herren und die Liebe“

von Laura Schönwies

„Es gibt so viele, die suchen einen Herren, und ich, ich habe zwei Herren.“ In was sich da der tollpatschige Diener Truffaldino hineinreitet … s über die Premiere des Theaterstücks „Diener zweier Herren“, aufgeführt von tollMut.

Wohin doch ein leerer Magen führen kann! Truffaldino hat zwar das Talent, Saltos aus dem Stand zu schlagen, doch von dieser brotlosen Kunst wird er nicht satt. Valerie Linke bescherte in der Rolle des tollpatschigen Künstlers, der für einen Teller Spaghetti jeden Job annehmen würde, dem Publikum am Musikpavillon im Schlosspark viele Lacher. Die studentisch organisierte Theatergruppe „tollMut“ feierte am Dienstag Premiere mit David Penndorfs Bühneninszenierung der Komödie „Diener zweier Herren“ frei nach Carlo Goldoni.

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Pyramus und Thisbe – frei nach Andreas Gryphius

von Minou Wallesch

Letzte Woche brachte das Projekttehater der Uni Siegen „Pyramus und Thisbe“ auf die Bühne im Lyz. Minou Wallesch war da und hat sich für euch eine Aufführung angeschaut. Ihr Fazit: Gut gespielt, aber das Stück … Naja.

Das Projekttheater der Uni Siegen unter der Leitung von André Barz inszenierte in diesen Tagen das Theaterstück Pyramus und Thisbe. Angelehnt an die Barockkomödie von Andreas Gryphius Absurda Comica oder Herr Peter Squenz spielen Siegener Studierende ein Schauspiel in einem Schauspiel in einem Schauspiel. Die Darsteller sind schon auf der Bühne, als das Publikum Platz nimmt, es wird der Anfang einer Theaterprobe inszeniert. Wer bekommt welche Rolle? Wer kann was am besten spielen? Wie können die Charaktere dargestellt werden? Die Requisiten zur Erkennung sind schnell gefunden. Der Schmied bekommt ein Banner mit der Aufschrift „Orlando Bloom“ und der Löwe eines mit „Der König der …“ Doch diese Ideen werden abgelehnt, die Rollen noch einmal anders verteilt und dann leert sich die Bühne wieder.

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Denker in Hosenträgern

von Laura Schönwies

Karriere oder Liebe? Vor dieser komplizierten Frage steht Goethes Held Clavigo aus dem gleichnamigen Trauerspiel, der seine Verlobte Marie zugunsten einer Karriere als Schriftsteller verlässt. Laura Schönwies über die Aufführung der „Neuen Studiobühne“ unter Regisseur Jan Seithe.

Ein schlichtes Bühnenbild lässt noch nicht erahnen, was für eine gewaltige Inszenierung die Neue Studiobühne der Uni Siegen  im Kleinen Theater  des Kulturhauses Lyz  auf die Beine gestellt hat. Lediglich ein einfacher Wohnraum ist zu sehen, darin nur ein altes Sofa, eine alte Kiste muss als Regal herhalten. Einige Stufen hinauf zu einem alten Holztisch, der Clavigos Arbeitszimmer andeutet. Die Stufen erweisen sich im Verlauf des Stückes als persönliche Karriereleiter des Möchtegern-Schriftstellers. So erkennt der Zuschauer sofort, auf welcher Stufe seines Lebens sich Clavigo gerade befindet. Die zwei Ebenen des Wohnraumes und des Arbeitszimmers deuten zudem an, dass gerade derjenige in einem Konflikt obenauf ist, der sich in der höheren Etage befindet. Das Bühnenbild verleiht dem Stück zusätzliche Interpretationstiefe.

Clavigo neu 2

 

 

 

 

 

 

 

Und noch eine Ebene fügt Regisseur Jan Seithe dem Sturm-und-Drang-Klassikers geschickt hinzu: Weiße Laken, die den Bühnenhintergrund markieren, werden zu Leinwänden, die den Bühnenraum spiegelbildlich weiterführten und die Bühne dadurch optisch noch weiter nach hinten erweitern. Besonders originell wird dieses Mittel eingesetzt, als Clavigos unglückliche Ex-Verlobte Marie, sich auf das Sofa begibt, jedoch von der Projektion anderer Figuren verdrängt wird.

Man muss sich etwas gedulden, bis das erste Wort fällt. Zunächst dominieren visuelle Eindrücke das Geschehen. Aber schon mit seinem ersten Auftritt kommt Clavigo mit einer beeindruckenden Präsenz daher. Sofort erkennt der Zuschauer ihn an den Hosenträgern, welche Programmhefte und Flyer zieren. Pascal Nevelz brilliert in der Rolle des Clavigo, der sich einfach nicht so recht entscheiden konnte, was er denn möchte. Als er als Neuling in der Stadt angekommen war, hatten ihn Marie und ihre Familie liebevoll aufgenommen. Doch bald genießt er erste Erfolge mit seiner Wochenzeitschrift „Der Denker“ –  und schon verabschiedet er sich von der Idee, sich an eine Familie zu binden.

An diesem Punkt setzt das Stück ein. Sein bester Freund Carlos unterstützt Clavigos Vorhaben, Frau und Familie hinter sich zu lassen, die nur „hinderlich“ seien. Marie zerfließt derweil vor Kummer. Da kommt Beaumarchais seiner leidgeprüften Schwester zur Hilfe:  Er zwingt Clavigo zu einer schriftlichen  Entschuldigung für das, was er Marie angetan hat. Er will das Schreiben vervielfältigen und veröffentlichen. Zähneknirschend gehorcht Clavigo. Marie lässt sich dadurch erweichen und schon bald steht der Versöhnung und einer Hochzeit scheinbar nichts mehr im Wege. Pascal Nevelz und Marie-Darstellerin Rosalie Bertele zeigen hier ein gefühlvolles Zusammenspiel. Langsam bewegen sie sich aufeinander zu. Es ist sogar zu erkennen, wie sich Maries Gesichtszüge langsam lockern.

Einem glücklichen Ende stünde nun nichts mehr im Wege, wenn da nicht wieder Zweifel in Clavigo aufkeimten, die sein Freund Carlos nur zu gern anstachelt. Hier präsentiert Pascal Nevelz ebenfalls ein beeindruckendes Mienenspiel: In seinen Augen blitzt  in einem Moment die pure Entschlossenheit auf, während im nächsten Moment sich schon wieder eine Falte des Zweifels auf seiner Stirn abzeichnet.

Jan Seithe adaptiert dieses Stück aus dem 18. Jahrhundert für die heutige Zeit, ohne dass es gekünstelt wirkt. Die Themen –  Liebe, Freundschaft und Macht  –  sind eben zeitlos. Für Schmunzler im Publikum sorgen die herrlichen Männergespräche, wenn Carlos  seinem verweichlichten Kumpel eClavigo neu 1ntgegenruft: „Ermanne dich!“ Oder Szenen, in denen  Marie und ihre Schwestern an der Männerwelt verzweifeln. Sophie kann das Leiden nicht mehr ertragen und so gibt ihrer Schwester den  vermeintlich klugen Rat „Marie, nimm ihn und sei glücklich“.  Auf Verwandte sollte man besser nicht hören: Am Ende stirbt Marie an gebrochenem Herzen. Clavigo überlebt – anders als bei Goethe  – in Jan Seithes Inszenierung, was die zufriedenen Zuschauer der Neuen Studiobühne ihm auch von Herzen gönnen.

Hauptdarsteller  Pascal Nevelz war zufrieden mit seiner Leistung: „Natürlich ist man immer selbstkritisch, aber ich denke, je häufiger man spielt, desto ruhiger wird man auf der Bühne. Ich denke, wir konnten die Dramatik angemessen zuspitzen und gleichzeitig einige Figuren etwas lustiger anlegen. Jede Figur ist immer wieder eine neue Herausforderung.“  Wer  sich dieser Herausforderung auch einmal stellen möchte, bekommt im kommenden Sommersemester wieder die Gelegenheit dazu, wenn Jan Seithe  nach neuen Darstellern sucht, unter anderem über die Facebook-Seite der Neuen Studiobühne.