Vogelregen

von Michael Fassel

Leere Straßen, abgestellte Autos, offene Türen, zersprungene Fenster. Eine kühle Brise zupfte sachte an den Gardinen, die wie gespenstische Fahnen aus den Häusern wehten. Das waren die Bilder, die auf ihn einschlugen, als er mit einer heißen Zitrone auf der Bank saß. Er zog sich seine Mütze bis zu den Augenlidern. Sperlinge fielen geräuschvoll auf den Boden, Tauben klatschten auf den Asphalt wie Wasserballons. Wind bleichte die Denkmäler aus. Blut rann über die Schaufenster, sickerte in die Kellerschächte. Weiterlesen

Mondlandung

von Sebastian Wilhelm

Am Anfang war es nur ein kleiner Schritt.
Raum und Zeit sind überwunden.
Meine Gedanken so hoch im Glück.
Sterne zeigen mir ihr Licht.
Trüber Mondschein scheint auf mich.
Rasend zogen sie an mir vorbei.
Ohne gänzlich zu verschwinden.
Nur die Vorstellung bleibt gleich.
Gedanken machen große Schritte.

Codierung des Akrostichons: ARMSTRONG

Immer noch Heidelberg

von Johannes Herbst

Er schielte auf das Ziffernblatt seines Weckers, doch erahnte nur verschwommene Umrisse zweier Zeiger! Stille. Wie zuvor, Stille. Obwohl er sich mehrfach die Augen rieb und den Wecker aus verschiedenen Blickwinkeln begutachtete, konnte er ihn nicht klar sehen. Es musste so kurz vor sechs sein. Zufrieden und mit geschlossenen Augen klemmte er sich ein Stück Bettdecke zwischen die Beine und drückte seinen Kopf in das Kissen. Weiterlesen

‚A God in Ruins‘ – ‚Everyone Is A Little Universe‘

von Susann Vogel

‚A God in Ruins‘     –    ‚Everyone Is A Little Universe‘
                        (paper planes)                   (The Wind-Up Robots Killed My Cat)

Diese Musik ist Hafen und Regen.
Ein Hausboot auf der Seine.
Und Gesangsübung in der anliegenden Wohnung.
Eine Arktische Himbeere. Weiterlesen

Tausendundeinhundert Lichter.

von Susann Vogel

Das Herz, das Herz, das Herz –

Ich habe einen Stern gesehen.

Ich tippe mir drei Mal gegen die Stirn, um Aufmerksamkeit zu wecken – die Aufmerksamkeit des mächtigen Unwetters zwischen meinen Ohren. Das Unwetter ist die Maskenlosigkeit. Das Gegengewicht zum Erdrückenden. Ich muss draußen stehen, um nach drinnen zu schauen. Ich muss dicht an den Rand heran, um mich in der Mitte zu positionieren. Ich kann nicht gefunden werden – als das, was fehlt. Denn ich bin Ergänzung.
Weiterlesen