„Wohin geht ein Mensch, wenn er nicht weiß, wo er hingehen soll?“

von Lisa Pilhofer

Alles fängt damit an, dass sich zehn Männer vor dem Roten Rathaus in Berlin versammeln und in einen Hungerstreik treten. Ihre Hautfarbe ist schwarz und sie sprechen kein Deutsch. Sie kommen aus Libyen, aus Nigeria, aus Äthiopien, aus Ghana, sie sind alle aus ihren Heimatländern vertrieben worden oder geflüchtet; und sie alle wollen in Deutschland bleiben und dort arbeiten. Weiterlesen

Wo ist da der Sinn?

von Marius Albers

Der Ökonom Hans-Werner Sinn, gerade in seinen letzten Amtswochen als Leiter des ifo-Instituts (Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung) und regelmäßiger publizistischer Beiträger etwa zur Eurokrise, hat nun der Frankfurter Neuen Presse ein Interview zur Flüchtlingssituation gegeben. Was er dabei gesagt hat, sollte in keinem Fall unkommentiert bleiben, gerade auch wegen der großen Popularität des Interviewten und der damit verbundenen Reichweite seiner Äußerungen. Weiterlesen

Kommen Sie nicht nach Europa

– von Marius Albers

Als ich am Freitag beim Frühstück saß und mein morgendliches Müsli mampfte, schlug ich die SZ auf und hätte beinahe den gerade eingenommenen Löffel über die Titelseite gekotzt: „Tusk: ‚Kommen Sie nicht nach Europa‘“, so prangt es auf der ersten Seite. Liest man weiter, bleibt der Brechreiz bestehen. Zwar richtet sich seine Kritik „nur“ an Wirtschaftsflüchtlinge, wie der Artikel gleich mehrfach betont. Aber dennoch: Der offene Appell, nicht nach Europa zu kommen, zeugt von zweierlei: Einmal wird den nationalistischen Strömungen europaweit mittlerweile immer mehr nach dem Mund geredet. Zum anderen zeigt sich die Wahrung des Status Quo als oberstes Ziel. Wir sind die Reichen, uns geht es gut, und wir möchten unseren Wohlstand, obwohl er auf dem Rücken der Armen ausgetragen wird, mit niemandem teilen. Bleiben Sie da, wo Sie sind, und sorgen Sie dort dafür, dass es uns noch besser geht, vielleicht wäre das ein treffender Satz für den EU-Ratspräsidenten Donald Tusk.

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Die Flücht-LINGs-Krise in aller Munde …

Von Laura Schönwies

„Immer mehr Flüchtlinge versuchen über die Grenzen zu kommen“
„Flüchtlings-Unterkunft wurde angezündet“
„Flüchtlings-Krise spitzt sich weiter zu“

Kein Wort geht derzeit häufiger durch die Medien als „Flüchtling“.

„Flücht-LING“? Dieser Begriff macht mich stutzig…

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Medientrend „Flüchtling“?! Fragen über die Notwendigkeit umfassender Berichterstattung

– von Anna Sebastian

Die Thematik „Flüchtlinge“ ist vor allem in den Medien präsenter als je zuvor. Lange Zeit hatte ich mit der medialen Berichterstattung meine Probleme. Sie ist nach wie vor stark selektiert, dennoch ist ein Trend hin zu positiveren und umfassenderen Meldungen zu beobachten, den ich sehr begrüße. Vor wenigen Wochen zeichnete sich diesbezüglich noch ein gänzlich anderes Bild. Ich bin sicherlich sehr weit davon entfernt, als Experte zu gelten. Mein Wissen speist sich aus eben jenen Medien und dem Gespräch mit Bekannten. Zugegeben, bin ich äußerst schlecht informiert. Kaum auszudenken, wie es bei vielen anderen aussieht. Vor einigen Wochen fragte ich meinen besten Freund – er arbeitet seit Monaten ehrenamtlich in einem Flüchtlingswohnheim -, warum man in den Medien nur überwiegend negative Berichterstattung findet, wie beispielsweise über Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte und den damit verbundenen Fremdenhass. Seine ernüchternde Antwort lautete, dass es nur wenig Positives – das direkt mit der Asylproblematik zusammenhing – zu berichten gebe. Nach wie vor liegt die Zahl der Abschiebungen weit über der des tatsächlich gestattetem Asyl. Von wirklichen Integrationsversuchen kann kaum eine Rede sein. Gleichzeitig richtet sich Berichterstattung nach der Öffentlichkeit. Deutschland sei zu voll und man könne ja nicht jeden aufnehmen, das ist es was viele empfinden und demnach auch hören möchten. Ein Statement, das man auch bei Politikern – natürlich in schön verpackten Worten – findet. Umso erfreuter bin ich über den Wandel, welchen man in den letzten Wochen und insbesondere Tagen beobachten kann. Auch wenn es mir nach wie vor an tatsächlichen Fakten fehlt – und die muss es verstärkt geben, da die wenigsten sich auf speziell dafür vorgesehene Seiten weiter informieren – so wird verstärkt von ehrenamtlicher Arbeit seitens der Bevölkerung berichtet und zu mehr Toleranz aufgerufen. Es freut mich zu sehen, dass Bekannte, die häufig zu wenig Tiefgang neigen, auf Facebook den Aufruf zu mehr Solidarität und gegen Hetze im Internet von Anja Reschke (Tagesthemen) teilen oder österreichische Freunde, die Debatten in ihrem Land kritisch kommentieren.

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„Als ich meinen Namen hörte, kehrte das Leben zurück“

von Jan-Hendrik Schulz

Wochen und Monate sitzt Saad A. im syrischen Foltergefängnis. Die Qualen hat er erst einmal überstanden, aber die Haft wird immer schwerer, er ist schwer verletzt. Trotzdem schafft er es, zu überleben.

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Seine Folterknechte haben von Saad A. abgelassen. Die Haftbedingungen sind nach ein paar Wochen, nach A.s Tortur, noch einmal erbärmlicher geworden. Alle leiden an Durchfall, Bauchschmerzen, rissigen Lippen durch den Flüssigkeitsmangel. Einige haben die Krätze, schmerzhaften Juckreiz durch mangelnde Hygiene.

A.s Zeh beginnt zu eitern. In einer Nachbarzelle ist ein Arzt inhaftiert, er darf das tote Gewebe abschneiden, die Wunde regelmäßig ausschaben. Ohne sauberes Wasser, ohne Medizin. Ohne Narkose.

Inzwischen dringen immer häufiger die Schmerzensschreie aus dem zentralen Raum in die Zellen, das Klatschen der Schläge. „Manche starben buchstäblich vor Angst“, sagt A. Das  Perfide ist: Seine Geschichte ist noch die Leichteste, anderen ging es viel schlimmer, mussten mehr ertragen. Das sagt A. selbst, betont es immer wieder. Er ist jung, gesund, er verliert nur das Glied einer Zehe, seine Familie und Freunde bleiben unangetastet, auch wenn die Drohung sie ebenfalls zu foltern, schwerer wiegt, als die Qualen selbst. Mit ihm sitzen ältere Männer ein, einer leidet an Diabetes und Bluthochdruck. Die Leichen werden meist erst nach ein paar Tagen aus der Zelle geholt.

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Der ganze Körper ein glühender Schmerz

von Jan-Hendrik Schulz

Während deutsche Studenten sich nur noch zu einem Bruchteil für Politik interessieren und Wert darauf legen, schöne Dinge kaufen zu können, werden in Syrien junge Menschen verhaftet und gefoltert. Weil sie friedlich für Frieden und Freiheit demonstrieren. Saad. A. saß über zwei Monate in einem Foltergefängnis der Assad-Schergen. Zur Zeit lebt er in Burbach; dies ist seine Geschichte.

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Den 6. Juli 2013 wird A. nie vergessen. Der Alltag in Aleppo, seiner Heimatstadt, ist kompliziert. Es gibt kein Syrien mehr, mal haben die Regimetruppen die Kontrolle, mal die Freie Syrische Armee. Die Fakultät des Maschinenbaustudenten liegt in Assad-Gebiet, er wohnt im Rebellenareal. Auf seinem Tablet zeigt er Videos: Studenten demonstrieren für Frieden, sie wollen in Ruhe studieren, auch A. ist unter ihnen. Er steht kurz vor dem Examen, ein junger Mann mit gestutztem Bart, Kunstlederjacke, Sneakers, blau-braun gesprenkelten Augen. An diesem Tag passt ihn die Polizei vor der Uni ab, sie wollen fünf Minuten seiner Zeit, nur reden. Die Polizei ist der Inlandsgeheimdienst. Bei denen weigert man sich nicht.

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