Mit 90 lernt man anders. Aber Rosemarie Achenbach lernt.

 von Jan-Hendrik Schulz
Sie ist ungefähr im 142. Semester. Ihre Scheine wurden nach 60 Jahren immer noch anerkannt. Statt Semesterferien hatte sie zu Beginn ihres Studiums Kriegseinsätze. Und statt Hochschulsport musste sie Sport-Testate erbringen – flink wie Windhunde, zäh wie Leder, hart wie Kruppstahl. Rosemarie Achenbach ist die älteste Studentin der Uni Siegen. Ein Besuch.
Rosemarie Achenbach

Wie viele alte Damen ist Rosemarie Achenbach klein. Zierlich, aber kerzengrade. Wie 90 sieht sie nicht aus. Andere wirken mit Mitte 70 älter. Barfuss geht sie ins Wohnzimmer, wo noch die Geburtstagstafel steht. Sie will ihre Hörgeräte holen, schnellt ohne Last des Alters aus dem Sofa, findet die Geräte aber nicht. „Das kommt davon, wenn man so schlau ist“, sagt sie und der Schalk blitzt aus ihren hellblauen Augen.

1942 hat sie Abitur gemacht. Aber einfach so studieren? Nicht in Hitlerdeutschland. Ein halbes Jahr Arbeitsdienst in der Landwirtschaft, ein halbes Jahr Kriegshilfsdienst als Straßenbahnschaffnerin, das waren die Voraussetzungen zum Studium. „Viele Männer bekamen das Abitur geschenkt, damit sie schnell in den Krieg ziehen konnten“, sagt Achenbach. „Später mussten sie als gestandener Hauptmann oder Major wieder die Schulbank drücken.“ In München, kurz nach der Festnahme der Geschwister Scholl, immatrikulierte sie sich für Kunstgeschichte und wechselte nach einem Semester zur Psychologie mit den Nebenfächern Philosophie und Psychiatrie. Durchweg mit Kommilitoninnen. Kaum Männer, „nur ein paar Schwerverletzte kamen in Uniform“, erinnert sie sich.

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Die Literatur von heute wird in fünfzig Jahren keiner mehr lesen

von Theresa Müller

Der Schriftsteller Enno Stahl besuchte die Universität Siegen und stellte seinen Essayband „Diskurspogo“ vor. Darin kritisiert er die gegenwärtige Literatur mit ihren einseitigen Charakteren und Themen, und das nicht gerade zurückhaltend.

diskurspogo

Wie sieht die gegenwärtige Literatur in Deutschland aus? Was ist aus den Schriftstellern, den Verlegern, ja dem ganzen Literaturbetrieb geworden? Die Anzahl der vermarkteten Bücher steigt, doch die der großen Werken, wie wir sie von Thomas Mann oder Lew Tolstoi kennen, bleibt aus. Können wir von einem Verfall der Literatur sprechen, durch Massenmedien bedingt, dank der sich jeder Mensch Gehör verschaffen kann? Oder fördert der Fortschritt der Medien das politische Denken, die Auseinandersetzung mit dem Gegenwärtigen, das zur Integration und einer aufgeklärten Gesellschaft führt?

Am Mittwoch, den 7. Mai, sprach Enno Stahl, Schriftsteller und Journalist, an der Universität Siegen über seinen Essayband Diskurspogo, der 2013 im Verbrecherverlag erschienen ist und eben diese Thematik auseinanderpflückt. Im Januar diesen Jahres flammte, zugunsten der Popularität seines Werkes, wie er anmerkt, eine Debatte zu  dem Artikel Lassen Sie mich durch, ich bin Arztsohn!,  des Journalisten Florian Kessler, in der Zeit auf: die gegenwärtige Literaturdebatte.

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Hilfe, die Leinwand hat einen Puls!

 von Bettina Fischer

Man sieht sie überall. Klein oder groß, schwarz oder bunt, schön oder hässlich, aber oftmals mit Stolz zur Schau getragen. Der Mensch hat sich vom Puristen, der seine Haut lieber nackt genießt, zum Kunstliebhaber am eigenen Leib entwickelt.

Ein dunkler Raum, der mit roten und schwarzen Sofas ausgestattet ist, der Zwielichtigkeit ausstrahlt und keinen Platz für Angsthasen bietet. Ein finsterer, knurriger Tätowierer, der einen mit barscher Stimme anspricht und aussieht, als hätte er ein paar Jahre im Knast gesessen. Das laute Surren der Nadel, die verzweifelten Schmerzensschreie eines Menschen, der für den farbigen Permanent-Schmuck an die Grenzen seiner körperlichen und mentalen Belastbarkeit geht. Diese klischeehaften Gedanken kommen vielen Menschen bei dem Thema Tätowierungen als erstes in den Sinn.

Aber entspricht dies wirklich der Realität? Und welcher Menschenschlag setzt sich freiwillig dieser Tortur aus?

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Pyramus und Thisbe – frei nach Andreas Gryphius

von Minou Wallesch

Letzte Woche brachte das Projekttehater der Uni Siegen „Pyramus und Thisbe“ auf die Bühne im Lyz. Minou Wallesch war da und hat sich für euch eine Aufführung angeschaut. Ihr Fazit: Gut gespielt, aber das Stück … Naja.

Das Projekttheater der Uni Siegen unter der Leitung von André Barz inszenierte in diesen Tagen das Theaterstück Pyramus und Thisbe. Angelehnt an die Barockkomödie von Andreas Gryphius Absurda Comica oder Herr Peter Squenz spielen Siegener Studierende ein Schauspiel in einem Schauspiel in einem Schauspiel. Die Darsteller sind schon auf der Bühne, als das Publikum Platz nimmt, es wird der Anfang einer Theaterprobe inszeniert. Wer bekommt welche Rolle? Wer kann was am besten spielen? Wie können die Charaktere dargestellt werden? Die Requisiten zur Erkennung sind schnell gefunden. Der Schmied bekommt ein Banner mit der Aufschrift „Orlando Bloom“ und der Löwe eines mit „Der König der …“ Doch diese Ideen werden abgelehnt, die Rollen noch einmal anders verteilt und dann leert sich die Bühne wieder.

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Den Himmel über Siegen im Visier

von Jan-Hendrik Schulz

Die Uni Siegen hat eine kleine, aber feine Sternwarte. Angehende Physiklehrer studieren hier den Himmel – und immer mal wieder kommen begeisterte Sternengucker auch auf ihre Kosten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Im Menü kann Christoph Springob auswählen, ob er lieber Merkur, Venus oder Mond anschauen möchte. Er entscheidet sich für den Erdtrabanten, der Computer des Spiegelfernrohrs in der Sternwarte der Universität auf dem Haardter Berg errechnet, wo Luna gerade steht und das 42 Kilo schwere Instrument surrt in Position. Die Holzkuppel der Warte kann Springob, der technische Leiter der Sternwarte, in alle Richtungen schwenken und so die Sicht freigeben, mit den Wolken über dem Siegerland gelingt ihm das an diesem Tag nicht.
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Im Auslandssemester hinter Gittern – Siegener Student bei Protesten in der Türkei verhaftet

von Jan-Hendrik Schulz

Am Tag, als Deniz Schmick verhaftet wird, bittet ihn seine Mutter noch, besser in die Moschee zu gehen. Der 3. August 2013, ein Samstag, war ein muslimischer Feiertag. „Hätte ich mal besser auf sie gehört“, sagt Schmick.

An einem Samstagabend in Istanbul nehmen die türkischen Behörden den Maschinenbaustudenten fest, er sitzt vier Tage in Haft, er darf sein Studium noch beenden und muss das Land verlassen. Einfach so. Schmick macht gerade sein Diplom an der Uni Siegen.

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Von Flatterband bis Schwarzlicht

von Jan-Hendrik Schulz

Siegener Kunsttag zum Thema „Kunstkörper“ mit ungewohnten Blickwinkeln auf Körperlichkeit

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Siegen. Andrea Freibergs Körper hängt an einem Kleiderbügel und besteht aus Flatterband und einem Zollstock. Darüber ihr Gesicht. Ringsum hängen Abendkleider, Flanellhemden, Malerkittel, streng in Reih und Glied. 110 Mitglieder des Kunstvereins Siegen ließen sich für die Ausstellung im Haus Seel fotografieren, beim Siegener Kunsttag gestern reihten sie sich mit ihrer Ausstellung „Um Kopf und Körper“ ein in die Installationen und Aktionen zum Thema „Kunstkörper“.

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Der Einparkkönig als Held des Lokaljournalismus

Im zweiten Teil des Interviews von Nicole Schwertner verrät André Schweins, Chef der „Westfalenpost“-Lokalredaktionen, wie seine Zeitung auf die Konkurrenz aus dem Internet reagiert.

Wie sieht Ihre Zielgruppe aus? Haben Sie speziell etwas für junge Leute entwickelt?
Klar, wir fangen ganz jung an. Wir haben jeden Tag eine Kinderseite im Blatt, die „Kinderpost“. Wir haben im Lokalteil die Seite „Junge WP“, die ganz unterschiedlich bespielt wird. Diese Seiten sind auch stark bei älteren Menschen nachgefragt, wie wir herausgefunden haben. Umgekehrt machen wir keine extra Seniorenseite. Es ist richtig: Je älter unsere Leser sind, desto mehr hat man das Gefühl, dass sie unsere Zeitung intensiv und detailliert lesen und diese zu rezipieren wissen. Aber wir merken genauso, dass junge Leute uns wahrnehmen.

Was tun Sie dafür, die Leser aktiv einzubinden?
Wir binden die Leser auf verschiedenen Ebenen ein. Wir haben im Print jeden Tag im überregionalen Teil eine „Frage des Tages“. Dazu sind immer vier Köpfe mit vier Meinungen gefordert. Zum Beispiel zur Frage: „Kann man die Tour de France ohne Doping überstehen?“ Wir walzen das gerade auf Social Media aus. Wir sind bislang mit vier Lokalredaktionen bei Facebook unterwegs. Facebook kann man unter anderem dazu nutzen, eine schnelle Umfrage zu machen. Diese Facebook-Aktivitäten generieren natürlich auch Geschichten.

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„Was wir können, können nur wir“

Wie sieht die Zukunft der Lokalpresse aus? Nicole Schwertner hat für ihre LKM-Bachelorarbeit André Schweins – als Leiter der Lokalredaktionen und Mitglied der Chefredaktion der „Westfalenpost“ – gefragt, welche Chancen Printberichterstattung noch hat: Sind Social Media Konkurrenz oder Ergänzung? (Teil 1 des Interviews)

Wo sehen Sie die „Westfalenpost“ in zehn Jahren? Wird es sie noch geben?
Ja, wir werden immer noch der Nachrichten-Generierer in allen lokalen Bereichen sein. Also nicht nur in Politik und Kultur. Auch im Sport und allem, was lokal ist und mein Stadtquartier betrifft. Wir werden diejenigen bleiben, die diese Nachrichten einsammeln und verbreiten.

Was ist so besonders an Ihrer Zeitung?
Die Nähe zu den Menschen. Wir setzen auf aufsuchenden Journalismus, um mit den Menschen in Kontakt zu treten. Wir setzen nicht allein auf Terminjournalismus. Das ist das Brot-und-Butter-Geschäft, das ist ganz wichtig. Aber Themen setzen ist mehr als nur nacherzählend aufzuschreiben.

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Und Action, bitte!

von Jan-Hendrik Schulz

Ein guter Rat für die Moderatoren des Goldenen Monaco 2013. Die Filme und Showeinlagen des Abends waren klasse. Nur die Moderation hätte ein wenig mehr Biss vertragen können. Ein Kommentar von Minou Wallesch.

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Er sollte wohl einen glamourösen Anblick bieten. Doch der Bühnenhintergrund wirkt wie die Grafik eines schlechten Videospiels aus den 90ern. Es gibt ein Pseudoflammenmeer in Rot und Schwarz mit Goldener-Monaco-Schriftzug auf dem Bildschirm. Auf die Außenseiten der weißen Wand werden drei karierte Vierecke projiziert, die sich umeinander drehen, sodass ab und zu ein Herz entsteht. Eine schöne Idee, da auch die Gäste beim Einlass einen Herzstempel auf die Hand gedrückt bekamen. Links die Monacoband, sonst ist die Bühne leer.

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