Fortsetzungsroman: Kreuzfahrt

Kapitel 3

von Christian Bocksch

Sie saß kerzengerade im Bett. Den Blick starr nach vorne gerichtet. Vorsichtig, fast schon bedächtig, sog sie die Luft durch ihre Nase ein. Wegen der Abwesenheit von Traubenzuckerduft ließ sie enttäuscht die Schultern hängen. Mister Dextrose lag schon einmal nicht neben ihr, aber wer dann? Wollte sie das überhaupt wissen? Schließlich schaffte es ihre Neugier, die Schockstarre ihres Körpers zu durchbrechen. Langsam drehte sie den Kopf, und spürte ein schmerzvolles Pochen. Das müssen aber sehr, sehr viele Drinks gewesen sein, dachte sie. Es nützte alles nichts, sie musste jetzt Gewissheit haben.Scan0001

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Fortsetzungsroman: Kreuzfahrt

Kapitel 2

von Andreas Hohmann

00:15 Uhr. Warum mache ich diese Kreuzfahrt, wenn alle Männer auf diesem Schiff entweder verheiratet, nicht mein Typ oder angehalten sind, sich nicht mit Gästen einzulassen? Heute Abend im Speisesaal hatte ich das Gefühl, es gibt nur Eheringe, langweilige Unterhaltungen oder andere Gründe, das Weite zu suchen. Nur ein Gutes hatte der Abend: Leonardo mit dem Traubenzuckeratem, der aus La Romana. Ich habe ihn wiedergesehen, wenn auch nur im Vorbeigehen, auf dem Weg zum Essen. Und ich weiß immer noch nicht, wie er wirklich heißt. Aber er ist ein Leonardo, der Mann aus La Romana.

… ich glaube, das hier kommt nicht in den Blog. Weiterlesen

Fortsetzungsroman: Kreuzfahrt

Kapitel 1

von Michael Fassel

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Die schulterlangen Haare waren fransig. Sie hätte doch noch zum Friseur gehen sollen, als sie sich im Spiegel betrachtete.
Oder sie würde den Board-Friseur aufsuchen.
Der aber kostete mindestens das Doppelte als in der Stadt. Weiterlesen

Kohlenkind

von Kristin Scheller

Ich betrachte sie aus dem Augenwinkel. Hass brodelt in mir wie Gift in einem Hexenkessel. Niemand kennt sie so gut wie ich. Und das ist nicht bloß ein Spruch, nicht nur so daher gesagt. Ich kenne sie – ihren Geist, ihre Psyche, ihren Verstand. Die kleinen Narben und Kratzer auf ihrer Seele, die Risse, die sie durchziehen, die gähnenden Wunden ganz tief in ihr verschüttet – all das ist mir bekannt. Zu bekannt. Mir wird schlecht bei ihrem Anblick, in ihrer Gegenwart zehrt und schüttelt mein Seelenfrieden an mir, dreht mich weg, zieht mich in die entgegengesetzte Richtung. Weiterlesen

Raststätte

von Björn Vorspohl

Das rhythmische Klappern der Gepäckstücke auf dem Rücksitz wurde noch ein wenig lauter als der Kleinwagen auf den Rastplatz am Rande der A4 abbog und über die schlechte, mit Schlaglöchern übersäte Ausfahrt holperte. Der Fahrer, ein junger Mann von etwa 20 Jahren, wirkte genervt. Seine Haare standen in alle Himmelsrichtungen ab und unter seinen Augen machten sich dunkle Ringe bemerkbar. Mit einem Gähnen lenkte er den Wagen in eine freie Parkbucht und zog den Schlüssel aus dem Zündschloss. Er fuhr sich mit den Fingern durch die Haare und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Weiterlesen

Die Nacht der Eule

von Andreas Hohmann

„Ali, denkst du wirklich, dass das nötig ist? Ich halte nichts von dieser absurden Kaffeesatzleserei.“
Alandina warf ihrem Verlobten über die Schulter ein strahlendes Lächeln zu, während sie ihn mit sanfter Gewalt in das auffallend unauffällige Zelt etwas abseits des Jahrmarkts zog.
Ein Schild vor dem Eingang verhieß die mystischen Dienste einer Madame Ophelia, die Interessierten einen erhellenden Blick in die Zukunft zu gewähren versprach.
Lord Wilmarth seufzte. Ihre Verlobungsreise nach Port Empériale war mit einem rauschenden Volksfest zusammengefallen. Er hätte es allemal vorgezogen, mit der Yacht eine ruhige Stelle vor der Küste anzusteuern und dort Zeit mit seiner zukünftigen Frau zu verbringen. Weiterlesen

Dilemma einer Reisenden

von Kristin Scheller

Das Quietschen der Bremsen hallt mir noch immer in den Ohren, als ich auf den Knopf mit den zwei Pfeilen drücke, die mir Eintritt in den Wagon verschaffen würden. Die Farbe, die ihn bedeckt, ist teilweise bereits abgeblättert. Zu viele Hände berühren ihn Tag für Tag, tragen nach und nach die Pigmente ab, an jeder Station wieder und wieder. Ich berühre meine Schläfe, wie um dieses strahlende Gefühl abzustreifen, das sich durch meinen Schädel zieht, seit Metall auf Metall getroffen, gequält aufeinander herumgerutscht und letztendlich zum Stillstand gekommen ist. Die Türen öffnen sich und ich trete aus der milden Frühlingsluft hinein in die unbewegte Kühle des Zuges, suche mir einen Platz – einen freien Zweisitzer – und stelle meinen Rucksack neben mir ab. Weiterlesen

Das Mineral

von Christian Bocksch

Ein Ehepaar lebte jahrelang in Frieden und Glück zusammen. Wobei sich die Glückseligkeit vorwiegend aus den getrennt verbrachten Stunden speiste. Gab es zu Anfang, als er begann mehr Zeit an dem Tresen seiner Stammkneipe, statt mit ihr zu verbringen, noch die verträumte Erinnerung an den Beginn der gemeinsamen Beziehung, dauerte es nicht lange, und sie erkannte den Vorteil, die Zeit für sinnvollere Tätigkeiten zu nutzen, und nicht damit zu vergeuden die marode Liebe zu restaurieren.
Ärgerlich war daran nur, dass der konsumierte Alkohol keinerlei positiven Einfluss auf sein Gemüt hatte. Kam er dann vollgepumpt mit legalen Nervengiften durch die Tür der Küche, lag bereits der Geruch von Unwetter in der Luft. Weiterlesen

Winterwunderland

von Ankay

Mit einem leisen Seufzer lasse ich mich auf den Stuhl sinken und lange nach dem Radio, um dem ewig dahin quietschenden „Last Christmas“ den Saft abzudrehen.
Hätte ich Amanda doch nie diese CD gekauft…
Ich schmiege mich an das warme Leder des Sessels und blicke mich kurz im Zimmer um, bleibe mit dem Blick an meiner schlafenden Freundin hängen, lächele und drehe mich dann zum großen und einzigen Fenster im Zimmer, welches, wie alle anderen in unserer WG, zur Straße hin zeigt. Weiterlesen

(Miss)Erfolg einer Rückkehr

von Jana Albrecht

Und irgendwann im Moment des Nicht-Erlebens, des Nicht-Seins erfährt der Schmerz den Höhepunkt der Einsamkeit ohne selbst existent sein zu können. Der Schmerz, nicht mehr ertragend und nicht mehr in Worten FORM-ulierbar, entzieht sich dem Sein, um zu überleben im Auflösen.  Was bleibt ist der Verstand, der versteht – im Nicht-begreifen, weil im Moment des Begreifens sich die Wahrnehmung des Verstandes, der des entflohenen Schmerzes der Entfremdung, anschließt. Weiterlesen